Der märkische Weiler Brodowin: Hornmist-Cocktail aufs Feld

Abgeschiedener als Brodowin kann sich kaum ein Ort in der Gemarkung befinden. In
Brodowin in Brandenburg
Die Dorfkirche in Brodowin - Foto © wn
einem hügeligen eiszeitlichen Grundmoränenbecken liegt der Flecken, im 1990 gegründeten Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin nordwestlich des berühmten Zisterzienserklosters. Ausgedehnte Buchenwälder umfangen das süduckermärkischen Straßendorf von Westen, Süden und Osten her. Alte Eichen darunter, auch die lichtes Gehölz schätzende Winterlinde, von der man nicht weiß, warum sie zeitversetzt erst nach der Sommerlinde blüht, sowie die aufschießende Esche und die kapriziöse halbimmergrüne Ulme. Zwischen sieben Seen ist der Weiler platziert, wovon der Parsteiner See der namhafteste und zum Baden geeignete ist. Südlich des Weilers tut sich ein Herzstück des Reservates auf: das 177 Hektar große Plagefenn, ein Moor rund um den Großen und Kleinen Plagesee.
Adresse:
Ökodorf Brodowin
Weißensee 1
16230 Chorin OT Brodowin
Tel: 033 362/ 70 610


Geschichte des Dorfes Brodowin


Vor über dreißig Jahren zog der Altonaer Barde Wolf Biermann aus dieser von Eiszeitgewalten zusammen geschobenen ländlichen Einsamkeit einen entscheidenden Nutzen. Sein inzwischen verstorbener Freund, der ansässige Schriftsteller und Umweltschützer Reimar Gilsenbach (1925-2001), versteckte 1976 in seinem Haus zwei Kartons mit Biermanns Tagebüchern, darunter Urtexte früher Gedichte und Lieder. "Die vielen Kladden riechen ein bisschen nach Stroh und Hühnermist. Na und? Immer noch besser als der Ratten-Gestank eines Stasi-Archivs!" resümiert Biermann später nach Aushändigung der Papiere in seiner herzlich-bitter übertreibenden Art. Auf Gilsenbachs Remise waren die Späher an der unsichtbaren Front nicht gekommen. Aber auch Biermann tappt ein wenig im Dunklen. Nicht sicher, ob der große Durchblicker inzwischen weiß, wo der märkische Winkel samt Gilsenbachs Schuppen überhaupt liegt. Noch in einer Rede im Frühjahr 2007 spricht er vom "Dorf Brodowin an der Oder". Ein lässlicher Irrtum, den die Rettung der Manuskripte aufwiegt. Der Verwahr-Erfolg erlaubt in Biermanns Schaffen den historischen Bogen zu spannen etwa vom noch hoffnungsvollen Gedicht "Der Funktionär", der "ohne Phrasen, ohne Schmus" jeden überzeugt und abends noch selbst einkauft - bis hin zur bissigen "Ballade von den verdorbenen Greisen" aus den 80er Jahren, in der Egon Krenz als "unsere Stasi-Metastase" apostrophiert und Kurt "Tapetenkutte" Hager der Verrat der eigenen Jugendträume vorgehalten wird.

Den Schutz durch stilles Verbergen suchten auch Brandenburger evangelische Christen, die sich im November 1937 in die Brodowiner neogotische Kirche zu einer geheimen Synode der Bekennenden Kirche der Mark Brandenburg zurückzogen. Diese Oppositionsbewegung gegen die Gleichschaltung von Lehre und Organisation mit dem Nationalsozialismus war von den Nazis verboten worden. Zu den bekanntesten Vertretern dieser Bewegung zählen der Pfarrer Martin Niemöller (1892-1984) und der Theologe Dietrich Bonhoeffer (1906-1945). Der Brodowiner Kirchenbau-Bau des Thüringer Baumeisters Friedrich August Stüler mit seinem schlanken Turm und dem Feldsteinmauerwerk im einfassenden Backstein-Verbund (Foto) wurde restauriert; eine Gedenktafel erinnert an die Klausur der mutigen Luther-Leute von 1937. Seit einiger Zeit scheint sich im Dorf am Plagefenn eine Variante des alten wirkungsmächtigen Choriner Zisterzienser-Wahlspruches "Ora et labora" (Bete und arbeite) zu beleben. "Beten" heißt in diesem Falle, sich die weit zielende anthroposophische Idee des "landwirtschaftlichen Organismuses" zu Eigen zu machen und die verwendeten physischen Stoffe als "Träger geistiger Kräfte" zu betrachten. Diese Sicht ergibt sich aus den Prinzipien des seit 80 Jahren geschützten Markenzeichens Demeter, das unschwer die gleichnamige griechische Fruchtbarkeitsgöttin als Namensgeberin erkennen lässt. Demeter meint eine biologisch-dynamische Landwirtschaft, die den Anspruch erhebt, nicht nur natürlich zu düngen, sondern ebenso metaphysische, weltumfassende Kräfte als Wirkungsfaktoren im Gebrauch zu haben. Auch die Betreiber des Brodowiner Öko-Hof-Betriebes sehen diesen als einen Organismus an. Dass trotz dieses ungewöhnlich erscheinenden Vorgehens keine Spinner am Werke sind, beweist der Hof mit seinen 300 Kühen und 150 Schweinen, seinen Weizen-, Erbsen- und Kleekulturen auf 1200 Hektar Land. Täglich werden 2400 Liter nicht homogenisierte, also frische aufrahmfähige Milch in braunen Flaschen nach Berlin geliefert. Aufgrund der Prosperität sind "nur" acht Prozent der 433 Einwohner arbeitslos, während die Quote in den umliegenden Dörfern bei zwanzig Punkten pendelt.

Öko-Hof Brodowin


Der Demeterbetrieb ist ein vom Bundesamt für Naturschutz gefördertes Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben. Es untersucht die Konflikte zwischen einem groß aufgezogenen und insofern auch die Natur belastenden Ökologischen Landbau und dem Naturschutz. Im Mittelpunkt steht die Förderung eines gesunden Zusammenspiels von Mensch, Tier und Pflanze sowie von Erde und Kosmos. Dass die Betreiber des Öko-Hofes neben dem Erzielen ermutigender Produktionszahlen deshalb zum Beispiel auch den Bestand an Beiß(heu)schrecken und Heide-Grashüpfern im Auge behalten, durch hasenfreundliches Mähen den Feldhasenbesatz schützen sowie den Feldvögeln, Fröschen, Kröten und Unken Überlebenschancen sichern, spricht für die ökologische Bedeutung des bundesweit beachteten Experiments. Manche Alteingesessene beobachten allerdings argwöhnisch wie vor Tau und Tag Neubrodowiner "aus dem Westen" in weiten Roben anthroposophisch hergestellten Hornmist in homöopathischen Kleinmengen auf den Feldern ausbringen - Kuhmist, der eine Weile in einem hohlen Horn vergraben war und danach in Wasser zum Cocktail verrührt wurde. Von Spott ist dringend abzusehen. Genügend Weltfragen sind noch offen.
Der Hofladen befindet sich in der Brodowiner Dorfstr. 89.

Öffnungszeiten des Hofladen:
April bis Oktober
Montag bis Samstag 09:00 Uhr - 18:00 Uhr
Sonntag 10:00 Uhr - 18:00 Uhr

November bis März
Dienstag bis Freitag 10:00 Uhr - 18:00 Uhr
Samstag bis Montag 10:00 Uhr - 16:00 Uhr

Wie man nach Brodowin und zum Parsteiner See kommt:


Mit dem Auto über die A 11 Richtung Prenzlau über die Abfahrten Chorin oder Joachimsthal Richtung Brodowin fahren. Von der Bundesstraße B2 führt die Straße L2022 nach Brodowin; auch über eine alte, fünf Kilometer lange Kopfsteinpflasterstraße gelangt man ins Dorf. Sie bietet grandiose Waldblicke, kann aber nur langsam befahren werden.
Züge fahren von Berlin-Hauptbahnhof stündlich bis nach Chorin.
Text: -wn- / Stand: 15.07.2014


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