Monbijoubrücke in Berlin

Text: -wn- (Journalist aus Berlin) / Letzte Aktualisierung: 19.04.2023

Monbijoubrücke in Berlin
Blick auf den wiederaufgebauten Brückenteil der Monbijoubrücke aus westlicher Richtung. Foto: © -wn-

Die Monbijoubrücke in Berlin führt über die Spree und den Kupfergraben. Sie ist insgesamt 62 Meter lang und wird vorwiegend von Fußgängern genutzt.

Monbijoubrücke am Bode-Museum - Kartoffel, Faust und Zar mit Damen

Welches Bauwerk ist schon ein so populärer Namensgeber wie das Schloss Monbijou - obwohl es seit über einem halben Jahrhundert aus dem Berliner Weichbild vollständig verschwunden ist. Nach dem einstmals zwischen der Oranienburger Straße und dem Spree-Nordufer auf Höhe des Bode-Museums gelegenen Gartenschloss sind heute ein Park, ein Platz, ein Bad, eine Straße benannt - und natürlich die Brücke an der Nordost-Spitze der Museumsinsel. Direkt vor der Haustür des Bode-Museums quert sie Haupt- und Nebenarm der Spree, die hier beginnt, die Insel nach Osten hin zu umfassen. Das in der Zeit der Berliner Stadtgründung noch brache Uferareal gerät in den Bereich dokumentierter Geschichte, als der Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg (1620-1688) die Länderei - etwa den heutigen Park - seiner ersten Frau Louise Henriette von Oranien (1627-1667) übereignet. Das wüste Land wird zu einem "der frühesten Gärten (und) lag ein ganz Stück außerhalb der Stadt", erfahren wir bei Heinrich Laube (1806-1884), einem Redakteur der "Zeitung für die elegante Welt". Louise Henriette wird auf dem Areal ein Mustergut nach holländischem Vorbild aufbauen. Zur Historizität des Ortes gehört, dass hier ein noch seltenes, das menschliche Umfeld schmückendes Nachtschattengewächs kultiviert wird: die Kartoffel. Noch kein Gedanke daran, sie zu essen.

Man erfreut sich an den schönen Blüten und am üppigen Laub; die unterirdischen Knollen nimmt man in Kauf. Die Kartoffelblüte wirkt bekanntlich mit ihrer weißen oder blass-violetten Blumenkrone, die aus einem fünfzipfeligen Kelch hervorkommt. Die erwerbsame Oranierin, Mutter des späteren preußischen Königs Friedrich I. (1657-1713), mag vielleicht der später preußenweit verehrten Königin Luise (1776-1810) in Sachen Lieblichkeit und Burschikosität etwas nachstehen - mit ihrem intellektuellen Potential überragt die aparte Frau alle Damen der preußischen Oberschicht. Es heißt, sie habe großen Anteil an der Aussöhnung Preußens mit Polen: auf ihr Anraten wechselt der Große Kurfürst im Nordischen Krieg von der schwedischen zur polnisch-dänischen Seite. Polen verzichtet daraufhin auf die bis dahin beanspruchte Lehnshoheit über Preußen. Luise Henriette sei ihrem Mann "eine pragmatisch denkende und handelnde politische Beraterin" gewesen, meint ein Zeitgenosse und beschreibt sie als eine "Frau von innerer Frömmigkeit, wahrer Herzensgüte, echt weiblicher Sanftmut und scharfem Verstande". Festzuhalten ist: Die ersten Kartoffel-Zierpflanzen Brandenburgs blühten hier am Ufer der Spree. Erst der Urenkel, der es wegen seiner drei Schlesischen Kriege wieder mit den Polen verdirbt, entbindet die Kartoffel von ihrer zierenden Funktion und machte sie als nützliches Nahrungsmittel populär - selbstredend per Order. Nach dem Tod Louise Henriettes ist Schluss mit der Meierei an der Spree.
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Blick über die Monbijoubrücke
Blick über die Brücke in Richtung der Straße Am Kupfergraben - Foto: © -wn-
Der Sohn Friedrich I. lässt ein bisher genutztes Sommerhaus zum Lustschloss erweitern und schenkt es seiner Frau Sophie Charlotte (1668-1705). Ab 1712 wird das Schlösschen langjährige Sommerresidenz der Königin Sophie Dorothea (1687-1757), der das Verdienst zukommt, den preußischsten aller preußischen Könige als "Sehnsuchtskind" geboren zu haben. Man sagt, sie den Namen Monbijou (Mein Schmuck) geprägt. Statt seine spätere kaum kontaktierte Ehefrau Elisabeth Christine (1715-1797) auf Schloss Schönhausen in Pankow zu besuchen, kehrt Friedrich II. (1712-1786) lieber bei der Mutter ein. "Aus Potsdam in Berlin, speist (er) bei der Königin Mutter in Monbijou", notiert der Chronist Karl Heinrich Siegfried Rödenbeck (1774-1860) mehrfach im "Tagebuch oder Geschichtskalender aus Friedrichs des Großen Regentenleben". Überquert Friedrich auf dem Weg zur Mutter den Spreearm, muss er einen hölzernen Vorläufer der heutigen Brücke benutzen, eine Jochbrücke, bei der die Fahrbahn auf Pfahlpaaren ruht, die in die Flusssohle eingerammt sind. 1787/88 entsteht an der Stelle der Holzbrücke eine erste steinerne Gewölbebrücke, die Große Chausseebrücke; ihre Vorgängerin zählt damit zu jenen Berliner Flussübergängen, "welche Friedrich II. steinern machen ließ", so die Stadtchronik.

Die Monbijoubrücke in Berlin Mitte

Der südliche Teil der Monbijoubrücke
Der südliche Brückenteil aus der Sicht der Straße Am Kupfergraben - Foto: © -wn-

Diese Brücke benutzt - gegen alle diplomatische Gepflogenheit allein und nur mit ein paar Strelitzen (Leibwächter) - ein Mann, von dem es heißt, er und seine Entourage hätten zwischen dem 19. und 21. September 1717 das als Residenz genutzte Schloss Monbijou "verwüstet". Der Übeltäter ist der russische Zar Peter der Große (1672-1725). Er ist mit 300 Pferden auf Westeuropa-Tour, die der Integration Russlands in das europäische Staatensystem dienen soll. Eine erste Irritation gleich am Ankunftstag in Berlin: Als im Stadtschloss ein Festessen zu seinen Ehren im Gange ist, müssen die Gäste zunächst vier Stunden mit ihm auf alle möglichen Umstände, Personen und Anlässe trinken - und dann ist er plötzlich weg. Zu Fuß ist er zum Gartenschloss an der Spree zurück gelaufen, und auch am nächsten Tag, als dort Equipagen auf ihn warten, um ihn zu Gesprächen ins Stadtschloss zu bringen, da ist er schon wieder zu Fuß unterwegs dorthin. Aus gutem Grund hatte er gegenüber dem preußischen König Friedrich Wilhelm I. (1688-1740) eine Unterbringung im Berliner Schloss abgelehnt und sich für die beiden Nächte eine abgelegene Residenz ausbedungen. Er kennt seine Leute. Die damals achtjährige Königstochter Wilhelmine (1709-1763) erinnert sich später: "Dieser barbarische Hofstaat zog zwei Tage später endlich fort. Die Königin (Sophie Dorothea) begab sich sogleich nach Monbijou. Dort herrschte die Zerstörung von Jerusalem; ich habe Ähnliches nie gesehen. Alles war derartig ruiniert, dass die Königin fast das ganze Haus neu herrichten lassen musste." Sie war enttäuscht von Peter, nachdem sie schon vorab von den Alkoholexzessen des Zaren gehört hatte; "Er hat vor uns gar nicht gesoffen", schrieb sie in ihren Erinnerungen, "aber seine Leute (dafür) abscheulich. Sie wussten nichts (mehr) von sich selbst, so voll waren sie". Berichtet wird ferner, in welch außergewöhnlichen Situationen Besucher den Zaren antrafen. Dem Viadrina-Professor Samuel von Cocceji (1679-1755) aus Frankfurt/Oder stockte nachgerade der Atem, als er zu einem Höflichkeitsbesuch vorgelassen wurde. "Als der Herr von Coccejl mit den übrigen Räthen zu ihm kam, fand er ihn auf zwei russische Damen gelehnt, auf deren entblößtem Busen er mit den Händen während der Audienz spielte, was den Redner beinah aus der Fassung gebracht hätte." Die Entrüstungen preußischerseits über diese Kombination von Erotik und Politik sind eher verhalten. Kann man verstehen. Der nach außen sittenstrenge Friedrich Wilhelm I. hatte zwar aus den sogenannten Tabakkollegien, deren Teilnehmer sich an Bier, Nikotin und an der Entwürdigung heranbefohlener Untertanen erfreuten, jedes weibliche Element entfernt. Umso mehr werden diese Runden zu einer Renaissance der Hofnarren. Geladen sind "Lustige Räte", die sich der Gestellung nicht entziehen können. Der bekannteste ist der Historiker Jacob Paul von Gundling (1673-1731), mit dem man entwürdigende Scherze trieb. Ein wie er gekleideter Affe wird ihm einmal als sein leiblicher Sohn vorgestellt. Gundling wird genötigt, das Tier in die Arme zu schließen und zu küssen. Einen Grund, sich über russische Sitten zu erregen, gibt es kaum. Der wilde Zar und der preußische Moralist hatten sich bereits im Jahr zuvor auf einen fragwürdigen Deal geeinigt, der in die Geschichte als ein "Kinderhandel" besonderer Art eingeht. "Seine lieben blauen Kinder" nennt der preußische Monarch die Soldaten-Riesen seines Leibregimentes - keiner unter 1,88 Meter Wuchshöhe. Im Tausch gegen das Bernsteinzimmer (offiziell ein Geschenk) verspricht der Zar "jährlich 100 Grenadiere von möglichster Größe zu rekrutieren, und in der That schickte er auch 6 Monate später 150 Mann, sämmtlich auserlesene Leute nach Potsdam"; angesichts dieser Zuverlässigkeit habe der Zar das Herz Friedrich Wilhelms I. für immer gewonnen, schreibt die Chronik. Die aus dem Berliner Schloss ausgebaute Wandverkleidung aus Bernstein befindet sich bis zum deutschen Überfall auf die Sowjetunion (1941) im Katharinenpalast in Zarskoje Selo bei Sankt Petersburg (heute Puschkin) und ist nach einem kriegsbedingten Ausbau verschollen.

Aber Monbijou ist nicht nur der Ort des Kuhhandels eines scheinheiligen Preußenkönigs und eines russischen Intensiverotikers, den der ab 1740 regierende Friedrich II. (1712-1786) umgehend beendet. Denn Friedrich ist zwar vieles - aber weder Frömmler noch Garde-Fetischist. Und fast kann man Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) verstehen, der Berlin im Mai 1878 ein einziges Mal besucht, wenn er über die Berliner keine allzu gute, wenn auch eine zu Unrecht generalisierende Meinung hat. An seinen Freund, den Komponist und Musikpädagogen Carl Friedrich Zelter (1758-1832), schreibt er 1831: "Die Frömmler habe ich von jeher verwünscht, die Berliner, so wie ich sie kenne, durchaus verflucht, und daher ist es billig, dass sie mich in ihrem Sprengel in den Bann thun." Dennoch geht dank des Weimarer "Gestirns" (Thomas Mann) Schloss Monbijou in die deutsche Literaturgeschichte ein. Kein geringeres Werk als Faust 1 wird am 24. Mai 1819 im Theatersaal des Schlosses, wenn auch nur in Teilen, uraufgeführt. Gezeigt werden die Studierzimmer-Szenen; für die Erdgeist-Erscheinung in Form einer Laterna-Magica-Projektion nimmt man Goethes Kopf, worüber der Autor sich überraschend sehr gefreut haben soll. Ob das auch der Fall war, als er von Berlin aus aufgefordert wurde, für anstößig empfundene Worte des Fausttextes Synonyme zu finden, bleibt unbekannt. "Der Stein des Anstoßes bestand nun abermalen darin, Surrogate für anstößige Stellen zu finden, um nicht sowohl den jüngsten weiblichen Personen des Hofes als ihren alten Hüterinnen ohne Ärgernis zu erscheinen", depeschiert Zelter besorgt nach Weimar.

Wir befinden uns nun schon in der Regierungszeit des gehemmten Königs Friedrich Wilhelm III. (1770-1840), der durch seine Prädikat oder Subjekt meidende Ausdrucksweise ("Mir fatal!") in die Geschichte eingeht. Über 80 Jahre werden noch vergehen, bis die Brücke über die Spree die uns heute bekannte Gestalt erhält.
Nach dem Tod der Königinmutter Sophie Dorothea (1687-1757) und dem Ableben der danach in Monbijou kaltgestellten Frau des in mehreren Ehen lebenden Königs Friedrich Wilhelm II. (1744-1797), Friederike Luise (1751-1805), zeigt die königliche Familie kein Interesse mehr am Schloss. 1822 zieht die Ägyptische Sammlung des Museums in den Westflügel. Darauf folgt 1837 das Museum für Vaterländische Altertümer. 1904 wird die neue Sandsteinbrücke des deutschen Architekten und Hofbaumeisters Ernst Eberhard von Ihne (1848-1917) eingeweiht und mit dem heutigen Namen versehen. Es sind zwei getrennte Teilbrücken, die sich in stumpfem Winkel auf der Inselspitze treffen und nunmehr den Zugang zum Bode-Museum mit den beiden Ufern verbinden. Ein Berlin-Lexikon beschreibt die Vorkriegssituation: "Sie hat 2 Bogen, ist 36 Schritte lang und 18 Schritte breit; auf dem steinernen Seitengeländer erblickt man von jeder Seite eine kolossale steinerne Gruppe, deren eine den Herkules darstellt, wie er in Begriffe ist, den Nemäischen Löwen zu zerreißen, und die andere denselben, im Kampfe mit dem Centauren Nessus." Die Skulpturen werden im Krieg zerstört. Der nördliche ebenfalls vernichtete Brückenteil, der lange Jahre ein hölzernes Provisorium ist, hat seit 2006 wieder seine frühere Gestalt.

Die Balustrade der Brücke mit Namen
Der in die Balustrade eingelassene Brückenname
Foto: © -wn-
Seit es den an Vor- und Nachmittagen frei zugänglichen königlichen Schloss-Park gibt, waren die Brücken an dieser Stelle vom Publikum gern benutzte und Nähe zum Royalen herstellende Spree-Übergänge. Möglicherweise rührt daher die feinironische Feststellung Heinrich Heines (1797 od. 1799-1856): "Es ist einer der schönsten Züge im Charakter der Berliner, dass sie den König und das königliche Haus ganz unbeschreiblich lieben. Die Prinzen und Prinzessinnen sind hier ein Hauptgegenstand der Unterhaltung in den geringsten Bürgerhäusern. Ein echter Berliner wird auch nie anders sprechen als "unsre" Charlotte, "unsre' Alexandrine" "unser" Prinz Karl usw." Als Prinzessin Alexandrine (1803-1892) verheiratet wird, umlagern viele Berliner das Stadtschloss, als hätten Yellow-Press und Privatfernsehen sie für solche Ereignisse genügend sensibel gemacht. Auch Heine steht unter den Entrückten. Er schreibt: "Neben mir stand ein Mütterchen, auf dessen Gesicht zu lesen war: "Jetzt habe ich sie zwar verheuratet, aber sie verlässt mich jetzt." Plötzlich hätten die Kanonen gedonnert, die Damen seien zusammengezuckt, "die Glocken läuteten, Staub- und Dampfwolken erhoben sich, die Jungen schrien, die Leute trabten nach Hause, und die Sonne ging blutrot unter hinter Monbijou".

Wie komme ich zur Monbijoubrücke?

U-Bahn U6 (Friedrichstraße)
S-Bahn S1, S2, S25 (Friedrichstraße); S5, S7, S75 (Hackescher Markt)
Tram M1, 12 (Am Kupfergraben); M4, M5, M6 (Hackescher Markt)
Bus TXL (Staatsoper); 100, 200 (Lustgarten); 147 (Friedrichstraße)


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