Die Mühlenmär von Sanssouci - Eigenliebe fritzisch betrachtet

Speichellecker konnte der "Alte Fritz" nicht ab: "Ein Mann von Geist wird gegen plumpe Lobsprüche empört, er weiset den ungeschickten Schmeichler ab". Nach seinem Ableben 1786 ist er den Lobhudlern schutzlos ausgeliefert. Sie bejauchzen ihn als den Großen und Einzigen.
Historische Mühle in Potsdam
Historische Mühle im Park von Sanssouci in Potsdam
Foto © -wn-
Freilich, auch Goethe kommt um die Bewunderung der hochbegabten Majestät nicht herum. In "Dichtung und Wahrheit" nennt er sie eine Persönlichkeit, "die auf alle Gemüther wirkte", und bekennt sogar, fritzisch gestimmt zu sein, weil Friedrich "die deutsche Idee" hochhielt. Zwei Jahrhunderte vergehen. Im August 1991 langt der tote Monarch von der Burg Hohenzollern bei Hechingen zur Dritt-Bestattung in Sanssouci an. Das Begräbnis war dermalen als prunklos befohlen worden; doch Elogen und Pomp beherrschen bei der neuerlichen Grablegung das Weinbergs-Plateau. Jedenfalls liegt er nun am vorbestimmten Ort - in seiner mit einer eher unauffälligen Platte und mit Grasnarbe bedeckten Gruft links neben dem Schloss, natürlich die Hunde dabei. Nie jedoch wäre er auf die Idee gekommen, dass die wenige Gehminuten entfernte Bockwindmühle, später die ersatzweise hingebaute holländische Galeriewindmühle einschließlich des Neuaufbaues nach 1945 - dass diese Windmaschinen als Vehikel zu seiner Apotheose herhalten mussten.

Die Historische Mühle Potsdam Sanssouci


Alles begann mit dem Müller Johann Wilhelm Graevenitz (1703?-1774), der um die Zeit des Schlossbaues (1745/47) in Bauplatznähe und bis dato bei guten Winden zehn Jahre lang seine Mühle betrieben hatte. Bereits während der Bauphase macht der Mühlmann eine durch den Neubau, durch angepflanzte hohe Bäume und durch die hochgezogenen Weinbergs-Mauern verursachte Windhemmung zum Schaden seines Mahlbetriebes geltend. Er dringt auf Schadenersatz. Der König kommt dem Mann erstaunlich weit entgegen und entschädigte ihn mit einer Mühle in Babelsberg. Der clevere Graevenitz verkauft die Mühle von Sanssouci später an einen Nachfolger. Die Aufgeschlossenheit des Königs gebiert die irrige Legende vom mutigen Müller, der dem König erfolgreich mit dem Berliner Kammergericht gedroht habe, falls dieser seine Mühle wegen Ruhestörung requirieren und abreißen lassen wolle. Friedrichs Biograf Franz Kugler (1808-1858) und diverse andere Quellen geben den erfundenen Wortwechsel zwischen Müller und König wieder - teils vorsichtig als Legende bezeichnet teils ganz ernst genommen. Der König angeblich: "Weiß Er denn nicht, daß ich Ihm kraft meiner königlichen Macht die Mühle wegnehmen kann, ohne auch nur einen Groschen dafür zu bezahlen?". Als nachgerade einen Vorschein der bürgerlich-demokratischen Rechtsordnung wollen Friedrichs Laudatoren des Müllers drohend-frohlockende Antwort verstanden wissen, die da gelautet habe: "Ja, wenn das Kammergericht in Berlin nicht wäre". Dies habe den gerechten und einsichtsvollen König augenblicklich von seinem Begehr Abstand nehmen lassen. Was hier zur Verklärung preußischer Rechtsverhältnisse kolportiert wird, ist selbstverständlich nicht belegt, sondern entstammt, sage und schreibe, dem Lustspiel "Die Mühle von Sanssouci" des französischen Autoren Michel Dieulafoy (1762-1823). Und in der Erzählung "Der Müller von Sanssouci" des Schriftsteller François Guillaume Andrieux (1759-1833) findet sich die Drohung des Müllers mit dem Kammergericht Berlin: "S'il n'avoit pas des juges à Berlin!" So kam es zur Mär von der Historischen Mühle, die das Unterhaltungsblatt "Die Gartenlaube" mit den Worten beschrieb: "Ueber die Kuppeln seines Lieblingsschlosses Sanssouci aber ragt hinaus, als Denkmal seiner Gerechtigkeit, der er mit Freuden die eigenen Neigungen opferte, die von seinen Nachfolgern in hohen Ehren gehaltene historische Windmühle." In Wahrheit hat Friedrich II. die Mühlen-Betreiber aus eigenem Antrieb mit Steuerstundungen, Zuwendungen und Schulderlassen bedacht. Der Grund: Er wollte, "daß diese Windmühle stehenbleiben solle, weil sie dem Schlosse eine Zierde mache", wie der mit den Erstattungen betraute Kriegs-Rat Neubauer berichtet. Bereits am 1. Mai des Jahres 1747, in dem Sanssouci weitgehend fertig gestellt wird, nimmt er sein Haus - bei benachbartem Mühlenbetrieb - froh gestimmt in Besitz. Biograf Siegfried Rödenbeck (1774-1860) notiert im "Geschichtskalender aus Friedrich's des Großen Regentenleben": "Der König bezieht Sanssouci zum ersten Mal und giebt große Mittagstafel von 200 Couverts (Gedecke), auch war Conzert. Die regierende Königin war nicht zugegen." (Hinter dem letzten Satz verbirgt sich eine Geschichte anderer Art.)

Mühlensponsor Friedrich hat, was man nicht vergessen sollte, gelegentlich seine Umgebung gewaltig irritiert. Vor allem als er 1740 - kaum an der Macht - den ersten Schlesischen Krieg gegen Österreich vom Zaune bricht. War er doch erst ein Jahr zuvor in seiner Streitschrift "Antimachiavẹll" der Rechtfertigung einer Machtpolitik ohne sittliche Normen eifrig entgegengetreten. Dass er aber seinem Nachbarn die Mühle nie hätte weggenommen, lässt sich - bei aller gebotenen Vorsicht - aus seinem ambitionierten Bekenntnis ableiten, das er im Traktat "Über die Eigenliebe" ausführlich formuliert: Eine "mächtige Triebfeder ist die Eigenliebe, die Wächterin unserer Selbsterhaltung, die Schöpferin unseres Glücks, die unversiegliche Quelle unserer Tugenden und Laster, der verborgene Grund alles menschlichen Tun und Lassens." Und der Philosoph von Sanssouci fordert alle Weisheitslehrer dazu auf, den Menschen begreiflich zu machen "dass die Tugend ihr eigener Vorteil ist" und somit die Eigenliebe bedient. Es ist ihm um Genuss und Gewinn aus vernünftigem Handeln zu tun, zugegeben eine Vision. Für einen autoritären Monarchen bemerkenswert aber der Befund: "… denn jeder Mensch ist - so hoch er auch stehen mag - von Natur schwach und bedarf des Beistandes seiner Nächsten" - demnach also auch er. Nichts desto trotz pflegten die Nachfolger im Amt die Mühlenlegende nach Kräften. Auch der Zauderer in den Angelegenheit einer deutschen Verfassung Friedrich Wilhelm III. (1770-1840), der sich Gerechtigkeitsliebe und Volksnähe zugute hält, ist unter den Ruhmverkündern. Da konnte einer wie Heinrich Heine nicht stumm bleiben. In den "Französischen Zuständen" von 1831/32 schreibt er: "…solange er (Friedrich Wilhelm) die wohlverdiente, freie Verfassung seinem Volke vorenthält, kann ich ihn nicht gerecht nennen, und sehe ich die Windmühle von Sanssouci, so denke ich nicht an preußische Gerechtigkeitsliebe, sondern an preußischen Wind".
Text: - wn - / Stand: 01.03.2014

Adresse:
Historische Mühle von Sanssouci
Maulbeerallee 5
14469 Potsdam
Tel: 0331/ 55 06 851

Öffnungszeiten der historischen Mühle im Park von Sanssouci:


April - Oktober täglich 10 - 18 Uhr
November, Januar - März Sa und So 10 - 16 Uhr
Dezember geschlossen

Eintrittspreise Historische Mühle Potsdam:

(Auszug)
Erwachsene 3€
Kinder 6 - 14 Jahre, ALG II-Empfänger 1,50€
Kinder bis 6 Jahre freier Eintritt
Schüler, Studenten, Azubis, Arbeitslose 2€
Allg. Mühlenführungen
während der Öffnungszeiten 25€ zzgl. Eintrittspreis
außerhalb der Öffnungszeiten 35€ zzgl. Eintrittspreis

Wie man nach zur Historischen Mühle in Potsdam kommt:
Bus: Ab dem Potsdamer Hauptbahnhof benutzt man die Busse 695 oder X15. Die Buslinien 605 und 606 fahren zum Luisenplatz. Von hier sind es wenige Gehminuten bis zum südlichen Parkeingang von Sanssouci.

Straßenbahn: Die Linien 91 und 94 fahren vom Hauptbahnhof zum Park. Die Mühle befindet sich westlich des Schlosses.
 
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