Alte Bibliothek am Bebelplatz in Berlin

Alte Bibliothek am Bebelplatz in Berlin
Die ehemalige Königliche Bibliothek auf dem Bebelplatz, dem früheren Opernplatz / Foto © -wn-

Die Alte Bibliothek am Bebelplatz - Die Kommode - "einwärts gebogen"

"Ich habe in Berlin eine öffentliche Bibliothek bauen lassen. ... Wenn Sie, um diese Bibliothek zu bereichern, gütigst Ihre Schrift über die Gesetze (Buch über Montesquieu) hineingeben wollen, so werden Sie mir um so mehr ein Vergnügen machen, da ich das Porto dafür nicht scheue." So ungewohnt glattzüngig depeschierte Preußenkönig Friedrich II. (1712-1786) am 9. November 1777 sein Anliegen an den französischen Schriftsteller und - nach früheren konflikthaften Kontakten - Haßfreund François Marie Arouet Voltaire (1694-1778). Zu bereichern galt es die an der Westseite des Opernplatzes (Bebelplatz) im Bau befindliche barocke Königliche (heute Alte) Bibliothek.
Es dauerte jedoch noch zwei Jahre bis zur Einweihung des Baues, den man wegen seiner "einwärts gebogenen" Fassade bekanntlich die "Kommode" nennt. Aber nicht nur als Bauherr einer Bibliothek, sondern auch als jemand, der in eine solche Büchersammlung Selbstverfaßtes hineinzustellen weiß, rühmt sich der Philosoph von Sanssouci: "Ich habe Alles gethan, was ich vermochte, um mir einen Ruf in den schönen Wissenschaften zu erwerben, und ich bin glücklicher gewesen, als Cardinal Richelieu; denn Gott sei Dank! Ich gelte für einen Autor." Man sollte freilich nicht vergessen, was Majestät von nicht näher genannten Autoren seines Umfeldes hielt: "... es ist ein verfluchtes Geschlecht, diese Schöngeister, es ist ein unerträgliches Volk durch seine Eitelkeit, stolz, voll Verachtung gegen die Großen, aber begierig (selbst) groß zu werden ... man muss aus Noth sie liebkosen, und aus Politik sie belohnen".

Alte Bibliothek in Berlin Mitte

Diese Selbstwürdigung eines ausgefuchsten Monarchen stammt aus seinen "Morgenstudien", einer Tour d'Horizon über Lebens- und Regierungserfahrungen, die er in Ermanglung eigener Nachkommen für seinen Neffen und Nachfolger Friedrich Wilhelm II. (1744-1797) verfasst hatte. Der Adressat, später "Dicker Lüderjan" (Taugenichts) genannt, war der konturärmste Hohenzollern-Monarch; eher ging er wegen Bunga-Bunga-Umtrieben in die Geschichte ein, als dass er die anerkannten bildungspolitischen Mühen des Onkels gewürdigt, geschweige ähnliche auf sich genommen hätte. Auf dem damals noch Kaninchenwerder genannten Havel-Eiland, heute die Pfaueninsel, übte der Neffe mit der 13jährigen Potsdamer Hornisten-Tochter Wilhelmine Enke (1753-1820), einen - wozu er sich der Herkunft halber für berechtigt hielt - "einvernehmlichen" Geschlechtsverkehr aus. Aus dem Mädchen wurde später die umtriebige Hauptmätresse namens Gräfin Wilhelmine von Lichtenau.
Friedrich Zwo - nicht halb so lüstern wie der Neffe - konnte trotz Hämorrhoiden, Darmblähungen und Gicht immerhin suchtfrei bis zum Sterbesessel von Sanssouci durchregieren; war er doch, soweit wir wissen, von ablenkenden erotischen Manien kaum beschwert - sieht man davon ab, dass er sich am "graziösen Gliederspiel der Barberini", einer aus Venedig herbeigeschafften Tänzerin mit athletischen Männerbeinen nicht sattsehen konnte. Über diese Verliebtheit berichtet jedenfalls Voltaire auf gewohnt ironische Weise.

Dass Friedrichs politisches Tun und Lassen widersprüchlich war, ist nicht neu, auch nicht dass dieser willensstarke, gebildete und musisch hochbegabte Monarch mit Verve die Ideen der Aufklärung verfocht. Denn selbst der sozialdemokratisch orientierte Historiker Franz Mehring (1846-1919), der nicht im Verdacht steht, Friedrichs Bruder im Geiste zu sein, anerkennt dessen Anstrengungen "die dummen Köpfe (in Preußen) zu erleuchten". Auch wenn der König frei genug ist zu bekennen, es sei für ihn "ein Genuss, mich in geistreicher und tactvoller Weise loben zu hören, (denn) ich bin weit (davon) entfernt, gegen Lobreden unempfindlich zu sein" - so war doch der von 1775 bis 1780 dauernde Bibliotheks-Bau am Opernplatz seine kulturpolitische Maßnahme und ein von ihm gewähltes Mittel zur Pflege bürgerlicher Kultur und Bildung. Friedrichs Vorstellung und die anderer Aufklärer, besonders durch Verbreitung von Wissen die menschliche Vernunft als wesentliche universelle Urteilsinstanz zu stärken, blieb später nicht ohne Widerspruch. Heinrich Heine z.B. moniert in den 1830er Jahren eine regelrechte "Aufklärungssucht, die sich zu Berlin breitmachte". Doch Dummheit ist eben zu allen Zeiten ein und derselbe beklagenswerte Zustand.
Mögen sich Friedrich und seine Tischgäste in der Rheinsberger Kronprinzenzeit noch über jene verbürgte Begebenheit amüsiert haben, in deren Verlaufe ein Altmärkischer Dorfpfarrer einer biblischen Grundaussage mit einer - wie es in der Chronik heißt - "abscheulichen Unwissenheit" begegnete. Bei einer Kirchenvisitation der Kurfürstlichen Kommissarien war der Pfarrer gefragt worden: "Von wem ist Christus, Gottes Sohn, als Mensch geboren?" Ohne dass der Diener Gottes lange überlegen musste, gab er dem Kollegium die selbstsichere Antwort: "Von Pontius Pilatus" - und musste nach langen Dienstjahren erstmals hören, dass diese Kindschaftsfrage anders beantwortet wird. Vermutlich haben die Prüfer sich daran erinnert, was Jesus Sirach, ein Autor des Alten Testamentes, notiert hatte: "Das Herz des Narren ist wie ein Topf mit einem Sprung: es kann keine Lehre behalten." (Sir. 21,17)

Der letzte Großbau der friderizianischen Epoche zur Bekämpfung der Dummheit war im Übrigen - wenn auch nur zunächst - viel zu groß geraten. Deshalb wurden die Königlichen Buch-Bestände, bisher in einem Schloss-Flügel gelagert, anfangs im Obergeschoß untergebracht. Zu ebener Erde befanden sich Montirungskammern zur Aufbewahrung von Offiziers-Monturen und ein Dekorations-Magazin der gegenüber gelegenen Hofoper. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts aber wurde es eng in der Kommode. Mit ihren rund 200000 Bänden (1905 etwa 1,2 Millionen Bände) hatte sie sich den Ruf erworben, eine der bedeutendsten Bibliotheken Europas zu sein. Nachdem sie zunächst eine Gelehrtenbibliothek war, in der Wissenschaftler im "Lesezimmer mit allen Bequemlichkeiten zum Lesen und Exerpiren" an acht Plätzen arbeiten konnten, ließ König Friedrich Wilhelm III. (1770-1840) auch Studenten ins Haus. Schon 130 Jahre nach ihrer Eröffnung beginnt wegen Raumnot das große Bücherrücken.
Ein Neubau entsteht - die heutige Staatsbibliothek Unter den Linden. Und mit neuer Aula geht die Kommode als Hörsaalgebäude nunmehr an die Universität. Bis heute sind dort die Juristische Fakultät und weitere Institute untergebracht. Bis zum Januar 1946 war die "Kommode" nach schwerer Kriegszerstörung wieder aufgebaut worden.

Zu ihren Besonderheiten zählt, dass sie eine Kopie der als Michaelerfront bezeichneten Nordfassade der Wiener Hofburg ist. Dafür gab es seit 1726 einen Entwurf, der in Wien allerdings erst 1890 umgesetzt wurde. Da hatte die Berliner Kopie bereits 110 Jahre lang Gestalt angenommen. Auch wenn die vom deutschen Architekten Georg Christian Unger (1743-1799) verantwortete Berliner Bibliothek ihren Nimbus als Fremdkörper im Ensemble der Gebäude des ehemaligen Forum Fridericianums nicht ganz verlor, fehlte es doch nicht an Lob. Der Publizist Karl Gutzkow (1811-1878) erinnert sich: "...überall nahm das Auge Eindrücke des Schönen wahr, die Linden, die Akademie, die Bibliothek mit ihrem Nutrimentum spiritus (geistige Nahrung)". Ein Korrespondent der "Damen-Zeitung - ein Morgenblatt für die elegante Welt" äußerte sich am 5. November 1830 nachgerade euphorisch: "Der Platz, auf welchem das Gebäude steht, ist durch dasselbe wohl zum ersten Platz aller Städte Europas erhoben, ja ich möchte behaupten, zum ersten Platz der ganzen civilisierten Erde". Kritischer der Stadtplaner Werner Hegemann (1881-1936): "Friedrich II. Palastbauten in Berlin und Potsdam sind provinzielle Nachklänge aus der versunkenen Welt des jungen Ludwig XIV., in der Friedrich II. (seine) rückständige Phantasie gern (aus)lebte."

Keine Beschreibung des Gebäudes kommt daran vorbei, auf jenes mittige Stück Bebelplatz hinzuweisen, auf dem man durch eine gläserne Bodenplatte in einen tiefliegenden Raum mit leeren weißen Betonregalen blickt - auf das unterirdische Denkmal der "Versunkenen Bibliothek" des israelischen Künstlers Micha Ullman (geb. 1939). Vor dem Bibliotheksgebäude, in dem Immanuel Kants mahnender Denkspruch "Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit" hochgehalten worden war, verbrannten am 10. Mai 1933 studentische Jung-Nazis etwa 25000 Bücher "undeutschen Geistes" solch verfemter Autoren wie Karl Marx, Heinrich Mann, Erich Kästner und Siegmund Freud. Es regnete in Strömen, und das Feuer kam nicht in Gang. Flammen loderten erst, nachdem die Feuerwehr Benzin ins faule Feuer goss. Völkische Lieder stiegen in den Nachthimmel: "Für Hitler, für Freiheit, für Arbeit und Brot Deutschland, erwache - Juda den Tod". Der Mob hatte einen neuen Eingang in die selbstverschuldete Unmündigkeit gefunden.

Wie man zum Bebelplatz kommt:
S-Bahn:
S+U Friedrichstr.: S1, S2, S25, S3, S5, S7, S75

U-Bahn:
S+U Friedrichstr.: U6

Bus:
Werderscher Markt: 147
Staatsoper: 100, 200, N2, TXL

Tram:
Universitätsstr.: M1
Am Kupfergraben: M1
Georgenstr./Am Kupfergraben: M1
Text: -wn- / Stand: 19.04.2023 / Alle Angaben ohne Gewähr!

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