Der Sudermann-Park in Blankensee - Beim "Balzac des Ostens"

Im Oktober 1930 publizierte Kurt Tucholsky in der satirischen Wochenzeitung "Simplicissimus" ein Gedicht über die Kurzlebigkeit von Bühnenerfolgen.
Sudermann-Park
Der Sudermann-Park in Blankensee - Foto © -wn-
"Pro Mann einen Monat Unsterblichkeit" heißt es über den enormen Verschleiß an Stücke-Schreibern im damaligen deutschen Theaterbetrieb. Zwei Namen allerdings hält Tucholsky für unverwüstlich: den Hermann Sudermanns (1857-1928), eines zwei Jahre zuvor gestorbenen Schriftstellers ostpreußisch-litauischer Herkunft und den eines rund vierzig Jahre jüngeren Augsburger Autoren, von dem zunächst nur dessen umtriebiges Wesen und seine Vorliebe für schwäbisch-schlänzigen Kartoffelsalat bekannt geworden waren. Dieser Gourmet brachte in Sudermanns Todesjahr einen der größten Theatererfolge der Weimarer Zeit zuwege - die von Kurt Weill vertonte "Dreigroschenoper". Textdichter: Bertolt Brecht (1898-1956). Tucholskys Mutmaßung wonach "Brecht sein wird, was Sudermann war" geht als zu kurz gegriffen in die Geschichte ein. Wie bekannt, überflügelte Brecht den zwischen 1890 und 1920 am meisten gespielten deutschen Bühnenautor Sudermann um ein Vielfaches. Und das wollte etwas heißen. Denn Sudermann galt nach Meinung des Literaturhistorikers Paul Fechter wegen seiner, wenn auch nicht sonderlich tiefgehenden Kritik am unsozialen Verhalten der Besitzenden und Adligen und an deren schlechten Sitten immerhin als der kreative "Balzac des Ostens". Einige Rezensenten nannten ihn freilich wegen der oberflächlichen Aussagen seiner Stücke einen "Kulissenmoralisten".

Schloss Blankensee mit Park


Neben ihrer nachgerade närrischen Liebe zu den Brettern, die die Welt bedeuten, hatten aber Sudermann und Brecht noch einen Faible für grüne Refugien, in die sie sich zurückziehen konnten. Letzterer saß später auf seiner bis heute unzugänglichen, weil familiär genutzten Liegenschaft am Buckower Ufer des Schermützelsees - ausgenommen das Brecht-Weigel-Haus und das Stück Baumgarten dahinter; Sudermann erwarb 1902 in Blankensee bei Trebbin ein damals 160 Jahre altes Herrenhaus mit Park als Sommersitz, von dem es heißt, ihm habe der berühmte Landschaftsgärtner Peter Joseph Lenné (1789-1866) seine an der englischen Gartenkunst orientierte Form und Fassung gegeben. Das Schloss selbst wird inzwischen als Tagungs- und Veranstaltungshaus genutzt. Wer Brecht heute begegnen will, hat dazu die Möglichkeit in vielen Theatern. Eine Begegnung mit dem kaum noch gespielten Sudermann kann nur noch - außer im Antiquariat - im Blankenseer Park stattfinden. Dieses sonderbare Landstück ist ein kunstvoll gesteigertes gärtnerisches Abbild der Landschaft der Nuthe-Nieplitz-Niederung, eines Urstromtals am Rande der Teltow-Hochfläche mit reichlich märkischem Sand und ausreichend Kiefern. In diesem Park nun sollte alles den Stil des sorgsam gepflegten Wildwuchses haben. Von außerhalb kommt hier der träge Bach Nieplitz an und verzweigt sich in noch kleinere Fließe, die dem Park eine italienisch-märkische Note verleihen. Geschwungene Brücken stärken die duale Stimmung hinlänglich. Sudermann, Verfechter eines "genießendes Lebens", wusste sich auch in der Tradition des Landschaftgärtners Fürst von Pückler-Muskau, nach dessen Meinung ein Park zu allererst die Persönlichkeit des Besitzers ausdrücken soll, anstatt dass sich der Eigner "einen Garten … machen (lässt), wie man ein Kleid beim Schneider bestellt". Und bei allem, was Sudermann dem Park hinzufügte, hielt er sich an Pücklers strikte Ansage. Auf seinen zahlreichen Bildungsreisen war er ständig auf der Suche nach neuen Skulpturen und Säulen.

Der Besucher passiert heute zunächst ein kleinteilig gefertigtes Schmiede-Eisengitter aus einer Würzburger Künstler-Werkstatt, später mehrere italienische Marmor- und Potsdamer Sandsteinbüsten, die auf dem 4,5 Hektar großen Gelände verteilt sind. Ins grüne Ambiente gebettet sind etwa die Frucht-Göttin Pomona, Flora, Göttin der Blüte, und Vertumnus, der Gott des Wechselspiels. Das Areal, findet die Historikerin Irmela Körner, ist "grandios, skurril, morbide und verträumt in einem - eine inszenierte Unsterblichkeit für einen in Vergessenheit geratenen Autor". Dass die so ausdrapierte Parknatur gelegentlich ins Postkartenidyll umschlägt, beleidigt Sudermann keineswegs. Er wollte es so und bekannte sich ausdrücklich zu ästhetischen Wirkfaktoren, die wir heute schlicht als Kitsch einstufen. In seinem unaufgeführt gebliebenen Erstlingswerk "Die Tochter des Glücks" wird ebenjene Tochter eines von "schurkischen Industriellen" ruinierten Adelsgeschlechtes von einem "edlen Demokraten" gerettet und im Sturm erobert. Als Ort der Handlung hatte sich der Autor einen Kirchhof in "himbeerfarbener Abendbeleuchtung" einfallen lassen. Auch den Park sah er geheimnisvoll illuminiert, "aus dessen Innern hie und da ein Leuchten kam von Säulen und Brücken und weißem weinumsponnenem Mauerwerk ... Aus dem Hintergrunde, von einem Hügel her, den Schwarztannen düster umragten, schaute feierlich ein Rundtempelchen mit toskanischen Säulen und grünschillerndem Dache".

Bereits in seinem ersten Bühnenstück "Die Ehre", mit dem er einen einzigartigen Publikums- wie auch finanziellen Erfolg erzielt, scheint wie im antik aufgepeppten Blankenseer Park manches nicht recht zueinander passen zu wollen. Klassenübergreifende Liebensverhältnisse mit ungewöhnlichen Fortgängen und unerwarteten Happyends lassen den beabsichtigten Eindruck des Gesellschaftskritischen nur schwerlich aufkommen. Zwar stellt Sudermann auf der Bühne Klassengegensätze in naturalistischer Manier dar, zwingt sie dann doch in die Form des französischen Sitten- und Konversationsstücks. In der "Hall of Fame" der Theaterliteratur sucht man seinen Namen heute vergebens. Hingegen ging er in die Geschichte ein als ein "Gestalter eines phantastischen, rauschhaften unwirklichen Lebens", wie einer seiner Wohlgesinnten meinte. Deshalb ist dem Park von Blankensee ein Schauwert überhaupt nicht abzusprechen.

Wie man zum Sudermann-Park kommt:


Mit dem Auto befährt man von Berlin aus die Bundesstraße 101 nach Süden bis zur Autobahnauffahrt Ludwigsfelde-Ost (A10, Richtung Leipzig/Magdeburg). Ab der Abfahrt Ludwigsfelde-West führt die Straße L795 Richtung Siethen; ab dort die Straße L793 nach Blankensee.
Text: -wn- / Stand: 03.04.2014

Öffnungszeiten des Sudermann-Park in Blankensee:


Der Park ist ganzjährig geöffnet.

Eintrittspreise im Sudermann-Park:


Der Eintritt in den Park ist frei.

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