Der Liepnitzsee in Brandenburg

Den einsamen Soldaten am Wolgastrand, der „Wache hält fürs Vaterland“, gibt es bekanntlich in Franz Lehars Operette „Der Zarewitsch“.
Der Liepnitzsee
Liepnitzsee im Winter - Foto © wn
Auf seinem Posten kommt der Mann am Fluss in regelrechte Liebesnot. Deshalb ruft er zum Herrgott hinauf: „Du hast im Himmel viel Engel bei dir! Schick doch einen davon zu mir.“ Auf solch einen blasphemischen Gedanken kam der Soldat des Ostberliner Dzierzynski-Regiments selbstredend nicht, obwohl auch er auf schwierigem Außenposten stand: an einem Strandabschnitt des Liepnitzsees, der sich 28 km nordöstlich von Berlin ins Barnimer Land hineinschmiegt. Und wenn sich über das Grundmoränenplateau der Abend gelegt hat, mag es am Liepnitzsee wie an der Wolga sein: “In dunkler Nacht allein und fern, / Es leuchtet ihm kein Mond, kein Stern“. Der junge Genosse stand – jedenfalls nach dem Verständnis seiner Häuptlinge – stramm auf Friedenswacht. Tatsächlich hatte der Soldat für die persönliche Sicherheit von Stasi-Größen zu sorgen, die nach aufwändiger Überwachung eines zu Teilen unzuverlässigen Staatsvolkes auf dem abgesperrten Uferabschnitt nun Entspannung suchten.

Waldbad am Liepnitzsee


Mit der selbstherrlichen Nutzung dieses nordwestlichen Seeuferstücks hatte in den 50er Jahren der damalige Erste Sekretär der SED Walter Ulbricht begonnen. Hingestellt wurden riedgedeckte Hütten, ein Bootshaus sowie Sanitär- und Versorgungstrakte – selbst nach DDR-Liegenschaftsrecht schwarz gebaut. Aus dem Funktionärsidyll entstand nach 1989 das heute viel besuchte Waldbad mit Gastronomie, Bootsverleih und Planschbecken für die Kinder. Der See mit seinem 34 Hektar großen Werder, der einem emporgewachsenen Bergrücken gleicht, war ab dem Beginn des 20. Jahrhunderts beständiges Ausflugsziel naturhungriger Berliner. Alles was auf dem Gebiet des frohgemuten Wanderns Rang und Namen hatte – vom Bund "Alt-Wandervogel" über die Anhänger der Freikörperkultur bis hin zur „Gesellschaft für Leibesübung und Volkswohlfahrt“ –, bevölkerte den acht Kilometer langen Uferpfad mit seinen Schatten spendenden Rotbuchen oder lagerte auf der Insel.

Seit jeher ist der See mit seinem außergewöhnlich sauberen Wasser für Motorboote gesperrt. Lediglich eine Barkasse darf ihn befahren. Das kleine Gefährt bringt heute die rund 90 Dauercamper sowie die Tagesbesucher auf den Werder und zurück. Schon über 20 Jahre bedient Fährmann Dieter Heymann die 300 Meter lange Strecke von den Anlegestellen Ützdorf Nord und Südufer hinüber zum Werder. Das Fahrzeug heißt übrigens Frieda, benannt nach „Friedchen“ Frieda Nikolaus, der Enkelin eines Insel-Pächters, die 1921 auf dem Werder zur Welt kam und der Ruhe wegen immer noch dort wohnt.

Die Zeit scheint stillzustehen am See, was den Berliner Heimatdichter Paul Wernicke (1849-1931) einstens zu emphatischen Worten hinriss wie „Leuchtend glühet im Abendglanz / Rings um den See der Buchen Kranz“. Und tatsächlich unterbricht selten ein exorbitantes Geschehnis das stille Leben: einmal war es der Herzinfarkt eines Rentners, der mit Frieda von der Insel zum Festland transportiert und gerettet wurde, der bedauerliche Suizid einer lebensmüden Studentin, die mit Steinen im Rucksack ins Wasser sprang oder die Fahndung nach dem Spitzbuben, der sich auf der Insel zu verstecken suchte.

Wandern am Liepnitzsee


Wer, ohne gesucht zu werden, zum Werder übersetzt, wird erst einmal die über ein Jahrhundert alte Insulanerklause besuchen, ein Gartenlokal unter mächtigen Linden und Kastanien mit ausgreifenden Ästen. Hier wechseln sich im Jahresverlauf diverse Faßbieranstiche, Eisbeinessen, Brunchs und Sommerpartys einander ab. Gelegentlich wird bei solchen Lustbarkeiten die Geschichte von der plötzlich verschwundenen Orientierungstafel erzählt. In den 80er Jahren sorgte die nahe der Försterei aufgestellte Tafel mit Wanderhinweisen für Aufsehen. An die Stelle des nicht eingezeichneten, weil konspirativen Funktionärsghettos hatten, wie anders, feindlich-negative Wanderer mit wetterfester Farbe das Wort Bonzenort eingetragen. Nachdem das Corpus delicti schnellstens übermalt worden war, kam nach Tagen wie bei einem Marienwunder das inkriminierte Wort erneut zum Vorschein. Als sich Übermalung und Neueintrag mehrfach abgewechselt hatten, wurde das Tafel-Wunder schließlich behördlich entfernt. Damit galt auch am Liepnitzsee wieder der Orwellsche Grundsatz: Was nicht verzeichnet ist – das kann es folglich auch nicht geben.

Anfahrt zum Liepnitzsee:


Mit der Bahn - S 2 oder Regionalzüge bis Bernau, auf dem Radweg R1 oder mit dem Bus 903 bis Ützdorf. Oder Regionalbahn 27 bis Berlin-Karow nach Wandlitzsee. Mit dem Auto: auf der A11 bis Abfahrt Lanke, in Lanke Richtung Ützdorf. Parkplätze in Ützdorf oder an der B 273.
Text: -wn- / Stand: 15.07.2014

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