Prater Garten in Berlin Prenzlauer Berg

Text: -wn- (Journalist aus Berlin) / Letzte Aktualisierung: 06.04.2023

Eingang zum Prater Garten
Der Eingang zum Berliner Prater in der Kastanienallee 7-9 - Foto: © -wn-

Der Prater im Prenzlauer Berg: "Eene jute Jans - janz und jar"

"Eene jute Jans ist eene jute Jabe Jottes - janz und jar." Mit solchen klangintensiven Stabreimen - eingestreut in musikalischen Tingel-Tangel und zirzensische Nummern - mit solchen Stimmungsmachern lockte der Berliner Prater in der Kastanienallee in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Gäste an.

Die wichtigsten Infos für Ihren Besuch auf einen Blick

Adresse:
Prater Garten
Kastanienallee 7 - 9
10435 Berlin Prenzlauer Berg
Tel: 030/ 448 56 88
Anfahrt:
Der Prater befindet sich in der Nähe der U-Bahn-Station Eberswalder Straße (U2)
und der Straßenbahnhaltestelle nahe des U-Bahnhofes (M1).

Öffnungszeiten Prater Gaststätte
Dienstag - Samstag ab 18:00 Uhr

Öffnungszeiten Prater Biergarten
April - September Bei schönem Wetter!
Montag - Sonntag ab 12:00 Uhr

Kulturveranstaltungen finden derzeit nicht statt.
Angebot des Pratergarten:
Deftige deutsche Küche mit regionalen und saisonalen Spezialitäten
Bier vom Fass und aus der Flasche, Weine, Erfrischungsgetränke, Longdrinks, Spirituosen und heiße Getränke

Geschichte des Pratergarten

Auf Teufel komm raus mussten sich in humorigen Couplets Zeilenenden reimen. Auf "Cigarrenstengel" folgte "verdammter Bengel", "großer Schwindel" auf "lustiges Gesindel" und "Wurscht" auf "Durscht". Alle Darbietungen mitsamt kühner Drahtseilakte in zwölf Metern Höhe (1869 ein tödlicher Absturz) seien "berlinsch" und machten "dichtig Spaß", verhießen die knallig farbenen Plakate. Man hielt sich sogar ein spezielles Berliner Blödeln zugute, in dessen Rahmen der flachwitzige Kalauer Urständ feierte. Selbstbewusst meinte man, der Berliner Blödsinn sei trotz Zensur frech, gaga und mutig - soweit die Treue zum meistenteils unfröhlichen Kaiser Wilhelm I. (1797-1888) nicht infrage stand. Dafür durfte in der deutsche Literatur ungestraft geplündert werden. Adalbert von Chamissos (1781-1838) keck nach Pankow verlegte Novelle "Peter Schlemihls wundersame Geschichte" wurde zu einer "Posse mit Gesang in 1 Aufzug" umgeschrieben. Mit dem Original hatte das Spektakel nichts mehr zu tun. Peter Schlemihl wird hier um eine Erbschaft und um eine vorteilhafte Heirat gebracht. Das Rührstück endet mit dem volkspädagogischen Aufruf: "Ertraget Alles, murret nicht! / Geduld, Geduld! Wenn's Herz auch bricht!" Solche Töne kamen an. Sogar beseligt war man den Tischen und beschwipst.

"In Berlin wütete gerade die Theaterleidenschaft" schreibt der Germanist Gerold Ducke (geb. 1948) über die Jahre nach 1870. In den Berliner Restaurationsgärten - so auch im Prater - wurden die Besucher mit einer geschickten Mischung aus Klassikern, Volksstücken, Possen und zeitgenössischen Schauspielen bei Laune gehalten. Eine beispiellose Verbindung von Kunst und Speisung kam zum Tragen. Heutzutage erlebt man so etwas in der Berliner Waldbühne oder beim Choriner Sommer, wo die Leute sich beim Verzehren von Würstchen oder beim Trinken selbstgemachter Bowle dem "Lustigen Zusammensein der Landleute" in Beethovens Sechster Sinfonie mit Gewitter, Kuckucksruf und Nachtigallenschlag hingeben können. Und während in einem deutschen Konzertsaal der Dirigent erst das letzte Hüsteln im Rang abwartet, bevor er den Taktstock hebt - herrschte im Prater ein durchgehender Geräuschpegel aus Unterhaltung über die Tische und Rufen nach Kindern und Kellnern. Wie Gerold Ducke vermerkt, "durfte während der Vorstellung geraucht, getrunken und gegessen werden, denn die Gastwirte ... wollten schließlich auch etwas verdienen." Im Prater schenkte man - neben anderen auswärtigen Marken - vor allem das obergärige Berliner Weißbier aus Weizen- und Gerstenmalz aus. Die Chronik "Berlin wie es ist" bezeichnet es als "das beliebteste Getränk, welches der Berliner kennt, und auf dessen Güte er nicht geringen Vorzüge seiner Vaterstadt gründet." Auch der leicht gesüßte Kümmelbranntwein der Firma Gilka aus Kümmelöl, Zucker und 38-prozentigem Alkohol durfte nicht fehlen - Kaiserkümmel genannt. In einem Gedicht sagt der Droschkenkutscher: "Freilein, Se sind 'n so schnuddlijet Frauenzimmer, jeben Se ma noch'n Bittern." Es steht auch von einer Kellnerin geschrieben, dass "wenn sie das Kraut dir bringt, sie mit der Haarnadel in die Zähne stochert". An vieles Essen sei der Berliner nicht gewöhnt, heißt es, wohl aber an einen ausschweifenden Genuss von Branntwein, "der hier in so vielen Läden und Schenken feil geboten wird, dass auf einige Häuser immer ein Branntweinladen zu rechnen ist". (Siehe den Beitrag "Leberecht Pistorius: Suffeule und Suffkopp wollen noch zwei Mollen mit Kompott".)

Aus einem Bierausschank wurde der Berliner Prater

Auch Anwandlungen deutschen Stolzes wehten von der Bühne herab. Mit Inbrunst vorgetragen wurde z.B. das Couplet von der Landwehrmütze aus der Zeit der Befreiungskriege (1813-1815):

Blick in den Prater Garten
Blick in den Prater Garten - Foto: © -wn-
"Diese alte Landwehrmütze
Hier, von roth' und blauem Tuch,
Einst bei Leipzig in der Hitze
Blut'gen Kampfs mein Vater trug!
Stehen auch mit ihrer Spitze
Helme herrlich zu Gesicht,
Glaub' nur, liebe Landwehrmütze:
Alte Liebe rostet nicht."


Die Erinnerung an die Völkerschlacht bei Leipzig (16. bis 19. Oktober 1813) war eine Botschaft an den "Erzfeind Frankreich", mit dem der Deutsch-Französische Krieg (1870 bis 1871) ausgefochten wurde. Lustige, verliebte und beduselte Soldatengestalten geisterten durch die Programme. In einem Text hieß es:

"Neulich Abends auf'n Flur,
s war ein Lenzvergnügen,
sah' ich zwei in einer Tour
Küssen sich und schmiegen.

Ach wie schmatzte der Soldat,
Und die Köchin dito (auch)
Reen (sie befürchteten), als würden sie nicht satt,
Küssten sie sich cito (schnell)"


Alle diese Schilderungen beschreiben besonders die Zeit nach 1870. Der Prater war aus einem drei Jahrzehnte zuvor eröffneten Bierausschank hervor gegangen, der zunächst nichts anderes war als eine Bretterbude im Grünen. Betreiber war der etwa 45-jährige vormalige Viktualienhändler und Stubenmaler Christian Friedrich Porath (?-1836). Das Unternehmen floriert, die Leute strömten. Die eigentliche Geschichte des Praters begann, als Johann Joachim Kalbo das Etablissement 1852 kaufte und kurz darauf den Brüdern Johann Friedrich Adolph und Louis vererbte. Johann Friedrich Adolph hatte große Pläne, und er beantragte 1867 beim Königlichen Preußischen Polizeipräsidium eine Konzession "zur Aufführung von Operetten, Lustspielen und Possen". Im Anschreiben nannte er sein Unternehmen "Café chantant" (etwa: Das singende Kaffee). Ein Erfolg der Petition war fraglich. Der Königliche Polizei-Assessor Albert Ballhorn (1804-?) hatte in einer polizeilichen Denkschrift von 1852 begründet, warum es schwer war, eine Betriebserlaubnis zu erlangen: "Die Excesse ..., welche namentlich in den öffentlichen Spielhäusern vorfielen, und die Unzucht und Hurerei, welche gleichzeitig in diesen Häusern, selbst an Sonntagen getrieben wurden, waren Veranlassung, dass ... Schänken, Kaffee- und Thee- und Spielhäuser nur mit Erlaubnis des Magistrats angelegt werden durften. Ein vorteilhaftes Sittenzeugniß war zur Erlangung dieser Erlaubniß unbedingt notwendig." Die Kalbo-Brüder hatten - aber erst zwei Jahre später - Glück.

Sie bauten eine Gaststätte, ein Theater, ein Kino und einen Ballsaal für den Winter. Der offenbar letzte Kalbo in dieser Reihe ist Paul (1861-1901). Er war ab 1898 Chef des Prater Gartens. Es kam nun ein Wort in Mode: die Lustbarkeit. Sie sollte die Volksseele streicheln und stärken. Die Eintrittspreise waren erschwinglich: 30 bis 75 Pfennige. In einem Roman beschreibt die Schriftstellerin Susanne Goga (geb. 1967) den Prater-Alltag mit dieser Szene: "Es waren einfache, aber anständige Leute, die ihre beste Sonntagskleidung trugen und streng darauf achteten, dass ihre Kinder sich benahmen. Die Mutter ermahnte die Jungen, die anderen Gäste nicht zu stören, und das kleine Mädchen sammelte Steinchen vom Boden und fütterte seine Puppe damit." Auch der Schriftsteller Julius Rodenberg (1831-1914) beschreibt das Tun undTreiben im Prater. Er war Zeuge, wie der Wirt "einen harmlosen Jüngling, der nichts Böses getan, außer dass er einen Blumentopf in den Armen hielt und sich, um besser nach der Bühne hin sehen zu können, ein wenig auf die Fußspitzen hob, nach alter guter Väter Sitte an dem Kragen nahm und aus dem Lokale warf. Dieser Zug von Gemütlichkeit rührte mein Herz und rettete meinen Glauben an die Zukunft; denn ein grober Wirt und die kaffeekochenden Familien, die gehören nun einmal zusammen im Berliner Volksleben und werden nur miteinander daraus verschwinden." Das geschah inzwischen.

Das Berliner Gaststättenwesen: Hier gemütlich, dort vornehm

Parallel zu dieser Welt des Lauten und leutselig Launigen gab es bereits seit Jahrhundertbeginn in Berlin Cafés und Restaurants oft im Empirestil für die Upperclass. Die jungen Schriftsteller Achim von Arnim (1781-1831), Clemens Brentano (1778-1842), Friedrich Heinrich Karl Baron de la Motte Fouqué (1777-1843) sowie der Schriftsteller, Komponist und Zeichner E. T. A. Hoffmann (1776-1822) verbrachten hier manche Abende. Bekannt war das elegante "Café Fuchs" wegen seines gemalten Frieses und seiner figurengeschmückten Wände, die an klassizistische Vorbilder erinnerten. Das "Romanische Café" verfügte über ein kleines Separee, das sogenannte "Schwimmer-Bassin" für arrivierte Autoren. Egon Erwin Kisch (1885-1948) und Joachim Ringelnatz (1883-1934) nahmen hier Platz. Im "Nichtsschwimmerbereich" daneben saßen die, die noch auf Popularität hoffen mussten. Gleich hinter dem Schauspielhaus am Gendarmenmarkt befand sich das berühmte Café Stehely mit großem Kuchenangebot. Dort verkehrten einem Bericht zufolge ebenso jene "Literaten in der guten Hoffnung, einst so gesehen zu werden, wie man jetzt die Klassiker sieht". Im Café las man die konservative und regierungsnahe "Deutsche Allgemeine Zeitung" oder die "Posener Zeitung" mit ihrem ausführlichem Wirtschaftsteil, in dem der Umbruch in Preußen in der Mitte des 19. Jahrhunderts ausführlich reflektiert wurde.

Plastik Liegendes Paar im Prater Garten
Mitten im Prater Garten: die Plastik "Liegendes Paar" von der Bildhauerin Sabina Grzimek (geb. 1942) aus dem Jahr 1981. - Foto: © -wn-
Die Wirtschaft in ganz Europa wandelte sich zwischen 1850 und 1895. Erfinder und risikobereite Unternehmer machten von sich reden. Reformer und Sozialrevolutionäre traten an die Öffentlichkeit. Gekennzeichnet war die Zeit durch ein Ansteigen der Preise, der Löhne und Gewinne und einen relativen sozialen Frieden. Man sagt heute, es habe damals die Frühphase des Hochkapitalismus begonnen. Berlin war auf dem Weg zur Millionenstadt und gleichzeitig von einer Residenzstadt zu einer Industrie- und Arbeitermetropole. Auch deswegen hatte der Prater von Anfang an einen so großen Zulauf: Die Leute wollten ausspannen. Es war, als ob sich Goethes Spruch aus dem Gedicht "Der Schatzgräber" bewahrheitete: "Saure Wochen! Frohe Feste!"

Ab den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts war aus dem "Sommertheater im Prater" ein viel besuchtes und professionell geführtes Unternehmen geworden. Es gab einen ständigen Regisseur, einen Musikdirektor, Kassierer und Inspizient, einen Theatermeister, Garderobenpersonal, Kartenabreißer, und auch ein Theaterdiener fehlt nicht. Das Orchester bestand aus 24 Musikern. Angestellt waren "darstellende Mitglieder" und Ballettpersonal. 1870 führte man den intensiv beworbenen französischen Schwank in einem Akt "Der Diener meiner Frau" auf. In einer auf Dramatik angelegten Schlüsselszene kniet Cäsar Fourner vor seiner Frau Eulalia, die er mit einem Dienstmädchen betrog. Cäsar Fourner winselt nun: "Es ist wahr - Prügle mich - aber entziehe mir nicht die Liebe!" Eulalia springt auf: "Ha, welche Schmach! Mich so zu betrügen! Ungeheuer!" Cäsar Fourner weiter auf den Knien: "So ist's Recht - schrei - schrei tüchtig - das wir Dir das Herz erleichtern." Ein wahrer Sturm der Liebe. Andere Stücke nennen sich "Fantasca oder Der Traum eines Berliners", "Gröhlmeiers Leiden", "Der Freier in der Klemme" oder "Ein bekehrter Hagestolz". Es gibt kritische Stimmen zum künstlerischen Niveau der Darbietungen. Über den "Berliner Possen-Blödsinn" - schreibt ein Rezensent: "Seit der letzten Zeit des Friedens (nach dem Deutsch-Französischen Krieg) hat die Vergnügungssucht mit jedem Tage zugenommen, und selbst in den edleren Zerstreuungen haben sich Neuerungen eingeschlichen, die ihnen jenen Werth rauben, den sie früher in geistiger Beziehung hatten." Das meinte auch die literarische und wissenschaftliche Zeitschrift Deutsche Rundschau. Sie schrieb 1901, es sei zu verurteilen, dass "diese einseitige Vorliebe für das Sittenschauspiel das historische Drama immer mehr in den Hintergrund drängt und die beständige Vorführung kleinbürgerlicher Zustände ... den Gesichtskreis (der Zuschauer) einschränkt, die Phantasie lähmt und den Geschmack verflacht". Erschreckend sei der "Niedergang unseres geliebten Deutsch, das ... jetzt nur noch in zerrissenen Sätzen, mit unzähligen Flickwörtern, mit unleidlichen Hör'n Se' und Sehn Se' zu stammeln vermag".

Das was an Seichtem und quietsch Fidelem dargeboten wurde, gehört einer verklungenen Welt an. Einzig die Redelust der Berliner ist im Prater weiter sichtbar. Was sich hier an schönen Tagen zuträgt, kann man eine Mischung aus Kirchentag, Grünen-Klausur und intimen Rückzugsort für Menschen nennen, die unter vier Augen reden wollen. Die Tasche mit Körperkontakt an der Seite, der Hund unterm Tisch, das Baby am Ende des Tisches im Wagen (oder auf dem Arm) und die Gläser meist mit dem fein-würzigen Prater-Pils auf dem Tisch - so stellt sich das Leben im Prater heute dar. Es herrscht Selbstbedienung. Jedes leergetrunkene Glas wird schnell abgeräumt. Das ehemals Gemütliche, Gefühlige und Gesellige wandelte sich zu neuer Lustbarkeit, zum Vergnügen am bi- und multilateralen Gespräch. Es sind Konversationen wie sie Thomas Mann (1875-1955) in der Tetralogie "Joseph und seine Brüder" beschreibt: Schöne Gespräche, die "nicht mehr dem nützlichen Austausch diente(n) und der Verständigung über praktische oder geistliche Fragen, sondern der bloßen ... Aussagung des beiderseits Bekannten, der Erinnerung, Bestätigung und Erbauung". Etwas aber erhielt sich im Prater Garten: die - mit wenigen tonalen Ausschlägen nach oben - gleichbleibende Geräuschkulisse unter den alt gewordenen Ahornen, Kastanien und Linden. Ein guter Ort.

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