Hohenzollerngruft im Berliner Dom

Text: -wn- (Journalist aus Berlin) / Letzte Aktualisierung: 19.01.2023

Hohenzollerngruft im Berliner Dom
Die Hohenzollerngruft befindet sich im Berliner Dom - Foto © Henry Czauderna

Aktuell:
Seit dem 1. März 2020 ist die Hohenzollerngruft für umfangreiche Bau- und Sanierungsmaßnahmen geschlossen. Die voraussichtliche Wiedereröffnung ist für das Frühjahr 2024 geplant!

Preußische Gruftis. Die Krypta der Hohenzollern im Berliner Dom

Heinrich Heine (1797 od. 1799-1856) wäre nicht Heinrich Heine, hätte er sich in seinem lyrischen Schaffen gescheut, selbst zum Thema Liebe in Gruft, Grab und Grube ein paar einfallsreiche erotische Verse zu schmieden. Vermutlich seiner Kusine und verschmähten Jugendliebe Amalie "Molly" Heine, der späteren Amalie Friedländer (1800-1838), widmet er das liebestolle Gedicht "Umarmung", das nicht zwischen Gräbern, sondern sogar in einem solchen spielt:

"Mein süsses Lieb, wenn Du im Grab,
Im dunkeln Grab wirst liegen,
Dann will ich steigen zu Dir hinab,
Und will mich an Dich schmiegen.

Ich küsse, umschlinge und presse Dich wild,
Du Stille, Du Kalte, Du Bleiche!
Ich jauchze, ich zittre, ich weine wild,
Ich werde selber zur Leiche.

Die Toten stehn auf, die Mitternacht ruft,
Sie tanzen im luftigen Schwarme;
Wir beide bleiben in der Gruft,
Ich liege in deinem Arme.

Die Toten stehn auf, der Tag des Gerichts
Ruft sie zu Qual und Vergnügen;
Wir beide bekümmern uns um nichts,
Und bleiben umschlungen liegen."

Ab 1848 befindet sich der so oft verliebt gewesene Dichter selbst zwischen Leben und Tod. Auf mehreren übereinander gelegten Unterbetten wartet er auf sein Sterben. Es ist die von ihm ironisch benannte "Matratzengruft". Ein Rückenmarkleiden hatte ihn bis zum Lebensende an sie gefesselt. An Neujahr 1848 ist Friedrich Engels (1820-1895) bei ihm. An den befreundeten Privatgelehrten Karl Marx (1818-1883) schreibt er: "Heine ist am Kaputtgehen." Der Totgeweihte lebte noch rund acht Jahre! Dass er es nach dem Ableben nicht ins Panthéon schaffte, in die legendäre nationale Gedächtnis- und Begräbnisstätte in Paris - das war abzusehen. Dort liegen nur Franzosen. Am 20. Februar 1856 wird er stattdessen auf dem Pariser Nordfriedhof Cimetière de Montmartre begraben. 27 Jahre später folgte ihm Mathilde, seine Frau. Fragt man heute auf dem Friedhof jemand nach Heines Grab, können es die Angesprochenen kaum glauben, dass einem der Standort des vielbesuchten Heineschen Grabes unbekannt ist. "Aber Monsieur, da rechts, da liegt er doch schon", antwortete eine um Auskunft ersuchte Frau mit deutlichem Unverständnis dem Autoren.

Im preußischen "Panthéon" im Untergrund des Berliner Domes (einschließlich seiner Vorgänger) liegen 93 Personen unterschiedlichsten Alters in Särgen und Sarkophagen. Sie liegen dort nicht durchweg wegen herausragender Leistungen, sondern einfach wegen ihrer Zugehörigkeit zum ehemaligen preußisch-hohenzollerischen Königshaus. Ihre Gebeine werden nach den jeweiligen Todesfällen seit 1536 bestattet und - soweit sie nicht durch Krieg abhandenkamen - seitdem aufbewahrt. 78 Sandsteinsäulen stützen die Gruft und halten sie 25 Zentimeter über dem bisher höchsten bekannten Grundwasserstand. Die Grüfte unter den Vorgängerkirchen des Doms standen gelegentlich unter Wasser. Die toten Hohenzollern sind heute nach menschlichem Ermessen nicht nur vor Hochwasser geschützt. Schwer überwindbare Geländer sollen auch Gruftdiebstähle erschweren. Dass solche Vorkehrungen notwendig sind, beweist das Schicksal des im Januar 1724 61-jährig verstorbenen preußischen Generalleutnants Friedrich von Derfflinger. Der ehemalige Berater des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm I. (1688-1740) wurde in einer Krypta in Gusow im heutigen im Landkreis Märkisch-Oderland bestattet. Wie Theodor Fontane (1819-1898) im historischen Roman "Vor dem Sturm" berichtet, habe es wegen der Popularität des Verstorbenen viele Wallfahrten zur Derfflingergruft gegeben. Fontane schreibt: "Nicht zum Vorteil dessen, der in ihr ruhte. Jeder, nach einem Andenken lüstern und seine Pietätlosigkeit mit der Vorgabe historischen Interesses deckend, vergriff sich an der Kleidung des Toten, so dass dieser, vor Ablauf eines Jahrzehntes, wie ein nackt Ausgeplünderter in seinem Sarge lag, nur noch mit dem abgeschnallten Brustharnisch und seinen hohen Reiterstiefeln bekleidet."

Maßgebliche Könige und Kaiser meiden die Gruft

Blick in die Hohenzollerngruft
Blick in die Hohenzollerngruft - Foto © -wn-

Man kann nur mutmaßen, warum sich einige aus der preußischen Elite scheuten, im Berliner Dom bestattet zu werden. Der Grablege an der Spree fehlen einige große Namen. Als Ranghöchster unter den Bestatteten kann der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg (1620-1688) gelten. Sein Sarkophag bietet deshalb den Luxus eines hölzernen Innensarges. Friedrich Wilhelm war ein Regent mit breitem Spektrum an Ämtern und Obliegenheiten. Er ist der Sieger in der Schlacht bei Fehrbellin gegen die Schweden am 28. Juni 1675. Und ebenfalls in den 1670er Jahren verbot er im damals überaus verdreckten Berlin die Koben neben den Haustüren, in denen die Bewohner Schweine hielten. Er musste sich förmlich um alles kümmern. Auch sein wenig erfolgreicher Sohn, der erste König in Preußen, Dutzendjäger und Verschwender fast eines gesamten Staatsvermögens Friedrich I. (1657-1713) ist in der Dom-Gruft bestattet. Dessen Sohn hingegen, Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. ließ sich in Potsdam bestatten. Sein Nachkomme Friedrich II. (1712-1786) wiederum liegt seit 1991 nun endgültig bei seinen Hunden in der Kleingruft in Sanssouci. Viele, die man hätte in Berlin bestatten können, hatten es anders geregelt. Alle Regenten, die nach dem Tod von Friedrich "Lüderjahn" Wilhelm II. (1744-1797) auf den preußischen Thron stiegen, bestimmten Potsdam oder Charlottenburg als letzte Ruhestätten.

Die Bestattung Friedrich Wilhelm II. in der Vorgängerkirche des heutigen Domes war nicht durchgehend von Kondolenz und Kümmernis geprägt. Der Schriftsteller Helmut Hermann Schulz (geb. 1931) schreibt in seinem Buch "Glanz und Elend der Friedrich-Wilhelms - Preußische Könige - Deutsche Kaiser": "Am 16. November 1797 war dieser König nach einem an Strapazen reichen Dasein weniger auf dem Feld der Ehre, als auf dem des Eros und der Tafel abgeschieden." Die Bestattung des Monarchen sei von kräftigen Orgelklängen umrahmt worden, "und dieses Instrument rührt in jedem Fall an unser Herz, selbst dasjenige eines Polynesen oder Eskimos dürfte sich ob des machtvollen Klanges rühren", schreibt Helmut Hermann Schulz. Die Trauergäste seien "alle ein bisschen aufgewühlt (gewesen) ..., weil sie bedenken, was es für ein Glück ist, dass sie leben und der, den sie da begleiten, schon tot ist".

Wie man sieht, nehmen Potentaten ihren Ruf - den guten wie den schlechten - mit ins Grab. Und wer in einer Fürstengruft sein Ende fand, muss mit gelegentlichen - auch "literarischen Nachrufen" rechnen. Der Autor eines solchen ist der für seine scharf formulierten sozialkritischen Schriften bekannte schwäbische Dichter und Journalist Christian Friedrich Daniel Schubart (1739-1791). Er verfasste im Gefängnis, in dem er zehn Jahre saß, ein Gedicht über eine Fürstengruft, mit dem er die absolutistische Herrschaft und die Dekadenz im damaligen Herzogtum Württemberg anprangerte. Im Text "Die Fürstengruft" liest sich das unter anderem so:

"Die alten Särge leuchten in der dunkeln
Verwesungsgruft, wie faules Holz;
Wie matt die großen Silberschilde funkeln,
Der Fürsten letzter Stolz!
...

Da liegen Schädel mit verloschnen Blicken,
Die ehmals hoch herabgedroht,
Der Menschheit Schrecken! - denn an ihrem Nicken
Hing Leben oder Tod.
...

Sprecht Höflinge, mit Ehrfurcht auf der Lippe,
Nun Schmeichelei'n ins taube Ohr! -
Beräuchert das durchlauchtige Gerippe
Mit Weihrauch, wie zuvor!"

Der Berliner Dom - drittgrößte Kuppelkirche der Welt

Sarkophag des Großen Kurfürsten von Brandenburg Friedrich Wilhelm
Der Sarkophag des Großen Kurfürsten von Brandenburg Friedrich Wilhelm - Foto © -wn-

Aus der Stiftungsurkunde des heutigen Berliner Domes ergibt sich, dass auch eine mit dem Dom verbundene offizielle Grabstätte für "Unser Königliches Haus" ins Auge gefasst wurde. Nachdem der Grundstein für den Dom eingesenkt war, trat - wie das "Teltower Kreisblatt" (19.6.1894) berichtet - "der Kaiser an den Grundstein und gab als Erster die drei Hammerschläge ab". Kaiser Wilhelm II. (1859-1941) ist der Spiritus Rector des Baues der drittgrößten Kuppelkirche der Welt. Mit der Baudurchführung hatte er den Architekten Julius Carl Raschdorff (1823-1914) beauftragt. Am 27. Februar 1905 wird der Dom eingeweiht. Zu diesem Zeitpunkt verfügt das Gotteshaus über eine in Richtung der Nordspitze der Museumsinsel angebaute Denkmalskirche mit einem eigenen Gruftbereich. Sowohl in der Kirchenhalle als auch in der Gruft befanden sich Särge und Sarkophage mit Verstorbenen aus dem Hause Hohenzollern. Kaiser Wilhelm II. hatte wenig Gelegenheit sich des neuen Domes an der Stelle des alten Schickel-Domes zu erfreuen. Der letzte deutsche Monarch wurde bei Ausbruch der Novemberrevolution am 9. November 1918 fremdgesteuert "abgedankt" und ist damit der einzige unter den neun hohenzollerischen Königen und Kaisern, der seinen Job zu Lebzeiten verlor. Er ging ins holländische Exil und wurde nach seinem Ableben im Park des Schlosses Dorn in der Gemeinde Utrechtse Heuvelrug beigesetzt. Er setzte keinen Fuß mehr in die deutsche "Saurepublik".

Reste eines Sarges in der Hohenzollerngruft
Reste des Sarges des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm II., der bei einem Fliegerangriff im 24. Mai 1944 zerstört wurde. - Foto © -wn-
39 Jahre nach seiner Einweihung werden der Dom und die Preußen-Gruft im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt. Bei einem der stärksten Luftangriffe auf Berlin am 24. Mai 1944 traf es die Kuppel schwer. Sie stürzte in das Dominnere hinab, durchschlug mit ihrem enormen Gewicht den Boden der Predigtkirche und beschädigte große Teile der darunterliegenden Gruft. Wie durch ein Wunder wird jedoch die angebaute Denkmalskirche von den Bomben nicht getroffen und bleibt erhalten. Dieser Umstand wird bei der Rekonstruktion des Domes nach dem Krieg eine Rolle spielen. Wie die ostdeutsche Zeitung "Neue Zeit" (7.12.1974) schrieb, müsse die Denkmalskirche jedoch wegen "der harmonischen Einfügung des Domes als Baudenkmal des 19. Jahrhunderts in die neugestaltete Innenstadt" abgerissen werden. "Durch das vorsichtige Abtragen sollen wertvolle Baumaterialien zur Ausbesserung anderer Schadstellen gewonnen werden", schreibt das Blatt. In Wahrheit war der Abriss der erhalten gebliebenen Denkmalskirche eine weitere Attacke bei der brachialen Denkmalsstürmerei der SED-Führung. Besonders die Ehrenhalle mit den Grabdenkmalen zahlreicher Potentaten waren der DDR-Administration ein Dorn im Auge. Die Gelegenheit schien günstig, das steinerne Ärgernis zu beseitigen. Statt die Denkmalskirche als geschichtliches Mal stehen zu lassen, glaubte man mit ihrem Abriss das Vergangene zum Schweigen zu bringen. Die künstlerischen Zeugen früherer Zeit zu beseitigen, war nach Meinung der DDR-Administration eine Maßnahme, die den Eindruck vermitteln sollte, wonach diese Geschichte gar nicht stattgefunden hat.

Friedrich II.: Zersägt ausgewiesen, als Phönix zurück

Bereits im Juli 1950 hatte das Reiterstandbild Friedrich II. des Bildhauers Christian Daniel Rauch (1777-1857) in Einzelteile zersägt die Stadt verlassen müssen, und im September desselben Jahres wurde das Schloss gesprengt. (Siehe den Beitrag "Das Standbild Friedrichs II. Unter den Linden: Reiter, Reiter musstest wandern") Aber dann das Wunder! Nach dreißig Jahren kehrte der reitende Friedrich überraschend an seinen alten Standplatz zurück. Fast schien es so, als hätte er eine Mahnung an die DDR-Elite auf den Lippen, die er im Februar 1760 an niederträchtige Dummköpfe richtete:

"Barbaren, Ihr! Was wagt Ihr zu beginnen?
Könnt Ihr, die unserer Tage Schandfleck sind,
Durch Blindheit wild, Euch nie darauf besinnen,
Dass, was Ihr auch für frevle Ränke spinnt,
Vernunft und Wahrheit doch dem Phönix gleichen,
Der aus der Asche neuen Flug beginnt."


Der zurückgeholte "Phönix" brachte die Dogmatiker der SED in Erklärungsnot. Der spätere als "Tapeten-Kutte" verspottete Parteifunktionär und Perestroika-Gegner Kurt Hager (1912-1998) versuchte in der Berliner Zeitung (19.12.1980) klarzustellen, die Aufstellung des Reiterstandbildes habe "keine symbolische Bedeutung, ist keine Sensation und politische Demonstration, die ein neues Preußenbild begründen soll". Die Rückholaktion sei lediglich aus "kulturhistorischen Gründen, zur Abrundung des Forums Unter den Linden erfolgt". Im Oktober 1949 hatte die SED-Führung noch verlauten lassen: "Der königliche Reiter muss weg ... weil er gegen Osten reitet". Man sieht: Dogmatiker können argumentativ sehr beweglich sein. Womöglich wäre die Denkmalskirche wieder aufgebaut worden, wäre für den Politiker Erich Honecker nach dem erhofften Zuwachs an Ansehen ein Staatsbesuch in die USA und ein Empfang im präsidialen White-House-Office herausgesprungen. Als ungelernter Dachdecker einmal vor dem Kamin im Oval Office des USA-Präsidenten sitzen, hinter sich links das Gemälde des Erst-Präsidenten George Washington (1732-1799) und rechts das Porträt des sechzehnten Amtsinhabers Abraham Lincoln (1809-1865) - ein Traum, der unerfüllt blieb.

Die Denkmalkirche am Dom wird wohl ungebaut bleiben, obwohl einige Trümmer noch erhalten sind. Die Sarkophage aus der Gruft dieser Kirche befinden sich heute im Grabgewölbe unter dem Dom. Den Weg für Touristen aus dem Kircheninneren dort hinunter kann man allerdings schwerlich angemessen nennen. Man muss vorbei an Technik und Toilette; Rollstuhlfahrer müssen klingeln, um dann mit dem Lastenaufzug befördert zu werden. In dem säulengetragenen Kreuzgewölbe ist die Ausleuchtung so dämmrig, dass man Details der unterschiedlich gestalteten Sarkophage schwerlich erkennen kann. Bis die Gruft eines Tages ein tatsächlich "nationales Denkmal" sein wird, ist es noch ein Stück Weg.

Wie man zur Hohenzollerngruft kommt:

Die Hohenzollerngruft befindet sich im Berliner Dom und ist täglich von 9.00 bis 19.00 Uhr für den Besucherverkehr geöffnet. (Telefon 030-20269144). Anfahrt zum Beispiel mit der U-Bahn U6 oder dem Bus Linien 100, 200, TXL.

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