Fouqués Schloss Nennhausen : Beim "märkischen Don Quijote"

Das Geheimnis des Schöpferischen liege in der Bewahrung der Jugend, das der Genialität in einer bis ins Alter dauernden Kindheit.
Blick auf das Schloss Nennhausen
Schloss Nennhausen vom Park aus gesehen
Foto © -wn-
Der lebenswahre Befund des russischen Religionsphilosophen und Kunstwissenschaftlers Pawel Alexandrowitsch Florenski (1882-1937) könnte auf den ersten Blick auch für den aus der Stadt Brandenburg gebürtigen hugenottisch-deutschen Dichter Friedrich Heinrich Karl Baron de la Motte Fouqué (1777-1843) gelten. Es schien, als habe sich bei ihm kindliche Unbefangenheit erhalten, die Fähigkeit zum Staunen - vor allem aber eine euphorische Verehrung des Ritters als mutiger Bringer von Gerechtigkeit, gemischt mit einem ordentlichen Quantum an patriotischem Gefühl.
Adresse:
Schloss Nennhausen
Fouqué-Platz 4
14715 Nennhausen
Tel: 033 878/ 60 505

Wissenswertes über das Schloss Nennhausen


Ein Teil seines Lebens fällt in die Zeit der Befreiungskriege von 1813/14, in denen auch er gegen Bonapartes Truppen kämpft. Mit siebzehn ist er bereits Fähnrich, nimmt 1794 am ersten Koalitionskrieg gegen Frankreich teil. Über seinen Großvater, den General Ernst Heinrich August de la Motte Fouqué (1698-1774) ist er mit dem preußischen Herrscherhaus eng verbunden, wird immer wieder zu Festen eingeladen. Seit den Rheinsberger Tagen war der Ahn ein enger Freund des Alten Fritz - was immer das bedeuten mag. Die Intimität von General und Monarch war so profiliert, dass der König später dem alten Fouqué zum Neujahr 1766 einen Lehnstuhl schenkte, "den Sie nach Belieben hoch und niedrig stellen können", wie es im Beischreiben heißt.
Es verwundert nicht, dass der junge Fouqué von militärischen Unternehmungen wie dem Siebenjährigen Krieg begeistert ist. Hier waren nach seinem Gefühl Ritter unterwegs, die sein Denken fürderhin beherrschen. In der (in dritter Person Einzahl verfassten) Autobiografie heißt es, es "(waltete) in des Knaben phantastischen Spielen stets ein preußisches Element. Mehrst freilich athmete er in der Ritterzeit… das Ritterthum blieb die Hauptsache". Die aus der Kindheit ins Erwachsenenalter mitgenommene Liebe zu den berittenen Galanen mit Rüstung, Lanze und vaterländischem Gedankengut hält nicht nur an; sie ist sein Thema - leider eben lebenslang.
Diese Liebe weht einem aus der Märchennovelle "Undine" an, dem einzigen berühmt gewordenen Werk, in dem neben der Wasserfrau Undine der Ritter Hugo von Ringstetten den Hauptpart innehat. Den vom Arzt und Philosophen Paracelsus (1493-1541) übernommenen Undine-Stoff bringt Fouqué im Schloss Nennhausen bei Rathenow zu literarischer Reife. Von 1803-1833 lebt er mit seiner Frau Caroline, eine Schriftstellerin auch, in dem Haus und entwickelt es zu einem "Märkischen Musenhof". Berliner Dichter und Philosophen der Romantik scheuen die beschwerliche Postreise hierher nicht.
Denn noch ist er berühmt. Die 1811 erschienene "Undine" regt fünf Jahre später den Schriftsteller und Komponisten E. T. A. Hoffmann (1776-1822) zur gleichnamigen Oper an, Albert Lortzing (1801-1851) bringt seine Version 1845 auf die Bühne. Und hinter dem Schloss erstreckt sich der weitläufige Park mit seinen alten Eichen, die in der "Undine"-Geschichte und in anderen romantischen Texten Fouqués immer wieder auftauchen. Hier sind es die "Zweige hochverschlungener Bäume", dort "(aechzten) die Bäume der Landzunge von Wurzel zu Wipfel hinauf, und beugten sich wie schwindelnd über die reißenden Gewässer". Unter den Nennhausener Park-Riesen soll die Idee zu einem Projekt entstanden sein, das man später uneingeschränkt der Weltliteratur zugerechnet hat: die Erzählung vom Pechvogel, der auf einem Gartenfest von einer grauen Teufelsadaption den nie versiegenden Geldbeutel "Fortunati Glückssäckel" erhält und dafür seinen Schatten, seine Seele gibt - das Kunstmärchen "Peter Schlemihls wundersame Geschichte". Sein Autor Adalbert von Chamisso (1781-1838), ein beliebter "französischer Deutscher" und Botaniker, sei mit dem befreundeten Fouqué einmal durch den Park spaziert. Chamissos Verleger Wilhelm Rauschenbusch weiß zu berichten: "Die Sonne warf lange Schatten, so dass der kleine Fouqué nach seinem Schatten fast so groß aussah als der hochgewachsene Chamisso. Sieh, Fouqué, sagt da Chamisso, wenn ich dir nun deinen Schatten aufrollte und du ohne Schatten neben mir wandern müsstest? Fouqué fand die Frage abscheulich und reizte dadurch Chamisso, die Schattenlosigkeit neckisch weiter auszubeuten (zu diskutieren)."

Während Chamissos Geschichten nah am Leben bleiben, zum Beispiel im bewegenden Gedicht über eine verwitwete Berliner Waschfrau, die sich trotz Fleiß und "heiterem Mut" zum Leben erniedrigen muss und betteln geht - bleibt Fouqué seinen Rittern auf den Fersen und richtet den Blick trotzig ins Vergangene zurück. Heinrich Heine, der ihm zunächst sehr wohlwill, kritisiert ihn schließlich scharf. "In der Tat, dieser beständige Singsang von Harnischen, Turnierrossen, Burgfrauen, ehrsamen Zunftmeistern, Zwergen, Knappen, Schloßkapellen, Minne und Glaube, und wie der mittelalterliche Trödel sonst heißt, wurde uns endlich lästig", schreibt er 1836 in seiner literatur-theoretischen Schrift "Die romantische Schule". Die Zeit, in der "Fouqué von der Herzogin bis zur Wäscherin mit gleicher Lust gelesen wurde und als die Sonne der Leihbibliotheken strahlte", läuft gegen Ende seines Lebens ab, wie Heine weiter notiert.
"Als Fouqué 1833 das Havelland für immer verließ, hatte er fast 3o Jahre in ihm gelebt, 3o davon schreibend; in seinen Werken aber war es so gut wie nicht erschienen. Das Havelland war die Wirklichkeit. Aus ihr aber war Fouqués Dichtung nicht gemacht, sondern aus Träumen", resümiert der Schriftsteller Günter de Bruyn 1984 in einem maßvoll urteilenden Essay. Zumindest aber die "Undine" macht den "märkischen Don Quijote" (de Bruyn) unvergesslich. Wer sich heute auf den lohnenden Weg zu einem Konzert, einer Lesung oder einer Parkführung nach Nennhausen macht, wird dort allerdings wenig finden, das an Fouqué erinnert; allenfalls seinen alten Säbel aus den Befreiungskriegen, der in der Kirche hängt, auch einen Fouqué-Platz gibt es, in dessen Nähe die Bäckerei von Meister Olaf Thonke zum Verweilen einlädt. Dass der Bäcker einen mit dem "Goldenen Preis für Spitzenqualität" der Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) prämierten Mohnkuchen mit Streusel anbietet, steht mit dem Dichter in keinem direkten Zusammenhang. Sollte die Bäckerei sich einmal entschließen, den Schlossbesuchern auch eine Köstlichkeit wie in Butterschmalz gebratene, mit einer Zimt-Zucker-Mischung bestäubte und "Arme Ritter" genannte Weißbrotscheiben zu kredenzen - Fouqués Geist würde schnellstens unter ihnen sein.

Wie man nach Nennhausen kommt:
Von Berlin aus empfiehlt sich die Bundesstraße B5. Ca 4,5 Kilometer nach der Gemeinde Ribbeck biegt man links auf die Straße L99 ein und wechselt später auf die Straße 991 nach Nennhausen. Das Schloss ist neben dem Herrenhaus Paretz das bisher einzige wieder hergestellte Ensemble von Schloss und Park im Havelland. Es wird privat genutzt; mit zahlreichen öffentlichen kulturellen Veranstaltungen soll die von Fouqué begründete musische Tradition des Hauses wieder belebt werden.
Text: -wn- / Stand: 21.06.2014

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