Kunersdorf im Oderbruch: Chamissos Zuflucht - Muses Ort

Es ist das Schicksal des Oderbruch-Fleckens Kunersdorf, sechs Kilometer südwestlich von Wriezen, immer mal wieder verwechselt zu werden. Seinen Namen trug auch jener Ort, der für die Niederlage steht,
Kunersdorf im Oderbruch
Der Park in Kunersdorf - Foto © -wn-
die sich Preußenkönig Friedrich II. mit seinem 49000 Mann starken Heer am 12. August 1759 im Kampf gegen russische und österreichische Streitkräfte einhandelte. Zu dem preußischen Debakel am Ende dieser Schlacht im Dritten Schlesischen Krieg kam es auf einem nordwestlich des heutigen polnischen Dorfes Kunovice gelegenen und Kuhgrund genannten Gelände. Die Bataille wird für den seinen Kriegern stets voraus reitenden Monarchen aus Sanssouci, dem man zwei Reitpferde wund geschossen hatte, zum Ort schwerer Depressionen. Gerade noch einmal mit dem Leben davon gekommen, lässt er sich im Lager Fürstenwalde täglich eine halbe Stunde Bachsche Musik vorspielen. Mehr über das Oderbruch in Brandenburg
 
Sehenswürdigkeiten in Kunersdorf:
  • Kirche
  • Schlosspark
  • Erbbegräbnis Lestwitz-Itzenplitz
  • Dammkrug
  • Zugehörigkeit von Kunersdorf:
  • Landkreis: Märkisch-Oderland
  • Gemeinde: Bliesdorf
  • Ortsteil: Kunersdorf

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    Wissenswertes über Kunersdorf

    Ganz anders liegen die Dinge in Kunersdorf. Sein Name ist zumindest auch als Synonym für glücklichen Aufbruch bekannt. Gleichwohl verlor die Ansiedlung, deren Hauptstraße aus einer kurzen S-Kurve mit zwei parallelen Sträßchen und dem Rest eines Linné-Parkes besteht, am Ende des Zweiten Weltkrieges das Guts-Schloss derer von Itzenplitz. Als Blickfang figuriert seitdem die in den 50er Jahren errichtete neugotische Backsteinkirche, die mit ihrem runden Kirchenschiff und dem Vorlaubenhaus mit Krüppelwalmdach eine architektonische Besonderheit im Oderbruch ist. Zu seiner historischen Merkwürdigkeit kam der Ort unter anderem vor dem Hintergrund der preußischen Agrarreform zu Beginn des 19. Jahrhunderts, deren geistiger Kopf Reichsfreiherr vom und zum Stein war. Mit dem von ihm initiierten Oktoberedikt von 1807 wurde - gleichsam als Revolution von oben - Grund und Boden in privatrechtliches Eigentum überführt und die Leibeigenschaft abgeschafft, natürlich nicht die ökonomische Abhängigkeit der Bauern. Es fiel in Kunersdorf nicht nur das Ansinnen dieses Ediktes auf fruchtbaren Boden. Die beiden aufeinanderfolgenden Gutsherrinnen, Frau von Friedland, die von ihrem Gatten getrennt lebende Tochter eines preußischen Generalmajors der Infanterie, sowie ihre Tochter Henriette Charlotte, verheiratete von Itzenplitz, führten nacheinander erfolgreich die ererbten Mustergüter in Kunersdorf und in Friedland südlich Beeskows. Auf beiden Gemarkungen wurde nicht nur mit dem Anbau des bis dahin für Unkraut gehaltenen Rapses begonnen, man kultivierte die Kartoffel weiter, säte Klee zur Verbesserung des Bodens, beseitigte Brachen und zog die Schäferei größer auf.

    Von der Frau von Friedland schrieb ein Freund: "Sie war aber nicht bloß eine Landwirtin, sondern eine höchst geistreiche und in allen Dingen unterrichtete Frau." Beide Landwirtschaftsreformerinnen führten zu ihrer Zeit in Kunersdorf ein gastfreies Haus. Der 1827 von seiner fünfjährigen amerikanischen Forschungsreise nach Berlin zurückkehrte Alexander von Humboldt fand den Weg ins Oderbruch. Es kehrten ein der preußische Historiograph Leopold von Ranke, einer der Gründerväter der modernen Geschichtswissenschaft, der Rechtsprofessor Friedrich Carl von Savigny, die Bildhauer Johann Gottfried Schadow und Christian Daniel Rauch. Kunersdorf wurde Musenhof, in dem die Gäste Konversationen pflegten über Kunst, Literatur, Bildhauerei und den Weg Preußens nach dem Ende der Napoleonischen Herrschaft. Es gab Konzerte und Ausflüge. Diese Geistesoase im Grünen war von Anfang an nicht angekränkelte vom Gemeinsinn und Verantwortung vortäuschenden politischen Palaver, im Verlauf dessen - wie es in Puschkins "Eugen Onegin" heißt - "Die biedren, vollgeschmausten Dicken / Beginnen friedlich einzunicken". Es obwaltete "ein an Neugierde grenzendes Eindringen in alle privaten und öffentlichen Angelegenheiten", schrieb eine Augenzeugin. In dieser Welt des geistig aufgeschlossenen Adels findet sich im Völkerschlachtsjahr 1813 ein Zweiunddreißigjähriger ein, über den Thomas Mann 1911 in einem Essay schreibt, dieser Gast sei "in unserem Sprachbereich der meisterlichste Terzinenschmied" (Terzine: ein in der Romantik beliebtes Versmaß). Der Mann - innerlich zerrissen - ist Adelbert von Chamisso. Der spätere Weltumsegler und bekannte Berliner Botaniker aus adligem Elternhaus, dessen Privilegien die Französische Revolution abschaffte, war nach Preußen geflohen und dort sogar Offizier geworden. Obwohl bald als "französischer Deutscher" beliebt, kann er sich aufgrund seiner Herkunft nicht entschließen, am Kampf gegen Napoleon weiter teilzunehmen. In der hiesigen Schloss-Bibliothek und mit Blick auf den spätsommerlichen Park (Foto) wird er das Kunstmärchen "Peter Schlemihls wundersame Geschichte" abfassen, die Erzählung von einem Pechvogel, der auf einem Gartenfest von einer grauen Teufelsadaption den nie versiegenden Geldbeutel "Fortunati Glückssäckel" erhält und dafür seinen Schatten gibt. Schlemihl geht aufgrund des Schattenverlustes einer gesellschaftlichen Ächtung entgegen. Chamisso, dem man eine "angeborene liebenswürdige Bescheidenheit" nachsagt, ahnt nicht, dass die metaphorische Schlemihl-Geschichte ihn und Kunersdorf weltweit bekannt machen wird.

    In einer erhalten gebliebenen Schloss-Dependance gibt es wieder einen Musenhof - sein Kernstück der Findling-Verlag. "Mit der Weiterbelebung des Kunersdorfer Musenhofes schaffen wir eine Plattform für Literatur, Kunst, Kultur, die fest im kulturhistorischen Dorfensemble von Kunersdorf verankert ist", heißt es in einer Willenserklärung des Verlages. Neben der ständigen Ausstellung "Kunersdorf und die Frauen von Friedland" soll ein literarisches Zentrum entstehen. Wer sich von der Historie, von Kunst, Kultur und vor allem Literatur inspirieren lassen will, ist willkommen; im Überfluss wird auch einfach nur Muse, Ruhe und Beschaulichkeit geboten. Was dem "Theater am Rand" im 17 Kilometer entfernten Zollbrücke gelang, ein schnell wachsendes Fähnlein Berliner und Barnimer Enthusiasten an sich zu binden, die sich zum Glück nicht als sich spreizende Schickeria entpuppten - das sollte in Kunersdorf auch gelingen.

    Der Weg nach Kunersdorf:
    Man verlässt Berlin auf der Bundesstraße 158. Ab Steinbeck führt die Landstraße 341 nach Schulzendorf; über die Landstraße 33 und die Bundesstraße 167 erreicht man Kunersdorf.
    In der Nähe liegen auch die Orte Zollbrücke mit dem "Theater am Rand" und Neuhardenberg mit dem Schloss und der berühmten Schinkelkirche. Als weiteres Ziel bietet sich der Baasee mit seiner zünftigen Wildgaststätte an.
    Text: -wn- / Stand: 11.06.2014

    Adresse der Amtsverwaltung:
    Freienwalder Str. 48
    16269 Wriezen


     
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