Die Potsdamer Freundschaftsinsel - "Es wird durchgeblüht"

"Unser Lied die Ländergrenzen (Ozeane) überfliegt: Freundschaft siegt!" - eine Zeile aus dem von der Zensur nicht unberührt gebliebenen Refrain des kämpferischen wie
Liegewiese auf der Potsdamer Freundschaftsinsel
Potsdamer Freundschaftsinsel, Liegewiese mit Blumen
Foto: © -wn-
hoffnungsvollen Weltjugend-Liedes. Der ehemalige FDJ-Funktionär Dr. Günther Jahn (geb. 1930) dürfte es Hunderte Male auf Appellen und Tagungen glühenden Sinnes mitgesungen oder gar angestimmt haben. Er ist später der letzte SED-Hierarch des früheren Potsdamer Bezirkes und lebt heute (2014) zurückgezogen als betagter Invalidenrentner in der Havelstadt. Zwar verkörperte er nicht den Typ des intellektuell gebremsten Bonzen, sondern eines geistig beweglichen Menschen, der allerdings mit einem putzig verbrämten Dogmatismus und besonders 1989 mit der Fähigkeit von sich reden machte, die friedliche Revolution mit in die Irre gehenden Bildern zu denunzieren. So ließ er die Sentenz vom Stapel: "Die quadratische Formation der Kampfgruppenhundertschaft steht der Arbeiterklasse besser zu Gesicht als der runde Gesprächstisch mit der Konterrevolution." Neben frecher Forsche besaß er auch die servile Leidenschaft eines Dietrich Heßling aus Heinrich Manns (1871-1950) Roman "Der Untertan", die besonders zutage trat, wenn er vor seinem Chef Erich Honecker (1912-1994) katzbuckelte. Dabei wollte er sowohl jugendlich-leidenschaftlich als auch ernsthaft-revolutionär wirken - und das mit Folgen. In den proletkultistischen Räuschen, die ihn bei offiziellen Terminen überkamen, litt er sichtbar unter mimischem Stress und konnte von einer Sekunde auf die andere von hellem Lachen in tiefen Ernst fallen, um bald darauf wieder hektische Freude zu verbreiten.
Adresse:
Freundschaftsinsel Potsdam
Lange Brücke
14467 Potsdam
Telefon: 0331/ 20 08 016
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  • Geschichte der Potsdamer Freundschaftsinsel


    Kein Wunder, dass man einem Menschen mit solch einer seelischen Bandbreite auch manches andichtete. So wurde gemeint, Günther Jahn habe dem leicht
    Frühling auf der Potsdamer Freundschaftsinsel
    Frühling auf der Potsdamer Freundschaftsinsel
    Foto: © -wn-
    bananenkrummen Eiland, über dessen südwestlicher Spitze die Potsdamer Lange Brücke führt und das die Havel in eine Alte und Neue Fahrt teilt, kraft seines Parteiamtes den Namen Freundschaftsinsel gegeben - was im Übrigen keine Straftat gewesen wäre. Es schien einleuchtend, weil im DDR-Jugendverband FDJ "Freundschaft" offizieller Gruß war und jedes Mitglied von Geburt an mit jedem jungen Inuit oder Neukaledonier und schon gar mit jedem Komsomolzen unbekannterweise verbunden war. Doch die berühmte Potsdamer Freundschaftsinsel, die aus Schwemmsand aus der vor Ort einmündenden Nuthe entstand und später durch Aufschüttungen auf eine Fläche von sechs Hektar vergrößert wurde, erhielt ihren Namen zu anderer Zeit. Er belehrt uns zudem, dass der Begriff "Freundschaft" im Staatssozialismus einen ideologisch einengenden Sinn bekam. "Drushba - Freundschaft! / Verstärkt dies Herzensunterpfand, und unser Bruderbund hält stand", heißt es in einem liebedienerischen Lied, das in einer Zeit entstand, in der die ostdeutsch-sowjetischen Beziehungen noch mit - lang ist's her - intensiven Bruderküssen auf Mund und Wange am Leben gehalten wurden.

    Auf den Gedanken einer Freundschaft im Sinne allgemeiner Menschennähe, also in einem umfassenderen Sinne, wird in einem Musenalmanach aus dem Jahre 1795 Bezug genommen, wo es heißt "lieblich schallt im schönerhellten saale / rundgesang voll hoher freundschaftsglut". Freundschaft ist hier Geselligkeit, vor allem ideologiefreies Miteinander - und auch Ausdruck von Angedenken, wovon der kleine runde Freundschaftstempel im westlichen Teile des Parks Sanssouci erzählt. Der König in Preußen Friedrich II. (1712-1786) hatte ihn für seine 1758 verstorbene Schwester Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth (geb. 1709) bauen lassen. Die Verstorbene ging bekanntlich mit noch heute lesenswerten detailreichen Schilderungen des preußischen Hoflebens in die Geschichte ein. Und wer dächte nicht an den berühmten britischen Seefahrer James Cook (1728-1779), der auf seiner zweiten Südseereise (1772-1775) auf die Tonga-Inseln stieß. Wegen der - so meinte er - Freundlichkeit ihrer Bewohner nannte er die Eilande Freundschaftsinseln. Ins Tagebuch schreibt er: "Empfang bei den freundlichen Wilden. Feste. Spiele. Tänze. Natur- und Sitten-Darstellung der glückseligen Insel. … Versuchungen der Mannschaft. Wollüstige Scenen". Cook ahnte nicht, dass er und seine Getreuen nur deshalb eines Nachts nicht erschlagen wurden, weil die angeblich so liebenswürdigen Insulaner in Streit geraten waren. Cooks Namensgebung lag ein schwerer Irrtum zugrunde. Der Tod ereilte James Cook am 14. Februar 1779 am Strand der Hawaii-Inseln (heute USA-Bundesstaat), wo er von Hawaiiern hinterrücks niedergestochen wurde.

    Ein Tabakhändler erfindet den Namen Freundschaftsinsel


    Auf der einstmals mit Weiden bestandenen flachen Havel-Insel regen sich in den 1840er Jahren erste "Freundschafts-Aktivitäten". Ein Tabakhändler namens Gems, der
    Plastik Tanzpaar auf der Potsdamer Freundschaftsinsel
    Plastik "Tanzpaar" von Ingeborg Hunziger-Franck,
    Bronze, 1966 - Foto: © -wn-
    auf der Insel zwischen Beeten und Rabatten kleine Feste veranstaltet, ist nach allem, was bekannt ist, der eigentliche Namensgeber. 1841 nennt er in seinem Testament das Eiland "Insel der Freundschaft". Ab 1845 betreibt der Schwiegersohn hier ein Ausflugsrestaurant gleichen Namens.
    Fünfzig Jahre später wird sich ein Restaurant "Freundschaftsinsel" als ein Etablissement mit "Garten und Concerthalle" empfehlen. Viele Männer halten es für schick, dort mit Schlips und Kragen zu erscheinen, wirbt das Haus doch mit einer "gewählten Gesellschaft" Der Inhaber heißt nun O. Schönemann; sein Name verliert sich später in der Geschichte. Das Lokal ist ein nicht sehr großes Holzhaus mit giebelständiger (dem Weg zugewandten) Veranda, die im oberen Teil vorn mit einem schönen Scherengitter verziert ist. Vor dem Haus gibt es mit Beginn des 20. Jahrhunderts einen mit Birken und Eschen bestandenen Biergarten, in dem heute noch übliche Holzklappstühle und -tische zum Sitzen einladen. Um die Tische herum stehen zwei Meter hohe Öllampen mit runden weißen Schirmen. Man sitzt dort im Sommer, und am Tage sogar mit Kind und Kegel. Möglicherweise wird auch das damals vielgesungene Vormärz-Lied angestimmt, in dem es heißt: "Weil wir heut beim Glase Bier / doch so manches singen, / will ich, liebe Dummheit, dir / auch ein Liedchen bringen. / In dem Dummen regen sich / niemals bange Zweifel, / er glaubt alles, fürchtet sich / (lediglich) vor Gespenst und Teufel." Polizeistunde ist im Sommer um 11 Uhr abends und im Winter eine Stunde früher.
    In den 1930er Jahren wechselt das ungeschriebene Symbol der Insel. Was bisher das Bierseidel war, ist nun die winterharte Staude. Die mit 64 Bänden umfangreichste Enzyklopädie des 18. Jahrhunderts, das vom Buchhändler und Verleger Johann Heinrich Zedler (1706-1751) herausgebrachte Universal-Lexicon, beschreibt die Staude als ein "holtziges Gewächs, welches aber nicht zur Höhe eines Baumes gelanget, auch nicht einstämmig wächset, sondern mit vielen Nebensprossen aufschiesset". Genau das sollten nun Hunderte Stauden auf der Insel tun, nachdem die inzwischen angelegten Schrebergärten beseitigt worden waren und die Pächter neue Dauerkleingärten am Pfingstberg zugewiesen bekamen. Die Insel wird zum Arbeits- und Experimentierfeld des Gärtners, Staudenzüchters und Essayisten Dr. Karl Foerster (1874-1970). Zusammen mit anderen Gartenarchitekten legte er den in Deutschland ersten Schau- und Sichtungsgarten für winterharte Blütenstauden, Farne und Gräser nach dem Motto an: "Es wird durchgeblüht!" Nach den schweren Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges gibt es eine Renaissance. In den Jahren 1953 und 1954 sowie 1973 (wegen der Weltfestspiele) wird die Insel umgestaltet, so dass der Besucher heute verschiedene Perioden der Gartenarchitektur erleben kann. Zu den Züchtungen Karl Foersters zählen vor allem die bis zu 1,20 Meter hohe Flammenblume Phlox, ein Himmelsleitergewächs, das zart-blaue Hahnenfußgewächs Rittersporn sowie verschiedene Asterarten. Insgesamt erhält der Besucher einen umfassenden Überblick über 1300 gartenwürdige Arten und Sorten der winterhart überdauernden Blütenstauden. Seit 1977 besitzt die Anlage nun den Status eines Flächendenkmales.

    Mitte der 1960er Jahre erhält die Freundschaftsinsel ein weiteres Symbol


    Kunst im öffentlichen Raum ist nun zu sehen - Plastiken von Menschen und Tieren vor Bäumen, Blumen und Pergolen. Die Öffentlichkeit nimmt das Neue vehement an. In
    Plastik Pelikane auf der Potsdamer Freundschaftsinsel
    Plastik "Pelikane" von Hans Klakow (1899-1993),
    Bronze, 1956 - Foto: © -wn-
    den eindrucksvollen gärtnerischen Umfeldern scheinen Mienen, Haltungen und Gestiken der aufgestellten menschlichen Figuren in Bewegung zu kommen, sind jedenfalls lebendiger als wenn man sie in einer Galerie betrachtete. Auch bei den Tieren - etwa bei Fuchs, Bär und Pelikan - scheint sich die bronzene Starre zu lösen. Mit diesem künstlerischen Zuwachs verfügt die Insel über eine bedeutende Sammlung aus DDR-Zeiten stammender Kunstwerke. Die Plastiken lassen erkennen, dass es neben den Beschlüssen und Parolen der Funktionäre noch ein alltägliches Lebensgefühl aus Menschenfreundlichkeit, Entschlossenheit und Hoffnung gab. Die Bronzefiguren sind Sinnbilder eines "richtigen Lebens im Falschen", was es nach Meinung des Philosophen und Soziologen Theodor W. Adorno (1903-1969), von dem das Sprachbild stammt, angeblich nicht geben durfte - aber eben gab. Der Berliner Autor und Fotograf Dirk Alexander Schermer (geb. 1969) präsentiert in seiner mit vielen Fotos versehenen profunden Publikation "Kunst im öffentlichen Raum" die aufgestellten Plastiken, die anschaulich davon erzählen.

    Gleich am Eingang der Insel die Plastik "Schönheit des Menschen in der Natur"


    Und kaum ist der Besucher von der Langen Brücke auf die Insel hinabgestiegen, erreicht er auf der beginnenden Liegewiese eine erste Plastik. "Schönheit des
    Plastik Schönheit des Menschen in der Natur auf der Potsdamer Freundschaftsinsel
    Plastik "Schönheit des Menschen in der Natur" von
    Margret Middell, Bronze, 1973/74 - Foto: © -wn-
    Menschen in der Natur" (1973) nennt sie die Bildende Künstlerin und Grafikerin Margret Middell (geb. 1940). (Foto) Dirk Alexander Schermer beschreibt das Kunstwerk so: "Auf einer rechteckigen Betonplatte befinden sich drei etwa lebensgroße Aktfiguren - eine Sitzende und zwei Liegende. Zwischen ihnen scheint eine ungezwungene Atmosphäre zu herrschen, die zudem von lebenden Beziehungen zwischen den Figuren geprägt ist." Es zeige sich der Versuch Margret Middells, "die Beziehungen zwischen Mensch und Natur in ihrer Tiefe darzustellen. Sie verweist auf die nackte Existenz des Menschen und die im Leben des Menschen innewohnende Schönheit und Würde." Auch die Bildhauerin Ingeborg Hunzinger-Franck (1915-2009) schuf mit der Plastik "Tanzpaar" (1966) ein Kunstwerk voller Eigenart (Foto). Dokumentarist Schermer vermerkt: "Mit ihrer naturnahen Darstellung des Tanzpaares schuf Ingeborg Hunzinger-Franck ein Kunstwerk, welches die Grazilität und Leichtigkeit des Tanzens abzubilden vermag und sich inhaltlich und gestalterisch dem Spaziergänger verständlich nähert." Die bronzene Aktplastik "Stehendes Mädchen" von Fritz Cremer (1906-1993) stammt aus dem Jahr vor dem Mauerbau (Foto). Dirk Alexander Schermer kommentiert, die
    Plastik Stehendes Mädchen auf der Potsdamer Freundschaftsinsel
    Plastik "Stehendes Mädchen" von Fritz Cremer,
    Bronze,1960 - Foto: © -wn-
    Mädchenfigur offenbare eine pubertierende Lebenssituation, "Widersprüche des Alters des noch jungen Mädchens …, ein Schwanken zwischen unsicherem Werden und selbstbewusstem Sein". Durch diese Konstellation trete ein "Wechselspiel aus zögerlichem Rückzug und vorsichtigem vorwärts Wollen" zutage. Der Betrachter erkennt, dass Fritz Cremer keine der damals üblichen Idealisierung des Menschen bevorzugt, sondern den Einzelnen mit seinen Abweichungen und Eigenheiten zeigt.
    Das pubertierende Mädchen wurde inzwischen auch eine geschichtliche Gestalt, die den Besucher daran erinnert, dass die Freundschaftsinsel trotz aller Schönheiten keine Insel der Seligen ist. Ein solches Mädchen, sogar schon ihre Nachkommen, könnten zum Beispiel zu den 4500 meist jungen Menschen gehört haben, die 1989 auf der Prager Kleinseite über die hintere Mauer der (west)deutschen Botschaft in den Garten des Palais' Lobkowitz sprangen. Sie wollten nicht mehr "dieser strengen und wunderlichen Lehrerin (unterworfen sein), die immer viel Nachsicht mit ihren Fehlern, Dummheiten, Absurditäten einforderte und erhielt", wie der Schriftsteller Christoph Hein (geb. 1944) die späte DDR beschreibt. Die damals auf diese atemberaubende Weise gesprungen waren, hörten einige Zeit später den Satz Dietrich Genschers (geb. 1927) "Ich bin zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise...". Nicht für jeden begann daraufhin ein Lebensglück. Mancher kehrte zurück - enttäuscht und in der Erwartung, zu neuer Hoffnung fähig zu werden. Cremers Mädchen und so manche andere Skulpturen, die die Natur der Havelinsel so eindrucksvoll mit Kunst verbinden, erinnern an das, was einmal nach den Vorstellung der Menschen hätte sein sollen, aber nicht war, weil ein ganzer Staat seine Pubertät nicht zu Ende brachte.

    Anfahrt zur Freundschaftsinsel:


    Die Freundschaftsinsel erreicht man wenige Minuten nach Verlassen des Potsdamer Hauptbahnhofes. Von der Langen Brücke gelangt man auf die Insel.
    Auf ihr befinden sich weiterhin eine Freilichtbühne, ein Spielplatz, ein Sonnencafé und ein Ausstellungspavillon.
    Die Publikation "Kunst im öffentlichen Raum - Potsdamer Freundschaftsinsel" von Dirk Alexander Schermer wurde von der Landeshauptstadt Potsdam, Bereich Kultur und Museum, herausgegeben.

    Öffnungszeiten auf der Freundschaftsinsel:



    Ausstellungspavillion
    Mittwoch bis Freitag: 12:00 Uhr bis 17:00 Uhr
    Samstag und Sonntag: 12:00 Uhr bis 18:00 Uhr

    Restaurant "Daily Coffee"
    15. April - 15. Oktober jeden Jahres
    Täglich von 10:00 Uhr bis 22:00 Uhr
    Sonn- und Feiertags Open Air Brunch

    Bootsverleih
    15. April - 15. Oktober
    Täglich von 10:00 Uhr bis 20:00 Uhr (je nach Wetterlage)
    Text: -wn- / Stand: 29.07.2014

     
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