Brandenburger Tor in Potsdam

Text: -wn- (Journalist aus Berlin) / Letzte Aktualisierung: 18.02.2023

Das Brandenburger Tor in Potsdam
Das Potsdamer Brandenburger Tor aus Richtung Sanssouci - Foto: -wn-

Brandenburger Tor: Sieg-Portal eines saldierenden Kassenwarts

Bei der sprichwörtlichen Medaille ist es klar: Die Kehrseite weist oft auf nachteiliges hin. Bei den zwei Seiten eines Stadttores hingegen liegen die Dinge so: Dort sieht die eine Seite der anderen im Regelfall zumindest ähnlich. Nicht so beim 1770 errichteten Potsdamer Brandenburger Tor, der Kleinausgabe des rund zwanzig Jahre später erbauten gleichnamigen Berliner Wahrzeichens. Abgesehen vom augenfreundlichen teegelben Kolorit und dem kaum straßenbreiten Außenmaß hat der kleinere Potsdamer Stadt-Einlass eine Kehrseite, die der anderen eindeutig unähnlich ist. Augenfällig wird das, wenn man vom Luisenplatz in die ländlich ruhige, dennoch boulevardeske Brandenburger Straße in Richtung der katholischen Kirche St. Peter und Paul hinein läuft. Wendet man den Blick nach der Torpassage, fällt auf: Dieses Brandenburger Tor sieht hinterrücks ganz anders aus...

Geschichte des Brandenburger Tor in Potsdam

Dass es heute als ehemaliger westlicher Stadteingang ins Auge sticht, geht - auf wen sonst - auf Preußenkönig Friedrich II. (1712-1786) zurück, den man den Großen, ja den Einzigen - und endgültig verklärend den "Alten Fritzen" nennt. Das Tor ist ein von ihm initiierter Stein gewordener Nachklang des Siebenjährigen Krieges (1756-1763), von dem nicht ganz klar ist, wer ihn verlor und wer ihn gewann. 1763 kehrte Friedrich aus diesem von ihm nach einer französischen Bündnisaufkündigung ausgelösten Krieg zurück. Am 15. Februar waren die Kämpfe mit dem Friedensschluss von Hubertusburg beendet worden. Hinter den europäischen Mächten lagen sinnarme Schlachten, in denen es im Wesentlichen um Schlesien ging, einer heute drei Woiwodschaften einnehmenden südost-polnischen Landschaft. Ergebnis des Krieges: "status quo ante bellum": Alles blieb beim Altem und Schlesien bei Preußen. Noch hundert Jahre später besangen die Schlesier die verwegene Kriegsführung Friedrichs:

"Ihr verfluchten Kerls, sprach seine Majestät
Daß jeder in der Bataille seinen Mann mir steht!
Sie gönnen mir nicht Schlesien und die Grafschaft Glatz
Und die hundert Millionen in meinem Schatz."

(Glatz war eine niederschlesische Grafschaft.)

Nach den Worten des bayerischen Satirikers und Pfarrers Anton von Bucher (1746-1817) hatte er in den Kämpfen, "zwey Weiber und die Franzosen am Halse", "die Kaiserin Katharina von Russlands und die (österreichische) Kaiserin Theresia von Teutschland" und eben Frankreich. Der König, der 1759 in der Schlacht bei Kunersdorf (Kunovice) nur knapp dem Tod entging und in Fürstenwalde psychologisch mit Bach-Musik betreut werden musste, war zwar letztlich ein Nicht-Verlierer, aber auch nur ein Kaum-Sieger. Außerdem war er klug genug, sich einer allzu emphatischen Siegerpose zu enthalten. In einem Traktat zum Krieg schreibt er, es "endigte der blutige Krieg, der ganz Europa umzuwälzen drohte und in dem doch keine Macht, mit Ausnahme von Großbritannien, ihr Gebiet um einen Fuß breit erweitert hatte". 180000 preußische Soldaten ließen - für was eigentlich? - ihr Leben. 139.000.000 Taler hatten die Feldzüge gekostet, aber es befanden sich am Schluss in der Kriegskasse immerhin noch 30.250.000 Taler. Einen Teil dieses Geldes steckte der saldierende oberste preußische Kassenwart - soweit er nicht Finanzspritzen für die kriegsgeschädigten Provinzen bereitstellte - in ein kolossales Bauvorhaben und Beschäftigungsprogramm, in die Errichtung des 220 Meter langen Neuen Palais im Park von Sanssouci - er nutzte es später kaum. Wie sein Biograf Franz Kugler (1808-1858) schreibt, war es ihm jedoch darum zu tun, dass "er der Welt zeige, wie kräftig er sich, trotz all des Uebels, welches er erduldet, noch fühle, - damit Niemand, auf seine etwaige Erschöpfung bauend, neue Pläne wider ihn zu schmieden geneigt sein möge". Sein Trauma: Es könnte sich wieder jemand für Schlesien näher interessieren. Als aufmunterndes Siegeszeichen ließ er auch das Brandenburger Tor hochziehen, ein weiteres Denkmal seiner ungezügelten barocken Bauleidenschaft.

Brandenburger Tor am Luisenplatz in Potsdam
Das Potsdamer Brandenburger Tor aus Richtung Innenstadt (Brandenburger Straße) - Foto: -wn-

An dem Tor durften sich gleich zwei Baumeister verewigen: Karl von Gontard (1731-1791) zeichnete für die Stadtseite verantwortlich, für die andere sein Schüler Georg Christian Unger (1743-1799). Dieser wollte an seiner Torseite mit korinthischen Doppelsäulen an den Konstantinsbogen in Rom erinnern, während der andere einer Putzfassade mit korinthisierenden Lisenen (senkrechte Mauerstreifen) den Vorzug gab. Der angesehene Architekt Gontard wird 1781 allerdings zum Pechvogel vom Berliner Gendarmenmarkt. Der unter seiner Leitung gebaute und noch unfertige Turm des Deutschen Domes stürzte am 28. Juli 1781, drei Uhr morgens, ein, weil das Gewicht der Kuppel falsch berechnet worden war. Friedrich, der Gontard unter kräftigen Beschimpfungen feuerte und - zumindest bis sein Zorn sich gelegt hatte - in die Spandauer Zitadelle überstellen ließ, musste später erkennen, dass seine Ungeduld die Ursache für das Desaster war. Gontard "musste deshalb zu Hülfsmitteln seine Zuflucht nehmen, welche die Solidität des Baues gefährdeten", schreibt der Schriftsteller Adolph Streckfuß (1823-1895) in seiner 1864 im Alexander Jonas Verlag erschienenen Berlin-Saga "Vom Fischerdorf zur Weltstadt - Berlin seit 500 Jahren".
Den preußischen Baudenkmälern des 18. Jahrhunderts, darunter beiden Brandenburger Toren, wurde wegen ihrer Vielgestaltigkeit "ersprießliche Weltbürgerlichkeit" und ein "weltgewandtes Taktgefühl" zuerkannt. Aus ihnen spreche "edler Stolz und gediegene Behäbigkeit", bemerkte der Kulturphilosoph und Schiller-Urenkel Alexander von Gleichen-Russwurm (1865-1947). Da hielt Heinrich Heine (1797-1856) dagegen. In den "Reisebildern" von 1826/27 vermerkt er spöttisch, er sei durch Potsdams "öde Straßen" gewandert und empfand die Bauten "nur (als) steinerne Makulatur", die "des Lächerlichen genug enthält, so betrachten wir (sie) doch mit ernstem Interesse und unterdrücken hie und da eine aufsteigende Lachlust, als fürchteten wir, plötzlich einen Schlag auf den Rücken zu bekommen, wie von dem spanischen Röhrchen des Alten Fritz".

Friedrich musste sich - trotzdem er den Krieg mit ansehnlichem Kassen-Saldo "abschloss" - zur Beseitigung der erheblichen preußischen Kriegsschäden bisher nicht genutzte Einnahmequellen einfallen lassen; und er verfiel auf den königlichen Alleinhandel mit Tabak und Kaffee. Dabei hatte er nicht bedacht, dass er damit einen schlagartig einsetzenden Schleichhandel mit diesen Genussmitteln auslösen würde. Um diesen einzudämmen, schwebte ihm nun die Installation einer Geheimpolizei inklusive Anwerbung von Spitzeln und Zuträgern vor. Damit beauftragte er den Berliner Stadt- und Polizeipräsidenten Johann Albrecht Philippi (1721-1791). Philippi, der der Order nach einem Studienaufenthalt in Frankreich letztlich nachkam, hatte laut Kugler den König zunächst von dem Einführen der polizeilichen Konspiration mit dem Argument abbringen wollen, "weil die Brandenburger (eingeschlossen die Berliner) für solche Einrichtung vor der Hand noch viel zu treuherzig und zu ehrlich" seien. Friedrich habe sich gerührt gezeigt; man darf das bezweifeln. Allein die Berliner hielt der König kaum für naiv, sondern eher für "unruhig und querulirend". Er bestand auf dem Aufbau der "unsichtbaren Front". Als geistig reger Mensch wusste er aber, dass jedem politischen Vorhaben auch die Elemente des Unbedachten und des Scheiterns innewohnen. Und wer wollte ihm widersprechen, wenn er im Traktat über den Siebenjährigen Krieg schreibt: "Wir erklären recht gut das Vergangene, weil dessen Ursachen offen daliegen, aber wir irren stets über das Kommende; denn die Ursachen zweiter Ordnung entziehen sich unseren verwegenen Blicken."

Wie man zum Potsdamer Brandenburger Tor kommt:
Straßenbahn: Linien 91,94,98
Bus: Linien 605, 606, 692

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