Die Stadt Luckenwalde: "Seht, was aus uns geworden ist!"

Ist heute von "guter alter Zeit" die Rede - dann weiß man: Es wird mal wieder - nicht
Heimatmuseum in Luckenwalde
Das Luckenwalder Heimatmuseum - Foto: © - wn -
selten verhalten sehnsuchtsvoll - vom unwiederbringlich Vergangenen erzählt. Kommen gar die vier DDR-Jahrzehnte und gelebtes Leben dort ins Spiel, braucht man nicht lange auf den eigensinnigen Satz zu warten: "Es war nicht alles schlecht". Obwohl: Nicht jede Rückschau muss falsch sein, gab es doch tatsächlich auch "richtiges Leben im falschen", was der Soziologe Theodor W. Adorno (1903-1969), der diesen Kontrast erfand, aufs Heftigste bestritt. Doch das elegische Erinnern ruft den Meister Petz ins Gedächtnis, den Zauderer aus dem Gedicht "Bär aus dem Käfig entkommen" von Joachim Ringelnatz (1883-1934). Besagtes Tier lehnt nach einigen Lebensversuchen in der unverlangt eingetretenen Meinungs- und Bewegungs-Freiheit ein selbstbestimmtes Leben ab. Der verwirrte Bär sehnt sich stattdessen "nach seines Käfigs Stangen". Hatte er doch hinter diesen ein Grundrecht auf täglich dargereichte Nahrung und zwischendurch auf kleine Extras wie Obst, Honig und auf andere Leckereien. Seinen elementaren Bedürfnissen wurde entsprochen. Gelegentlich erhielt er sogar die Erlaubnis zu einem befristeten Aufenthalt im benachbarten Gehege.
 
Sehenswürdigkeiten in Luckenwalde:
  • Fläming Therme
  • Tierpark Luckenwalde
  • St. Johannis-Kirche
  • Heimatmuseum
  • Locations & Firmen in Luckenwalde:
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    Geschichte der Stadt Luckenwalde

    Von einer guten alten Zeit könnten auch die heute rund 20000 Einwohner der Kreisstadt des Landkreises Teltow-Fläming Luckenwalde erzählen - wenn sie sie erlebt hätten. In der Zeit des grandiosen Aufbruches vom 17. bis ins 19. Jahrhundert hinein waren sie noch nicht geboren. Es sind jene Jahre, in denen der rauchige Fabrikschornstein - wie es hieß - ein "Stylit (Säule) des Gewerbefleißes" war. Die Stadt mit bedeutender Geschichte, mit der ihre Gegenwart - jedenfalls derzeit - kaum mithalten kann, liegt auf einer vom Nuthe-Fluss durchströmten kleinen Landnase, mit der sich das Baruther Urstromtal nach Süden in die Altmoränenplatten der Fläming-Höhen wie in einer Laune hineinbeult. In der Familie des märkischen Intensiv-Wanderers Theodor Fontane scheint die Stadt nicht in hohem Ansehen gestanden zu haben. Es gibt einen Grund: Am 29. Mai 1855 bringt seine Frau Emilie (1797-1869) auf der Durchreise hier den Sohn Hans Ulrich, ein Siebenmonatskind, zur Welt. Das Kind stirbt elf Tage später. Im Oktober 1874 wird Emilie zudem Luckenwalde und Umgebung zum Synonym für langweilige Gegend machen. Im Tagebuch berichtet sie von einer Zugreise am 3. Oktober von München nach Verona: "Der Zug ging .... um 9 Uhr 10 Minuten. Anfänglich höchstens Gegend á la Luckenwalde; erst bei Rosenheim wird es schön ..."

    Schweres Beginnen nach den Dreißigjährigen Krieg


    Schade, dass sie einen so nachteiligen Ausdruck findet; denn dabei ist Luckenwalde
    St. Johanniskirche in Luckenwalde
    Die St. Johanniskirche, dahinter der Marktturm - Foto: © - wn -
    (mit seiner schönen, waldreichen Umgebung) eine Stadt, von der man sagen kann, sie habe sich einmal fast am eigenen Schopf aus dem Sumpf gezogen - hier in den Trümmern des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) wieder aufgerichtet. Der Dichter Andreas Gryphius (1616-1664) beschreibt in seinem Gedicht "Thränen des Vaterlandes" die unermesslichen Schäden dieses Krieges vor allem an seelischer Substanz der Überlebenden: "Wir sind doch nunmehr ganz, ja mehr denn ganz verheeret!" Und es endet so: "Doch schweig ich noch von dem, was ärger als der Tod, / Was grimmer denn die Pest, und Glut und Hungersnot, / Dass nun der Seelen Schatz so vielen abgezwungen." Unter solchen Auspizien beginnt auch in Luckenwalde in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ein zunächst bescheidener industrieller Aufschwung.
    Auch wenn von Preußenkönig Friedrich Wilhelm I. (1688-1740) meist nur erzählt wird, dass er eine Armee aus Langen Kerls liebte und dass er seinen Sohn Friedrich wegen Buchbesitzes grün und blau schlug, ja ihn nach dessen Fluchtversuch im Jahre 1730 köpfen lassen wollte - dieser brutale, bigotte, bildungsferne König ist die treibende Kraft beim Wiederaufbau zerstörter märkischer Orte. Dabei war er in den Methoden nicht wählerisch. Das Landbuch der Mark Brandenburg schreibt in Ausgabe 1856: "In Stendal fand er (der König) 365 wüste Feuerstellen (zerstörte Häuser); er belohnte jeden, der hier ein neues Haus baute, mit einem Amt oder Titel, selbst als Obergerichtsrath, Advokat, Bürgermeister, gab auch Geld her, z.B. 26.000 Thaler Lichen (Lychen), 30.000 für Templin ..." Den Ansiedlern, woher sie auch immer kamen, versprach er 15 Jahre Steuerfreiheit. Es heißt, 1725 hätten zahlreiche Städte bereits ein weitgehend neues Gesicht gehabt.

    In Luckenwalde entwickelte sich auf Initiative des Königs besonders eine Tuchindustrie. Das Landbuch vermerkt, eine Fabrikstadt sei der Ort an der Nuthe geworden. In und bei Luckenwalde erblicke man "gleichsam einen Wald hoher Feueressen, deren jede Zeugniß gibt vom Dasein eines jener wunderbaren Rüstzeuge, in denen ein unfühlbarer, nur sichtbarer Körper auf geheimnisvolle Art die wundersamsten (Produktions-)Wirkungen hervorbringt". Theodor Fontane (1819-1898) geht in den "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" auf die Wandlung Luckenwaldes von der Ackerbürger- zur Industriestadt ein: "... wann sich der Umschwung ... zu vollziehen begann, ist nicht genau mehr zu bestimmen. ... (die Stadt) war ... noch Luch im Wald, als die Mönche von Kloster Zinna kamen und eine christliche Kirche neben dem heidnischen Wartturm bauten; aber Luch im Walde wurde Luckenwalde in demselben Augenblick, wo König Friedrich Wilhelm I. sich ins Mittel legte und der erste Webstuhl voigtländischer Weber in Luckenwalde zu klappern begann. Das Mittelalter war hin und die Neuzeit fing an."

    Die Nutzung der Dampfkraft "auf seine Wollspinnerei und gesammte Fabrik-Tätigkeit ... hat Luckenwalde seinen Ruf als Fabrikstadt zu verdanken, einen Ruf, der über den Ocean hinweg überall da hallt und schallt, wo nach den Bedürfnissen des Klima Thierwolle zur Bekleidung des Menschen dient" schreibt das Landbuch. Auch mahnt es: "Mögen ... die Genossen des ehrenwerthen Luchwaldenser Tuchmacher-Gewerks stets in Dankbarkeit und Demuth des bescheidenen Anfangs eingedenk bleiben". Das Gesetz der Gewerbefreiheit von 1810 im Rahmen der Stein-Hardenbergschen Reformen habe die Stadt "zu einer der gewerbereichsten Städte der Mark Brandenburg und des ganzen Preussischen Staates" gemacht. Die Industrialisierung führte zur Verdreifachung der Bevölkerungszahl. 1780 lebten hier 2394 Menschen, am Ende des 18. Jahrhunderts 3472 und Mitte des 19. Jahrhunderts nahezu 7500 Menschen.

    Eine Luckenwalder Braut "mit großem Portemonnaie"


    In der zeitgenössischen Lyrik wird die Stadt als Ort geschildert, in dem man unter Umständen eine betuchte Frau finden kann. Im Band "Die zehnte Muse" schildert der Schriftsteller Maximilian Bern (1849-1923) ironisch die intensive Suche eines jungen Assessors nach einer mitgiftreichen Braut:

    "So rettete der Freund auch balde
    Mit kühnem Sprung sich in die Eh'.
    Ein Fräulein zart aus Luckenwalde
    Besaß das große Portemonnaie."

    Theodor Fontane wird noch deutlicher beim Schildern der wirtschaftlichen Potenzen des Brandenburger Landes, darunter der Stadt Luckenwalde. Einem im Todesjahr 1898 erschienenen Gedicht über die Produktvielfalt der brandenburgischen Wirtschaft im 19. Jahrhundert gibt er die bemerkenswerte Überschrift "Land Gosen". Man vermutet einen Hinweis auf die heutige Gemeinde Gosen-Neu Zittau im Landkreis Oder-Spree. Das ist offenkundig falsch. Dieses Gosen ist ein Synonym für Wohlhabenheit. Der Begriff führt in biblische Zeiten und geht auf einen von der Natur begünstigten Landstrich östlich des Nildeltas und unterhalb Kairos zurück. Hier begannen die ehemals eingewanderten israelischen Hirtenstämme unter Führung des Stammvaters Jakob ihre Rückwanderung nach Palästina. Und so schildert Theodor Fontane die "gosenschen Zustände" in der Mark:

    "Oft hör' ich: Unsre gute Stadt
    Augenscheinlich eine Verheißung hat,
    Der Himmel, der uns so hegt und pflegt,
    Hat uns alles wie vor die Türe gelegt ...

    Im Warthebruch Gerste, Graupen und Malz,
    In Kienbaum Honig, im Havelland Milch,
    In Luckenwalde Tuch und Drillch,
    Bei den Werderschen Kirschen und Aprikosen
    Und bei Potsdam ganze Felder von Rosen.
    Nichts entlehnt und nichts geborgt,
    Für Großes und Kleines ringsum (ist) gesorgt ..."


    Aus der "Tuch und Drillch"-Zeit gibt es unter den sogenannten Luckenwalder "Zwölf Schätzen" ein Exponat, ein evangelisches Kirchen-Gesangbuch aus dem 19.
    Marktturm in Luckenwalde
    Das Wahrzeichen von Luckenwalde: der Marktturm
    Foto: © - wn -
    Jahrhundert. Alle zwölf weltlichen Reliquien sind im Heimatmuseum in der Poststraße zu sehen. In den Vitrinen sind unter anderem ausgestellt: die abgewetzte silberfarbene Spitze einer Fahnenstange, an der einst ein blaues Banner der Freien Deutschen Jugend (FDJ) flatterte, zwei Flaschen Whiskey der Luckenwalder Firma Falckenthal mit Originalverschluss, ein alter Schwarzweißfilm über die Feierlichkeiten zum 15. Jahrestag der DDR in der Stadt, ein geschnitztes Stechpaddel für ein papua-neuguineisches Auslegerkanu, das an den Missionar der Gossner Mission Carl Wilhelm Ottow (1827-1862) aus Luckenwalde erinnert. Viel beachtet wird der grün-schwarz-braun gestreifte Strickpullover von Rudi Dutschke (1940-1979), der seine Jugendjahre hier verbrachte und in der evangelischen Jungen Gemeinde der Stadt mitarbeitete. Er floh 1961 in die BRD. Rudi Dutschke machte sich dort als marxistischer Soziologe und als Studentenführer vor allem gegen den Krieg der USA in Vietnam einen Namen. Die rechtsextreme Deutsche National-Zeitung titelte im April 1968 "Stoppt den roten Rudi jetzt". Den Artikel mit dieser Aufforderung fand man in der Tasche des festgenommenen Eisenwerkes Josef Erwin Bachmann (1944-1970), der auf Rudi Dutschke ein Attentat verübte.

    Das "Rote Luckenwalde" der 1920er Jahre


    Rudi Dutschke begründete seine Vorstellungen von einer (sehr radikal) veränderten bürgerlichen Gesellschaft auch mit den erfolgreichen Kämpfen der deutschen Arbeiterbewegung. Naheliegend ist, dass er dabei auch die 20er Jahren in seiner Heimatstadt Luckenwalde im Auge hat. Denn nach dem Ende der Großkatastrophe des Ersten Weltkrieges (1914-1918) erwirbt sich die Stadt einen weiteren Ruf - als das "Rote Luckenwalde". Der Buchautor und Direktor des Heimatmuseums Luckenwalde Roman Schmidt (geb. 1963) prägte diese Wortfügung in seinem reich bebilderten geschichtlichen Abriss "Luckenwalde".
    Die Stadt galt z.B. in den 1920er Jahren als der Ort, an dem gemessen an der Bevölkerungszahl "die gewaltigstem Maifeiern von ganz Deutschland" abgehalten wurden. Roman Schmidt weist darauf hin, dass mit der Industrialisierung der Textilmanufakturen in der Stadt auch die ersten proletarischen Selbsthilfeorganisationen entstanden. Der bereits 1868 gegründete Luckenwalder Arbeiterverein war ein maßgeblicher Vorreiter der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). Von 1919 bis 1933 errang die SPD bei den Stadtverordneten-Wahlen die absolute Mehrheit. Die Mitglieder der später gegründeten KPD-Ortsgruppe waren eine Minderheit. In einem Polizeibericht über eine eröffnete Schankstätte des Konsumvereins "Vorwärts" heißt es: "...diese Locale sind die eigentlichen Brutstätten der Sozialdemokratie. Hier verkehrt die unterste und gefährlichste Klasse des Fabrikarbeiterstandes."

    Nach dem Zweiten Weltkrieg gingen rund 90 Prozent der Luckenwalder Industrieanlagen als Reparationen in die Sowjetunion. Luckenwalde bestätigte jedoch bald wieder seine Rolle als ein wichtiger Industriestandort. Zu den traditionellen Gewerken kamen Betriebe hinzu, die Betonelemente, Wälzlager, Schaltelemente und Fernsehgeräte produzierten. Gebaut wurden eine Volltuchfabrik, Werke zur Produktion von Wälzlagern, Bauelementen, Feuerlöschern, Hüten, Schuhen, Pianos, Möbeln und Papieren. 1974 frohlockten nach zentraler Vorgabe die örtlichen SED-Propagandisten: "Seht, was aus uns geworden ist!" Die Losung zur Herzensstärkung der ansässigen Bevölkerung bestätigte zunächst den tatsächlichen wirtschaftlichen Aufschwung im Lande.
    Die wenigsten konnten absehen, dass er vorübergehend war und in Staatsschulden endete. Zur Erfolgsgeschichte der DDR-Wirtschaft gehörte der Bau des 140 Kilometer östlich Luckenwaldes gelegenen Eisenhüttenkombinats Ost in Stalinstadt (heute ArcelorMittal Eisenhüttenstadt). 1969 publiziert der Reclam Verlag eine euphorische Erzählung des Autors Rudolf Leonhard (1889-1953) über den Baubeginn: "Der Minister (Fritz) Selbmann stellte sich (auf einer Versammlung) vor den Lageplan und erklärte, wie er sich das Werk wünsche, wie er sich das Werk denke ... Das eigentlich Auffälligste, ja das Aufregendste, ja Tollste an der vor den sich drängenden Zuhörern im Sprühregen gehaltenen Rede war, dass jeder Zuhörer nicht einen Augenblick daran zweifelte, diese phantastisch wirkenden Pläne seien höchst real, hier würde nicht ins Blaue hineingeredet..." Dem früh verstorbenen Rudolf Leonhard war nicht bewusst, dass er eine Frühform des staatssozialistischen Personenkultes - hier der mittleren Ebene - beschrieben hatte.

    1989 erweist sich auch in Luckenwalde die Losung "Seht, was aus uns geworden ist!" als Klagelied sondergleichen. Mit der Wende bricht im Jahr 1990 die Produktion fast aller Betriebe zusammen. Die Bedeutung als Industriestadt geht verloren. Die Einwohnerzahl sinkt. Viele junge Leute verlassen die Stadt. Was tun? In dieser Situation stellt die Stadt die sie umgebende reizvolle Naturlandschaft des Urstromtales und sportliche Angebote heraus. Sportbegeisterten wird nun ein Aufenthalt in Luckenwalde zum aktiven Erlebnis. Der Fläming-Skate, das Mekka für Inline-Skater, Rad- und Rollstuhlfahrer führt auf über 220 km Asphalt quer durch die Landschaften der Region. "Luckenwalde ist Ausgangspunkt für grenzenlose Vielfalt. Entdecken Sie auf einer interessanten Reise die Besonderheiten der Region. Hier können Sie nach Herzenslust wandern, reiten, baden, angeln, fliegen, die Natur oder märkische Spezialitäten genießen", heißt es auf der Webseite der Stadt. Die Stadt tut das, was es immer tat: Aktiv sein und hoffen. Joachim Ringelnatz' Bär hat das Gehege endgültig verlassen.

    Verkehrshinweis:
    Von Berlin aus fährt man nach Luckenwalde über die Bundesstraße B101.
    Text: -wn-

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