Krongut Bornstedt in Potsdam

Text: -wn- (Journalist aus Berlin) / Letzte Aktualisierung: 18.02.2023

Herrenhaus auf dem Krongut Bornstedt
Herrenhaus des Krongutes Bornstedt vom Hof aus gesehen - Foto: © -wn-

Das Krongut Bornstedt war ein Anwesen der preußischen Königsfamilie. Heute gehört es zum Ensemble der Schlösser und Gärten von Potsdam Sanssouci. Wissenswertes über die Geschichte und Infos über Veranstaltungen auf dem Krongut Bornstedt:

Krongut Bornstedt nahe Sanssouci - Mümmelmann in Erdmännchenpose

Kaum ein Werk der Weltliteratur verfügt über eine so reiche Tierwelt wie die jüdisch-christliche Bibel. In beiden Testamenten kreuchen und fleuchen kampfstarke Beutegreifer wie der Löwe im 17. Psalm, "der nach Raub lechzt", und in der jüdischen Thora (die fünf Bücher Mose) durchfliegen Käuzchen, Schwan und Uhu sowie anderes geflügeltes Kleingetier die Lüfte.

Das Neue Testament bringt jedoch auch ein bis dahin unbekanntes Tier zur Geltung: das Lamm Gottes (Agnus Dei).
Es ist die allegorische Bezeichnung für die Zentralgestalt des Christentums, für den Nazarener Tischlersohn Jesus Christus (4 v. Chr.-30 oder 31 n.Chr.). Dem weniger Bibelkundigen bleibt jedoch verborgen, dass in "Gottes Tierleben" ein Geschöpf nur am Rande, das heißt zweimal erwähnt wird - und diese Nennung fällt auch noch ziemlich verächtlich aus.

Sein Name ist Hase. Die biblischen Autoren bezeichnen ihn als unrein, und deshalb sei er auszuschließen von jeglichem Verzehr - weil seine "Klauen nicht ganz durchgespalten" seien. Und ausgerechnet dieses Tier steigt im 19. Jahrhundert zur irdischen Hauptfigur des höchsten christlichen Festes auf, des österlichen Gedenkens an Tod und Auferstehung ebenjenes Lammes! Vor diesem religionsgeschichtlichen Hintergrund stellt sich die Frage: Was hat dann ein aufrecht stehender Hase auf einem Epitaph in der evangelischen Bornstedter Dorfkirche zu suchen, wo er doch angeblich so unrein ist und folglich in der Nähe eines Altars nichts zu suchen hat? Das nämliche Gotteshaus, ein schlichter Saalbau in der Potsdamer Ribbeckstraße, liegt vis-a-vis des Krongutes Bornstedt. Und so könnte man annehmen, dass es die Nachbarschaft der Kirche zum Ort mit Nähe zu Ackerbau und Viehzucht weniger sündhaft erscheinen lässt, wenn im Gotteshaus ein anstößiges Tier an der Wand zu sehen und inzwischen eine Attraktion des Hauses ist. Der Hase auf der hochgestellten Grabplatte hat jedoch nichts mit dem in den 1840er Jahren nach Entwürfen des Baumeisters Friedrich August Stüler (1800-1865) gebauten landwirtschaftlichen Gutes zu tun. Außerdem stammt er aus dem Vorläufer der Kirche. Die heutige ist im romantisch-byzantinischen Stil errichtet und fällt mit ihrer quer vorgelagerten Arkadenhalle auf, an deren Nordende sich der vom Gotteshaus abgesetzte Campanile erhebt. Das von dem Baumeister Johann Heinrich Haeberlin (1799-1866) gebaute Gut auf der anderen Seite der Ribbeckstraße fällt durch italisierenden Formen auf, durch einen Landhausstil aus niedrig gehaltenen Schlosselementen mit angedeuteten Türmen. Spiritus Rector dieser Bebauung rechts und links der Straße (wie auch weiterer Bauplätze in und um Potsdam) ist der "Romantiker auf dem Thron" - Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. (1795-1861).

Es ist der Potentat, der die Introvertiertheit seines entschlußunfreudigen Vaters Friedrich Wilhelm III. (1770-1840) zu seinem Glück genetisch nicht mitbekam. Unter den zehn hohenzollerischen Herrschern in Preußen (vom Großen Kurfürsten bis zum Holzhacker-Kaiser Wilhelm II.) kann man ihn als denjenigen mit der nachweislich heimeligsten Kinderstube ansehen. Seine Mutter war die schöne und zu ihren Kindern liebevolle Königin Luise (1776-1810). Im Gegensatz zur ulkigen Wortkargheit seines witzlosen Vaters war er - wie das "Lexikon der Kunst" des E. A. Seemann Verlages Leipzig hervorhebt - "als Redner gefeiert und als Entwerfer architektonischer Phantasien bewundert".

Die wichtigsten Infos für Ihren Besuch

Adresse:
Krongut Bornstedt
Ribbeckstraße 6/7
14469 Potsdam
Telefon: 0331/ 550 650
Tipps zur Anfahrt:
Aus der Berliner City erreicht man den Hauptbahnhof Potsdam mit den S-Bahnlinien 1 oder 7 oder mit dem RegionalExpress Richtung Brandenburg oder Magdeburg. In Potsdam ist es mit der Krongut-Linie Nr. 92 der Straßenbahn zu erreichen. Von der Endhaltestelle Kirschallee läuft man ca. sieben Minuten bis in die Ribbeckstraße. Autofahrer richten sich in der Stadt nach der Ausschilderung "Krongut".

Öffnungszeiten des Krongut Bornstedt:

  • Täglich 08:00 Uhr - 18:00 Uhr
  • Restaurant Brauhaus: Mi - So: ab 12:00 Uhr
  • Königliche Hofbäckerei: Mo - So: ab 08:00 Uhr
  • Hofflorist + Gutsladen: Mi - So: ab 10:00 Uhr
  • Zinnfiguren Museum: Mi - So: ab 10:00 Uhr

Veranstaltungen auf dem Krongut Bornstedt:

  • Ostern mit Ostermarkt
  • Muttertags-Konzert
  • Pfingst-Brunch
  • Oktoberfest
  • Weihnachtsdorf und Weihnachtsmarkt
  • Silvesterparty uvm.

Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. - Viel Kunstsinn und viel Niedertracht

In die Geschichte geht dieser König aber mit einer hilflosen Trauerbekundung ein. In der dritten Nachmittagsstunde des 22. März 1848 muss er die an ihm auf dem Schlossplatz vorbei getragenen Leichen von 183 Märzgefallenen mit gezogenem Hut grüßen. Wie es sich später herausstellt - mit kaum empfundener Traurigkeit. Dass dieser Bauherr des Krongutes und der Bornstedter Dorfkirche, von dessen architektonischen Hinterlassenschaften wir Heutigen unser Gutes haben, eine Null in Politik und Wirtschaft war, kann nicht übersehen werden.
Wieder und wieder wird man daran erinnert, dass Klugheit, Kunstsinn und ideologische Niedertracht zu allen Zeiten in einem Menschen gleichzeitig wohnen können. Zu einem weiteren folgenreichen Ereignis in der deutschen Geschichte wird im April 1849 seine Zurückweisung der deutschen Kaiserkrone, die ihm eine Delegation des Frankfurter Deutschen Nationalparlaments (Paulskirche) angetragen hatte. Der König beendete bald auch die ihn nervende, aber vielfach geforderte Verfassungsdebatte mit der Bemerkung, er sei in dieser Sache überhaupt völlig falsch verstanden worden. Aus Paris ließ sich Heinrich Heine (1797 od. 1799-1856) mit dem ironischen Bekenntnis vernehmen: "Ich hab ein Faible für diesen König. / Ich glaube, wir sind uns ähnlich ein wenig. / Ein vornehmer Geist, hat viel Talent. / Auch ich, ich wäre ein schlechter Regent." Der wegen Impotenz kinderlos gebliebene König stirbt in geistiger Umnachtung.

Man muss ihm zubilligen, mit dem Krongut ein zeitübergreifendes Ambiente geschaffen zu haben, das heutige Besucher nachgerade in Landpartie-Stimmung versetzt. Und es gilt eine weitere tragische Figur der preußischen Monarchie zu erwähnen: den sogenannten 99-Tage-Kaiser Friedrich III. (1831-1888). Bereits in seinen Kronprinz-Jahren lebte er auf dem Gut mit seiner Frau Victoria von Großbritannien und Irland (1840-1901), die er 1858 geheiratet hatte. Der spätere Kaiser Friedrich, der von seinen Kritikern gern als ein "unpraktischer Ideologe" hingestellt wurde, war sich - als er die Sommer in Bornstedt verbrachte - der agrarischen Tradition des Ortes bewusst. Immerhin war das Dorf so wichtig, dass es im Buch "Die Territorien der Mark Brandenburg" aufgeführt ist, das einer der wichtigsten Vertreter der Berlin-Brandenburgischen Geschichtsforschung Ernst Fidicin (1802-1883) publizierte. Bornstedt habe danach bereits im Jahre 1451 dreißig Hufen (Huben) besessen, wobei eine Hufe im Mittelalter diejenige landwirtschaftliche Einheit zum Lebensunterhalt einer Familie war, die eine bäuerliche Hofstätte mit Ackerland umfasste und ein Nutzungsrecht an der Gemeindeflur einschloss. Ernst Fidicin schreibt weiter: "König Friedrich Wilhelm IV. kaufte Bornstedt im Jahre 1844 als Kron-Fidei-Commiß-Gut (unteilbares königliches Familienvermögen) ... an und verwandte einen großen Theil der Feldmark zu herrlichen Parkanlagen und zur Erweiterung von Sanssouci, und ließ die im Jahre 1846 abgebrannten Bornstedter Amtsgebäude und späterhin auch die Kirche in einem, dem ländlichen Anlagen analogen Styl erbauen."

Zinnfiguren Museum auf dem Krongut Bornstedt
Das Zinnfigurenmuseum, nebenan der Laden des Königlichen Hoffloristen - Foto: © -wn-

Der Kronprinz, von dem es in einer Chronik nebenbei heißt, er hätte "die Allmacht des Frackes gebrochen und durch sein Beispiel den Gehrock auch in vornehmen Gesellschaften hoffähig gemacht", baute ab 1867 das kleine Anwesen zu einem Mustergut aus; man nannte es "Naturalbesitz und Nießbrauch". Schwerpunkte waren Milchwirtschaft und Hühnerzucht. Zum Mustergut kam ein Musterheim, eine Einrichtung für sozial benachteiligte Kinder, die das "Kaiser Friedrich-Heim" hieß. Ab 1888, als sein Vater Kaiser Wilhelm I. (geb. 1797) starb, waren die Bornstedter Jahre zu Ende; er trat die Thron-Nachfolge an. Der neue König galt als ein charismatischer Mann mit guten Verbindungen zur deutschen liberalen Bewegung. Sein ihm nahestehender Schwiegervater, Albert von Sachsen-Coburg und Gotha (1819-1861), wird dem Vormärz zugerechnet, zu dem nationale und liberale Kräfte gehörten. Nicht ohne Grund galt Friedrich III. als die "liberale Hoffnung" Preußens und des Deutschen Kaiserreiches nach 1871. Diese Hoffnung wurde durch seine späte Thronbesteigung und seinen frühen Tod zunichte gemacht. Noch zu seinen Lebzeiten, aber schon mit Blick auf eine bereits ausgebrochene Krankheit, hatte das politisch-satirische Wochenblatt Kladderadatsch euphorisch - statt spöttisch wie sonst - geschrieben: "O mögest lang Du walten im deutschen Land! / Mit Götterhand berühre Genesung Dich, / Dass wieder bald Dein Volk mit Jubel / Schaue, wie sonst, Dein geliebtes Antlitz." Zum Ansehen des so Hochgelobten trug seine Haltung zu dem im 19. Jahrhundert auch in Deutschland aufkommenden Antisemitismus bei; er nannte ihn eine "Schmach für Deutschland". Aber er hatte nur noch drei Monate zu leben. Der schwere Kehlkopfkrebs führte dazu, dass er während seiner Regierungszeit meist im Bett lag und mit der Familie sowie den Mitarbeitern nur schriftlich kommunizierte. Seine liberalen Vorsätze kamen nicht zum Tragen. Historiker mutmaßen jedoch, es sei gar nicht so sicher, dass der Hingeschiedene diese Vorsätze tatsächlich verwirklicht hätte. Gründe für solch eine Annahme gab es viel. Friedrich II. (1712-1786) etwa hat bekanntlich vorgeführt, dass jugendliche Friedensträume (Anti-Machiavel) das Eine und spätere vom Zaun gebrochene Kriege ein Anderes sind. Der Verrat anfänglicher menschenfreundlicher Ziele zieht sich bekanntlich bis in den ostdeutschen Staatssozialismus hinein.

Reiche Erlebniswelt des Krongutes Bornstedt heute

Wer heute anregende Stunden im Krongut verbringen will, befindet sich in einem Teil des Potsdamer UNESCO-Weltkulturerbes. Das Gut gilt inzwischen als eines der beliebtesten Ausflugsziele der Region. Hoffeste, Konzerte und Märkte laden das ganze Jahr über ein. In Preußen gepflegte Handwerke bieten ihre Produkte an: etwa die "Königliche Hofbäckerei" oder die Havelland-Keramik. Es gibt eine Schmuckwerkstatt, einen Floristen, den Hofgut-Barbier sowie eine Praxis für Naturkosmetik. Die Weinhandlung Lutter & Wegner hat rund 150 erlesene Weine im Angebot. In der Weinscheune wird an jedem ersten Sonntag im Monat ein großes Brunchbuffet angeboten. Im Brauhaus, das gutbürgerliche Küche bietet, wird das hauseigene und älteste Potsdamer Bier gebraut - das "Bornstedter Büffel", das seit 1689 in zwei Varianten gezapft wird: als obergäriges und hopfaromatisches Helles und als dunkles malzaromatisches Braunbier. Zu Weihnachten wird das "Bornstedter Büffel Bernstein" gebraut, ein dunkles würziges Bockbier. Nach dem Genuss des süffigen Getränks ist eine Heimfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln anzuraten.

Bliebe noch der Hase. In der ängstlichen Attitüde eines wachhabenden Erdmännchens sieht man ihn unter der Empore auf dem Epitaph, der einst ein nicht mehr existierendes Grab bedeckte. Theodor Fontane (1819-1898) stand hier, als er für den Havelland-Band seiner "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" recherchierte. Den Epitaph nennt er ein "wunderliches Gebilde, das (Fontanes Besuch) in übermütigem Widerspruch mit Marmorkreuz und Friedensengel... wie ein groteskes Satyrspiel beschließt. Es ist dies das Grabdenkmal des bekannten Freiherrn Paul Jakob von Gundling (geb. 1673), der Witz und Wüstheit, Wein und Wissensdurst, niedere Gesinnung und stupende Gelehrsamkeit in sich vereinigte, und der, in seiner Doppeleigenschaft als Trinker und Hofnarr, in einem Weinfass begraben wurde." Den Berichten zufolge soll er nach seinem Tode am 11. April 1731 beerdigt worden sein. Die Chronik berichtet: "Vor seiner Beerdigung sollen acht Schneider das Weinfass bis zur Potsdamer Stadtgrenze getragen haben, es gibt sogar Berichte, dass das Fass zeitweilig von Schweinen gezogen wurde." Von der Stadtgrenze sei das Sarg-Fass auf einem Viehwagen nach Bornstedt gebracht worden. Gundling sei ein geachteter Wissenschaftler gewesen, bevor er zum Hofnarren des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. (1688-1740) wurde. Es sei schwer auszumachen, ob seine Trunksucht die Ursache oder die Folge dieser unwürdigen Behandlung durch den König war. Im oberen Teil des Epitaphs liest man einen überschwänglichen Lobspruch auf den Verstorbenen mit den so gegensätzlichen Neigungen: "Allhier liegt begraben der weiland hoch- und wohlgeborne Herr, / Herr Jakob Paul Freiherr von Gundling, / Seiner Königlichen Majestät in Preußen hochbestallt gewesener / Oberzeremonienmeister, Kammerherr, Geheimer Ober-Appellations-, Kriegs-, Hof-, / Kammerrat, Präsident der Königlichen Sozietät der Wissenschaften, Hof- und / Kammergerichtsrat, auch Historiographus etc., welcher von allen, die ihn gekannt haben, / wegen seiner Gelehrsamkeit bewundert, / wegen seiner Redlichkeit gepriesen, / wegen seines Umgangs geliebt und / wegen seines Todes beklaget worden. / Anno 1731." Darunter ist ein verhohnepipeltes Wappen des Gundling-Geschlechts zu sehen, das bei anderen Gelegenheiten mit stilisierten roten Greifenklauen, einem schwarzen Adlersschwanz, einer Krone und Pfauenschweifen auffällt. In der Bornstedter Fassung hat man der Krone einen gesichtslosen Kopf mit Helm aufgesetzt, dessen Visier heruntergeklappt ist. Rechts scheint eine ältliche Göttin Minerva, Beschützerin des Handwerkes, das Ganze mit der rechten Hand zu stützen; links tut der nervöse Hase ein Gleiches. Fontane schreibt: "Die Hieroglyphensprache des Grabsteins sollte ausdrücken: er war klug, eitel, feige." Welch fragwürdige Rolle Mümmelmann auf dem Bornstedter Epitaph auch übernehmen musste - es ist eine der höchst seltenen Gelegenheiten, bei denen unter den Kirchenbesuchern ein als unrein eingestufter Hase mehr Aufmerksamkeit auf sich zieht als sonst das Lamm Gottes.

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