Brechts Restaurant – Schwäbisch, schlonzig und scharmant

Der ein bisschen nach Brunft klingende und vom Duden gemiedene Ausdruck „schlonzig“
Brechts Restaurant
Brechts Restaurant in Berlin
Foto © wn
meint keinen periodischen Paarungstrieb. In „Brechts Restaurant“ am Schiffbauerdamm gibt sich das aparte Attribut als Machart eines Kartoffelsalates schwäbischer Prägung zu erkennen. Warm muss er sein, feucht glänzen und festem Kartoffelbrei ähneln. So und nicht anders wollte ihn der Dichter Bertolt Brecht (1898-1956). Bemerkenswert, dass kulinarische Feinheiten überhaupt mit seinem Namen verbunden werden. Denn ein Gourmet war er nicht. 1926 beklagt der Endzwanziger, dem es ja künftighin eher um das Aufführen von Klassenkampfsituationen statt von Tischsitten zu tun war: „Mein Appetit ist zu schwach“ — nach ein paar Bissen, teilt er mit, sei er stets schon satt gewesen. Essen war zumindest damals nicht sein Ding. In der Wirtschaft „Augsburger Kahnfahrt“ in der Heimatstadt am Lech ließ er sich mal ein paar Nürnberger Rostbratwürstchen vorsetzen, auch Spätzle mit geschmolzenem Emmentaler oder eben diesen schlonzigen Salat mit einem Schnitzel vom Schwein. Das wenig ausgeprägte Interesse an hinreichender Nahrung blieb nicht ohne Folgen: „Ich sitze nicht bequem auf meinem Hintern: er ist zu mager“, heißt es freimütig im Notat des bekanntermaßen starken Rauchers.

Brechts Restaurant in Berlin


Dabei schätzte er die Speisenzubereiter hoch. Immerhin fragt sein „lesender Arbeiter“, ob Caesar (100-44 v.u.Z) auf seinen gallischen Feldzügen „nicht wenigstens einen Koch bei sich“ hatte. In Caesars Schlachtengemälde „De bello gallico“ (Über den Gallischen Krieg) bleibt nämlich der Küchendragoner gänzlich unerwähnt. Warum Brecht das auffiel? Man weiß, dass seine Produktivität auch von den Kochkünsten der Gattin Helene Weigel (1900-1971) inspiriert wurde. Deren Gerichte stehen im „Brechts“ auf der Speisekarte. Dabei geht es Restaurant-Chef René Gamper nicht nur um das Nachkochen der österreichisch-schwäbischen Speisen-Palette Heli Weigels. Sicher: Erst kommt erst das Essen, dann das Lokal. Aber auch die Atmosphäre in ihm wird sorgsam gepflegt. Es wird dem Gast nach Eintritt nicht nur mit Bedacht die Straßenkleidung abgenommen, auch beim Plazieren ist es einem, als würde man als VIP zu einer bühnennahen Ehrenloge geleitet. Und später reicht ein Blickkontakt, damit sich die Bedienung zum Tische bewegt. Der kulante Umgang des Personals mit dem Gast erinnert ein bisschen an die liebe Frau Anna Kopecka aus dem Stück „Schweyk im Zweiten Weltkrieg“. Die Wirtin einer Prager Hospoda (Gastwirtschaft) beschreibt im Lied vom Kelch ihre Deutung von Gastlichkeit: „Komm und setz dich, lieber Gast / Setz dich uns zu Tische … Iß dein‘ Käs und trink dein Bier / Und du bist willkommen hier“.

Das Willkommensein im „Brechts“ wird ergänzt durch die nur 100 Meter Gehstrecke zwischen ihm und dem Berliner Ensemble um die Ecke, und es ist auch verbürgt, dass der Meister hier schon saß, als sich am Ort eine Wirtschaft namens „Trichter“ befand. Im Gegensatz zum Brechtkeller in der Friedrichstraße scheint es „Brechts“ an ein paar authentischen Theaterutensilien zu mangeln. Die moderne Einrichtung indessen, große Spiegel an den Wänden, dunkle Holzmöbel, die an die von Brecht vorgeschriebene „schwärzliche Eichentäfelung“ im „Kelch“ erinnert, und zahlreiche Fotos vom schlechten Esser B. bringen einen Scharm hervor, in dem sich feine Lokalität und das Milieu einer Theaterkneipe gut inszeniert vermischen. In Thekennähe fällt der Blick auf ein Plakat, auf dem „Der Untergang des Egoisten Johann Fatzer“ angezeigt wird. Es ist die von Heiner Müller bearbeitete Geschichte des deutschen Soldaten Fatzer, der 1918 aus Überlebensinteresse vom Kriegsschauplatz desertiert. Zu Hause angekommen, unterlässt er weitere fortschrittliche Aktivität, kalt lässt ihn die Wirkung gesellschaftlich wertvollen Tuns. In der anderen Blickrichtung breitet sich über den Tischen eine Kopie des wandfüllenden Triptychons „Großstadt“ in seinen kräftigen Farben aus, von Otto Dix 1928 in Dresden gemalt. Man blickt ins Nachtleben der Goldenen Zwanziger Jahre. Innen tanzen, feiern und fressen die Reichen und Schönen, draußen vor dem Lokal liegen und stehen Kriegskrüppel und sehen sich der Verachtung der Betuchten und aggressivem Hundegebell ausgesetzt.

Es ist weiß Gott nicht nur der Kalbsrahmgulasch mit Schupfnudeln, das Filet vom Pinzgauer Weiderind oder der Klassische Kaiserschmarrn mit Apfel-Zimt-Kompott, nach deren Verzehr man sagt: Guck an, einmal wie Bertolt Brecht gegessen. Man kann jetzt mitreden, wenn es um das Schlonzige geht, und hat vor allem einige Zeit in das listige Gesicht jenes durch harte Zeiten gegangenen Mannes geblickt, der gegen Ende seines Erdendaseins und nach großartiger Lebensleistung die Nachgeborenen um Nachsicht bittet: „Ach, wir / Die wir den Boden bereiten wollten für Freundlichkeit / Konnten selber nicht freundlich sein.“
Text: wn

Verkehrsverbindung
„Brechts Restaurant in Berlin“ befindet sich unmittelbar am S-Bahnhof Friedrichsstraße, nach Verlassen des Bahnhofs über den westlichen Ausgang nach rechts Richtung Berliner Ensemble gehen.

BRECHTS Restaurant
österreichs Küche
Schiffbauerdamm 6/7
10117 Berlin
Telefon: 030 28 59 85 85
Telefax: 030 28 59 85 87

Öffnungszeiten:
Montag bis Sonntag 11.30 Uhr - 01.00 Uhr

täglich warme Küche:
Montag -Freitag 12:00 Uhr bis 15:00 und
17:30 bis 23:00
Samstag, Sonntag und Feiertags: 12:00 bis 23:00 Uhr



Weitere Restaurants in Mitte:


  • Restaurants in Berlin

  •  
    Locations in Berlin Restaurants Diskotheken Cocktailbars Strandbars Biergärten Grillplätze Kneipen Clubs Bars Einkaufen in Berlin Verkaufsoffene Sonntage Elektronikmärkte Einkaufscenter Möbelhäuser Trödelmärkte Baumärkte Mode Urlaub in Berlin Ferien & Feiertage in Berlin Autovermietungen Hotels Sehenswürdigkeiten Gedenkstätten Museen Plätze Freizeit Veranstaltungen Ausflugstipps Nachtleben Bäder in Berlin Schwimmhallen Freibäder Berliner Bezirke Straßenverzeichnis Ämter & Behörden Berliner Firmenverzeichnis Versorger Banken Ärzte Sonstiges Partnerschaft & Kontakte Wellness Wohnen Arbeit Blog Datenschutz Cookie-Einstellungen Urlaub in Brandenburg