Im Lebuser Oderland: Wulkows Wüstung wurde widerstanden

Vorschreiter, Mitläufer und Spitzel sowie vor allem viele Leute, "die einfach da wohnen" (Heinz Kahlau) - das war die gelobte Menschengemeinschaft der DDR; eines bedingten sich die Kastellane
Wulkow bei Booßen
Foto © -wn-
des Zwangsglücks aus: Niemand verlässt das Terrain - ein Wunsch, dem Hunderttausende späterhin nicht folgen wollten. Im 220-Seelen-Weiler Wulkow bei Booßen im Lebuser Oderland mit seinen malerischen Teichen, Mooren und Wäldern sowie der nahen, zu Launen neigenden Flussniederung lagen die Dinge diametral. Froh wären die Instanzen damals über jeden Dörfler gewesen, der der recht unansehnlichen Gemeinde mit ihrer - noch heute auf Instandsetzung wartenden - Schlossruine den Rücken gekehrt haben würde.
 
Sehenswürdigkeiten in Wulkow:
  • Dorfkirche
  • Herrenhaus mit Park
  • Grufthaus
  • Zugehörigkeit von Wulkow:
  • Landkreis: Märkisch-Oderland
  • Stadt: Lebus
  • Ort: Wulkow
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    Wissenswertes über Wulkow

    Spätestens seit 1984 rangierte Wulkow auf Nummer sechs der bis Sieben reichenden Skala der Siedlungskategorien. Das hieß: keine Staatsknete für Investitions- und Restaurierungsarbeiten geschweige für den Straßenbau. Der Ort fiel dem Schicksal des "Leerwohnens" anheim. Wulkows Wüstung schien besiegelt. Zu dumm auch: Keine - aus damaliger Sicht - prominente Adresse im Ort bremste die Behörden. Kein Adolf Hennecke erblickte hier das Licht der Welt, dem man nach einer organisierten Schicht zum Edel-Bergmann ausrief, auch kein zum Literaten emporgestiegener proletarischer Lobliedsänger - nichts als normale Leute weit und breit. Und der Mann von gewisslich überragender, wenn auch widersprüchlicher Bedeutung, der dem Dörfchen seit August 1795 ein wenig historisches Flair verleiht, war in der DDR lange Jahre Unperson: Preußenkönig Friedrich II. (1712-1786). Der im dritten Schlesischen Krieg (1756 bis 1763) in die politische Isolation geratene Regent hatte sich nachweislich vom 7. bis 10. August 1759 in einem Wulkower Bauernhaus einquartiert, um von dort mit 49000 Mann gegen die verbündeten russischen und österreichische Streitkräfte ins Feld zu ziehen. Friedrich ahnte Böses. An seinen Kabinettsminister Graf Finck von Finckenstein schrieb er aus Wulkow: "Leben Sie wohl, mein Lieber. Binnen kurzem werden Sie entweder ein De profundis (einen Nachruf) oder ein Te deum (Lob und Dank) anstimmen." Fast wäre der Nachruf fällig gewesen. Am 12. August tobte wenige Kilometer jenseits der Oder, im Kuhgrund nahe dem heutigen polnischen Kunowice die Schlacht bei Kunersdorf. Das Heer des "Philosophen von Sanssouci" wurde völlig aufgerieben; und Majestät selbst wäre um ein Haar erschossen, zumindest gefangen genommen worden - seine schmählichste Niederlage.

    Erstaunlicherweise hat sich dieser Mann, der unendliche Summen in Kriege steckte, die zahllosen Menschen das Leben kosteten, auch beim Urbarmachen ausgedehnten Brachlandes verdient gemacht. Unter seiner Herrschaft entstanden in Preußen rund 800 neue Dörfer und Flecken. Das heute über 650 Jahre alte Wulkow gab es schon. Aber dass in den 1980er Jahren Wulkows Wüstung gestoppt werden konnte, hat wohl auch mit einem so beharrlichen Wollen zu tun, das Friedrich seinen Untertanen, darunter den Märkern, zuschrieb. Sie seien, schreibt er, "brav und abgehärtet, nicht zur Leckerei geneigt" (der Satz geht freilich weiter: "aber zum Trunke"). Genau eine solche Festigkeit muss die damalige Wulkower Bürgermeisterin Marianne Schmidt besessen haben, als sie erfolgreich die staatliche Ausblutungsabsicht mit einer informellen Bürgerinitiative zu unterlaufen suchte. Auf der Agenda stand besonders Nachbarschaftshilfe mit dem Ziel, die Wohnsubstanz so gut wie möglich zu erhalten. Nach 1989 ließ sich zumindest eine kleine Initiativgruppe nicht die Butter vom Brot nehmen, als die neu gewonnene politische Freiheit zunächst mit massiver Arbeitslosigkeit, dem Verschwinden von Konsum, Post und Kneipe in Erscheinung trat. Die Antwort der Gruppe und bald weiterer Wulkower: "Die Marktwirtschaft kommt - Wir machen Markt im Dorf." Marianne Schmidts Ehemann Bernhard, ein Forstwissenschaftler, kaufte den alten Kornspeicher neben der Schlossruine und machte ihn zum Herzstück der ökologischen Dorferneuerung. Es entstand ein ländliches Handelshaus mit einem Erdgeschoss aus Naturstein, zwei Backsteigetagen und einem hölzernen Obergeschoss - ein Zentrum zur Vermarktung von lokalen und regionalen Produkten. Der Ökospeicherverein als geistiges Zentrum und mehrere gewerbliche Betriebe sind nunmehr treibende Elemente im Ort. Der zugezogene Schweizer Diplom-Ingenieur Martin Merk bewirtschaftet mit seiner Frau einen 170 Hektar großen Demeter-Hof auf dem ehemaligen LPG-Gelände sowie ein Planungsbüro für erneuerbare Energie. Eine Hackschnitzel-Feuerungsanlage, das Kernstück der lokalen Energierevolution, beheizt mehrere Häuser im Ortszentrum. Etabliert hat sich ein Landschaftspflegebetrieb, der Alleen und Hecken betreut.

    1993 erklärte die Potsdamer Regierung Wulkow zur ökologischen Modellgemeinde. Im Jahr darauf gab es den angesehenen Bundesumweltpreis. Das Preisgeld floss in ein Projekt, mit dem das Dorf europaweit bekannt wurde: mit dem Ufo, dem einzigen Niedrigenergiehaus dieser Art in Deutschland, dessen Energiebedarf überwiegend aus Sonnenenergie und Erdwärme gedeckt wird. (Foto). 280 Quadratmeter Wohnfläche stehen auf zwei Etagen zur Verfügung, ein großer Raum unten, darüber drei Doppelzimmer sowie Küche und Bad. Entworfen wurde das Ufo von einem französischen Architekten, gebaut als internationales Seminarzentrum, in dem man auch Urlaub machen kann. Als Angestellter der Küstriner Kriegs- und Domänenkammer, einer Provinz-Behörde zur Klärung von Polizei- und Wirtschaftssachen, kam der 19jährige Kronprinz, der spätere Friedrich II., 1731 durch Lebus und Wulkow. "Ich bin diese Woche in Lebus gewesen, wo ungemein schön Land herum ist … (hier) soll sich jetzunder ein weisser Hirsch aufhalten, welcher von acht Enden sein soll", schrieb er begeistert an seinen Vater. Vielleicht entschließt sich Speicherwirt Olaf Hennes bei einer möglichen Dependance des "Café Hennes" im Ökospeicher mit dem weißen Hirsch und dem jungen König ein bisschen Renommee zu machen.

    Wie man nach Wulkow kommt:
    Von Berlin aus folgt man der Bundesstraße 1 bzw. 5 Richtung Frankfurt/Oder. In der Gemeinde Booßen geht links die Straße nach Wulkow ab. Im Sommer und in der Adventszeit ist der Markt vor und im Speicher an Sonnabenden geöffnet. Wulkow bei Booßen ist nicht zu verwechseln mit dem 30 Kilometer nördlich liegenden Wulkow bei Trebnitz nahe Neuhardenberg. Text: -wn- / Stand: 11.06.2014



     
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