Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf - Ort "romantischer Geselligkeit"

Im Schlossteich zu Wiepersdorf tunkt eine einsame Schwänin - nicht wie in Friedrich Hölderlins Gedicht "Hälfte des Lebens" "das Haupt / Ins heilignüchterne Wasser" - der Vogel hier, den es unter unbekannten Umständen auf den Niederen Fläming verschlug, muss durch einen kompakten Teppich aus Wasserlinsen-Blättchen mühsam zum Seegrund gründeln.
Foto von Schloss Wiepersdorf
Das Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf - Foto © -wn-
Die Schwanenfrau brauchte das gar nicht; Entengrütze soll was Feines sein für sie - aber aus Prinzip: sie will gründeln. Zu diesem ruhigen Biotop mit der obstinaten Sucherin passt in Blicknähe das nicht weniger entrückt wirkende weiße Herrenhaus eines Landgutes. Ab 1814 wohnte hier das Dichterpaar Achim und Bettina von Arnim. Das durch die alten Bäume leuchtende Chateau zeigt sich am liebenswürdigsten zur barock gestalteten Parkseite hin. Balkon, halbrunde Terrasse mit breiter Freitreppe und die eingeschossige Orangerie mit halbrunden, der Südseite zugewandten weiten Fenstern bringen den Anspruch einer "romantischen Geselligkeit" einnehmend zur Geltung. Das ist vor allem heute so - seit man aus gutem Grund vom Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf spricht. Denn einerseits hält hier ein Museum die Tore geöffnet, in dem Leben und Werk des Dichterpaares aus der Zeit der deutschen Romantik sowie die eher seltenen Besuche dokumentiert sind: von Bettinas Schwager, dem Rechtsprofessor Friedrich Carl von Savigny, der geltendes Recht nicht dem Obwalten eines Herrschers anheim stellen wollte, sondern als kulturgeschichtliches Phänomen zu verifizieren suchte, von Jacob und Wilhelm Grimm, die sich - wie nun aber jeder weiß - genau so für die Volkspoesie interessierten wie Bettinas Bruder Clemens Brentano. Dessen Name ist mit dem literarischen Glanzpunkt "Des Knaben Wunderhorn" verbunden. Doch das Gesellige, der Gedankenaustausch mit Freunden und Bekannten vor allem über die drängenden sozialen Fragen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, wovon der Schlesische Weberaufstand von 1844 nur ein Beispiel ist, war hier auf dem Fläming eher Wunsch denn Wirklichkeit. Wer kam denn schon - außer den Erwähnten - nach Wiepersdorf - dem entlegenen Flecken in der kleinen dörflichen Gemarkung "Ländeken Bärwalde"? Die Gegend war - nach Berliner Abstandsempfinden - schon nicht mehr JWD, weiter noch, nämlich genau 100 nicht durchgängig "chaussierte" Kilometer von Berlin entfernt.

Veranstaltungen im Schloss Wiepersdorf


Im denkmalgeschützten Haus sind heute Arbeitsaufenthalte von Künstlerinnen und Künstlern aller Disziplinen aus dem In- und Ausland möglich. Die Stipendiaten präsentieren sich bei Veranstaltungen, Lesungen, Konzerten, Kolloquien und Ausstellungen, wovon die Arnims damals nur träumen konnten: Wiepersdorf wurde zu einem Ort, an dem man im großen Kreis über Zeit und Zukunft kenntnissicher, geistreich und verantwortlich redet. Zu ihren Zeiten mühten sich die Arnims - neben dem Schreiben - vor allem, die Gutswirtschaft recht und schlecht am Leben zu halten. Reich wurden sie nicht. Bettina findet um 1817 herum, was Balzac Jahre später in der Roman-Trilogie "Verlorene Illusionen" in die Worte fassen wird: "Der Mangel an Genossen ist einer der größten Nachteile des Landlebens". Sie wechselt allein nach Berlin, weil sie für ihr reformerisches Grundanliegen, die innige Vereinigung des preußischen Königtums mit der Demokratie, nur in der Stadt Kontaktpartner - einschließlich des Königs! - findet. Ihr Lebens- und Denkprinzip: "Was unter der Sonne lebt, hat gleiche Ansprüche". Beim Versuch diesen Gedanken unter die Leute zu bringen, ist sie ehrlich, weil sie für niemand außer für das Anliegen spricht. Sie hat keine finanziellen Interessen, ist klug, redegewandt - und dabei reichlich exzentrisch. In ihrem oder in anderen Salons sieht man die meist schwarz gewandete Frau, die bald zu den bekanntesten Berliner Gesellschaftsdamen zählt, im Gespräch gern auch mal auf der Rückenlehne eines Biedermeier-Sofas sitzen, statt auf dem Diwan selbst. Auf dem Schreibtisch hockend hört sie Musik. Heutzutage würde sie die kreuzbraven politischen Talk-Shows, diese Foren aus Wort-Hülsen und Standardsätzen, durch ihre überragende soziale Kompetenz und Beredsamkeit aufmischen. Sie brächte Quote, ginge wahrscheinlich bei aller guten Wirkung auch auf die Nerven. Dem Freund Fürst Pückler wirft sie sich in Muskau bei einer Debatte überschwänglich an den Hals; dessen Frau verweist sie kurzerhand des Hauses. Pückler zu ihr: "Beste Bettine - nicht überspannt, wenn ich bitten darf."

Beim persönlichen Aufbieten ihrer Kräfte ist sie beeindruckend wie beratungsresistent. Heute teilt Bettina eigenes Geld an Bedürftige aus, morgen schreibt sie König Friedrich Wilhelm IV. einen engagierten Brief über den in Schlesien grassierenden Hunger, verweist auf "diese verzweifelte Armut, die von sich nichts weiß, weil sie nie einen sorglosen Augenblick hatte, wo sie sich selbst konnte gewahr werden". Bettina ist die Rosa Luxemburg der deutschen romantischen Literatur mit der Hoffnung auf eine aufgeklärte Monarchie; als solche schreibt sie gar ein Werk mit dem Titel "Dies Buch gehört dem König". Darin nimmt sie sich die korrupten königlichen Beamten vor, die Mitläufer, Kostgänger und Speichellecker, die sie für das Hauptübel hält: "Wenn man aber nun bedenkt, dass diese absonderliche Abart von Menschengattung eigens da ist, um mit ihrem närrischen Egoismus die Regenten zu unterstützen bei den Weltangelegenheiten, solls einem da wundern, wenn da alles … einem wider den gesunde(n) Menschenverstand lauft?" Die Königsnähe wird ihr verübelt: In seinen "Zeitgedichten" lästert Heinrich Heine ironisch: "Laßt uns nicht schwimmen gegen den Strom, / Ihr Brüder! Es hilft uns wenig! / Laßt uns besteigen den Templower Berg / Und rufen: ‚Es lebe der König!'" (Heine meinte den Kreuzberg im Viktoriapark.) Ihre letzte Reise führt sie zurück nach Wiepersdorf. Dort kommt sie auf dem Arnimschen Familienfriedhof unter alten Linden zur Ruhe.
Text: -wn-

Der Weg zum Schloss Wiepersdorf:


Man verlässt Berlin südwärts auf der B 101. Etwa sieben Kilometer hinter Welsickendorf geht links die Straße L72, später L71 Richtung Wiepersdorf ab. Oder:
Von der B 102 aus Richtung Dahme/Luckau in Nonnendorf links abbiegen.
Von der B 102 aus Richtung Jüterbog hinter Werbig rechts abbiegen nach Reinsdorf, Schönewalde.

Adresse:
Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf
Bettina-von-Arnim-Str. 13
14913 Wiepersdorf
Tel. 03 37 46/6 99-15

Achtung!
Das Museum ist derzeit wegen Neukonzeption und Renovierung geschlossen, es wird voraussichtlich im Jahr 2022 wiedereröffnet. Es finden bis auf Weiteres keine Führungen durch das Schloss statt.
Den Artikel werden wir überarbeiten!

Das Café in der Orangerie ist derzeit an den Wochenenden geöffnet, der Betrieb wird aber in der kalten Jahreszeit wieder ausgesetzt.
Text: -wn- / Stand: 18.02.2023


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