Villa Schöningen: Die Renaissance des Hauses zwischen den Welten

Das ockerfarbene Haus im italienischen Villenstil am westlichen Ende
der Glienicker Brücke - das ist die Villa Schöningen.
Villa Schöningen in Potsdam
Die Villa Schöningen - Foto © wn
(Foto, rechts ein Endstück der nördlichen Brücken-Balustrade) Was aber hat diese kleine, einem kompakten Kasten ähnelnde Palazzina mit dem 175 Straßenkilometer entfernten niedersächsischen Schöningen zu tun? Der Grund: In dem fast 900 Jahre alten Städtchen nahe Helmstedt hat das Adelsgeschlecht derer von Scheynig seinen Ursprung. Einer der zahllosen Nachkommen dieser später im Pommerschen und in der heutigen Wojewodschaft Lebus verbreitet gewesenen Familie ist der Offizier Kurd Wolfgang Wilhelm Gustav von Schöning (1789-1859). Ein begünstigendes Schicksal machte ihn zum Namensgeber und für 14 Jahre zum Ernstbenutzer des Hauses im heutigen Potsdamer Stadtteil Berliner Vorstadt. Bis zum Bezug der Nobelherberge am Ufer des Jungfernsees lernte er manche prägende Tiefs und Hochs des militärischen Lebens kennen. 1806 war er dabei, als die Armee Napoleons den preußischen und sächsischen Truppen in der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt das Fürchten lehrte - ein Tiefpunkt deutsch-preußischer Geschichte, der allerdings die wichtigen Preußischen Reformen anschob. Wenige Wochen vor der Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813, dem entscheidenden Gefecht der Befreiungskriege, kämpfte er als Tirailleuroffizier (Sonderkämpfer außerhalb der Schlachtordnung) am Flusse Kaczawa (Katzbach) nahe Legnica, als die Generale Blücher und Gneisenau die französischen Truppen bezwangen. Es ist dasjenige Schlachtgetümmel, in dessen Verlauf das Sprichwort entstand: "Der geht ran wie Blücher an der Katzbach". Mit diesem lebensbestimmenden Erfahrungshorizont war der junge von Schöning ausgerüstet, im Übrigen gut aussehend, mit schmalem Gesicht und Augen, aus denen verhaltenes Schwärmertum und kritischer Geist sprach - und er hatte einen Faible für die Militärhistorie; war er doch Augenzeuge großer Geschichte geworden. Man bekommt vermutlich eine vage Vorstellung von den Gefühlsspitzen seines reichen Innenlebens, hört man Beethovens euphorische Siebente, die "Patriotische", in der der Jubel über das Ende der Napoleonischen Fremdherrschaft klanglichen Ausdruck findet.

Die Geschichte der Villa Schöningen


Der Leidenschaft des Dokumentierens militärischer Handlungen frönte er noch, nachdem er ab 1827 Marschall am Hof des Prinzen Friedrich Carl Alexander von Preußen war. Der Prinz, ein Sohn von König Friedrich Wilhelm III. und seiner schönen Frau Luise, hatte mit von Schöning nicht nur ein befähigtes Facility-Management, sondern auch einen Gesprächspartner und Reisegefährten gefunden. Zahlreiche noch heute auskunftsfähige Werke entstanden in diesen Jahren, darunter das "Leben des General-Feldmarschalls H(ans) A(dam) v. Schöning", eines Onkels, "Der Siebenjährige Krieg: nach der Original-Correspondenz Friedrichs des Großen mit dem Prinzen Heinrich und seinen Generalen" und die "Geschichte des 3. Dragonerregiments". Sein publizistischer Erfolg trug ihm den Ehrentitel eines "Historiographen der Armee" ein, aber auch offene Kritiken zeitgenössischer Rezensenten. Einer bekrittelte mangelnde Sachlichkeit: "Seine Schriften sind keineswegs … zuverlässig; häufig fehlt ihnen gründliche Forschung und geschichtliche Wahrheit, so dass bei ihrer Benutzung Vorsicht geboten ist." Ein anderer lobte gerade das, was dem ersten überflüssig schien: "Herr von Schöning stellt die That des braven Stangenreiters (Berittener auf einem Gespann-Pferd) dicht neben die seiner Generale - und so muss es sein". Nicht verwunderlich, dass der Autor auch bei dem schwärmerisch veranlagten König Friedrich Wilhelm IV., der ab 1840 regierte, angesehen war. Dessen Idee war es schließlich auch, an der Stelle des alten schmucklosen Hauses des Potsdamer Schiffbaumeisters Martin Friedrich Nüssoll am Brückenende und im Blickfeld des Schlosses Glienicke die Villa auf eigene Kosten zu bauen - selbstredend zur Verschönerung der Potsdamer Landschaft. Der Ankauf des Grundstücks kam schnell zustande, weil Nüssolls Haus aufgrund ungenauer Grundstücks-Abmarkung teilweise auf königlichem Gelände stand. Architekt und Schinkelschüler Ludwig Persius führte den Plan des Königs aus. Die Gebäudeflügel bilden - wie heute wieder eindrucksvoll zu sehen - ein asymmetrisches Ganzes und schaffen beim Betrachten des Hauses mit seinem niedrigen Turm außergewöhnliche Perspektiven. Eine Zinkgussfigur, die eine Minerva, Göttin der Weisheit und der Kriegsführung, darstellt, steht in einer Nische der Vorderfront. 1845 nun zog von Schöning ein. Sein Name taucht in der preußischen Geschichte noch einmal auf, als er von seinem Gönner den überraschenden Auftrag erhielt, einem Gerücht nachzugehen. Hartnäckig hatte es geheißen, der General von Einsiedel sei nach der überstürzten Rückkehr vom Böhmischen Feldzug im Zweiten Schlesischen Krieg (1744-1745), bei dem er zahlreiche Desertionen zugelassen habe, in einer Oktobernacht 1745 von einer "dunkel gekleideten Gestalt" im Keller seines Potsdamer Hauses geköpft und verscharrt worden. Von Schöning fiel es zu, nach Wiepersdorf zur letzten Ruhestätte von Einsiedels zu fahren und unter dem Westteil der Kirche die Gruftplatte zu heben. Beruhigend das Ergebnis: Der Körper des Toten lag an Ort und Stelle, mumifiziert und unversehrt.

In der Zeit nach 1945 spielt das Grundstück, auf dem die Villa Schöning gebaut war, für ihr weiteres Schicksal eine Ausschlag gebende Rolle. Nach einer Nutzung zunächst als Stützpunkt der Roten Armee, als Gewerkschafts-Büro und Kinderwochenheim (bis 1994) waren es 2007 die ehemalige Grenznähe und die Historizität der Glienicker Brücke draußen vor der Tür, die altruistische private Geldgeber bewogen, die Hausruine zu erwerben und für eine denkmalgerechte Wiederherstellung zu sorgen. Ein "öffentlicher Ort der Geschichte, der Kunst und der Freiheit" wurde geschaffen. Kernstück des eingerichteten privaten Museums ist die Dauerausstellung "Spione. Mauer. Kinderheim - An der Brücke zwischen den Welten". Sie wird ergänzt durch Kunstausstellungen, die sich im weitesten Sinne mit den Themen des Ortes beschäftigen - Kalter Krieg, Deutsche Teilung, Deutsche Einheit, 1989, Totalitarismus und Demokratie, Unfreiheit und Freiheit.
Text: -wn- / Stand 27.02.2014

Adresse:
Villa Schöningen GmbH
Berliner Straße 86
14467 Potsdam
Telefon: (0331) 200 17 39

Wie man zur Villa Schöningen in Potsdam kommt:
Von Potsdam Hauptbahnhof: Tram 93
Von Berlin:
S1 oder S7 bis Wannsee Bhf,
Bus 316 bis Glienicker Brücke

Öffnungszeiten der Villa Schöningen:


Donnerstag und Freitag 11 - 18 Uhr
Samstag und Sonntag 10 - 18 Uhr

Eintrittspreise:


Dauerausstellung 6 €
Kunstausstellung 4 €
Kombiticket 9 €
Studenten-Kombiticket 7 €
Kinder und Jugendliche unter 18 Jahre haben freien Eintritt.

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