Mitarbeiterfreundliche Arbeitszeiten in Berliner Unternehmen
Text: O. K. / Letzte Aktualisierung: 10.04.2025

Vom jungen Start-up über den Mittelständler bis hin zum Milliardenkonzern buhlen auf dem Berliner Arbeitsmarkt tausende Unternehmen um qualifizierte und motivierte Arbeitnehmer. Für die spielen neben der Höhe des Gehalts auch immer öfter Benefits wie flexible Arbeitszeiten eine entscheidende Rolle bei der Jobwahl.
Vor allem Pendler, junge Eltern und kreative Köpfe mit individuellem Rhythmus verzichten lieber auf etwas Geld auf dem Konto, wenn sie dafür ihren Arbeitstag selbst gestalten können. Firmen, die vom traditionellen Nine-to-Five-Modell abrücken und ihren Angestellten mehr Freiheit einräumen, haben bei der Mitarbeitersuche ein Ass im Ärmel und machen sich attraktiver im Wettbewerb um junge Talente.
Sind flexible Arbeitszeitmodelle die Zukunft?
Die Prioritäten der Arbeitnehmer haben sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend geändert. Lag der Fokus bei der Arbeitsplatzsuche früher noch auf möglichst festen Strukturen und finanzieller Stabilität, schaut besonders die junge Generation heute viel mehr darauf, wie es bei einem potenziell neuen Job um die Work-Life-Balance bestellt ist. Mehr Selbstbestimmung und Flexibilität bei den Arbeitszeiten ermöglicht es Arbeitnehmern, Beruf, Familie und Freizeit besser unter einen Hut zu bringen. Das ist gerade für die überall in Berlin aber auch anderswo händeringend gesuchten Fachkräfte wichtig, die trotz Familie nicht auf Karriere verzichten möchten.
Trotz der großen Chancen bei der Mitarbeitersuche und anderer Vorteile bietet bislang nur etwas mehr als ein Drittel der Arbeitgeber flexible Arbeitszeitmodelle an. Grund dafür sind auch die sich hartnäckig haltenden Vorurteile, wie etwa, dass eine freie Zeiteinteilung zu Chaos und einer geringeren Arbeitsleistung führe. Genau das konnten mehrere Studien widerlegen. Sie kommen sogar häufig zum gegenteiligen Ergebnis: Wer frei über seine Zeit bestimmen kann, ist motivierter und leistet mehr.
Für Arbeitgeber in Berlin kann es sich also auszahlen, sich mit flexiblen Arbeitszeitmodellen und den sich daraus ergebenden Vorteilen für beide Seiten auseinanderzusetzen.
Welche Vorteile bieten flexible Arbeitszeiten für Unternehmen und Arbeitnehmer?
Tatsächlich eine ganze Reihe. Arbeitnehmer, die sich ihre Arbeitszeit flexibel einteilen können, sind - wie schon erwähnt - deutlich motivierter und leisten mehr als solche, die in ihrem Job an fixe Zeiten gebunden sind. Mit der Flexibilität reduziert sich auch der Stress. Bei mitarbeiterfreundlichen Arbeitszeiten müssen sich Angestellte nicht mehr abhetzen, um rechtzeitig zu Arztterminen zu kommen, abends einzukaufen oder am Elternsprechtag ihrer Kinder teilzunehmen. Auch haben die Arbeitnehmer so mehr Zeit, um die zahlreichen Kultureinrichtungen in Berlin wie die Theater zu besuchen, deren Vorstellungen meist abends stattfinden. Des Weiteren können Arbeitnehmer stressfreier zur Arbeit kommen, in dem sie nicht zu Stoßzeiten mit dem Auto oder der S-Bahn unterwegs sind. Stattdessen können sie ihre Arbeitszeit so legen, dass sie alles gut und stressfrei bewältigen können.
Stress erhöht bekanntlich das Risiko für verschiedene Erkrankungen. Studien zeigen, dass Arbeitnehmer, die sich ihr tägliches Arbeitspensum frei einteilen können, besser schlafen, einen niedrigeren Blutdruck haben, seltener an psychischen Erkrankungen leiden und generell fitter und gesünder sind. Auch das Auftreten von Arbeitsunfällen ist reduziert.
Die durch die bessere Work-Life-Balance höhere Zufriedenheit und bessere Gesundheit der Arbeitnehmer kommen in Form von weniger krankheitsbedingten Fehltagen, einer höheren Wertschätzung dem Unternehmen gegenüber und einer geringeren Fluktuation wiederum auch dem Unternehmen zugute. Zudem lassen sich so auch die Kosten für Büro (bei Homeoffice-Arbeit) und das Recruiting senken. Auch für viele Quereinsteiger sind flexible Arbeitszeitmodelle ein Anreiz sich bei einem Unternehmen zu bewerben.

Welche Modelle zur flexiblen Arbeitszeiteinteilung gibt es?
In der Arbeitswelt haben sich in den letzten Jahren verschiedene Modelle zur freien Arbeitszeiteinteilung etabliert. Mit der Corona-Pandemie vor einigen Jahren gewann zum Beispiel das Homeoffice enorm an Popularität und wird von vielen Unternehmen bis heute zumindest teilweise beibehalten. Weitere Modelle mit Flexibilität sind:
Gleitzeit mit Kernarbeitszeit
Die Gleitzeit mit Kernarbeitszeit gehört in Unternehmen zu den beliebtesten Arbeitszeitmodellen. Sie eignet sich vor allem für Firmen, in denen Arbeitnehmer zu gewissen Zeiten vor Ort sein sollen (zum Beispiel für Meetings oder um für Kunden ansprechbar zu sein). Sie besteht aus der Gleitzeit (z. B. von 07:00 bis 19:00 Uhr) und einer Kernarbeitszeit (z. B. von 10:00 bis 14:00 Uhr).
Während bei der Kernarbeitszeit Anwesenheitspflicht besteht, können Arbeitnehmer ihren Arbeitsbeginn und ihr Arbeitsende ansonsten flexibel gestalten. So können sie private Termine wahrnehmen oder auch Kinder betreuen. Die Gleitzeit kommt auch Menschen mit unterschiedlichen Tagesrhythmen entgegen. Der eine ist zum Beispiel früh morgens am produktivsten und beginnt deshalb am liebsten um 07:00 Uhr mit der Arbeit, der andere nachmittags und kommt erst um 10:00 Uhr ins Büro.
Diese flexiblen Arbeitszeiten machen den Wirtschaftsstandort Berlin auch für Arbeitnehmer attraktiv.
Gut zu wissen:
Gleitzeit gibt es in verschiedenen Varianten mit und ohne Kernarbeitszeit, mit einer Funktionszeit (einer Art Kernarbeitszeit für bestimmte Teams / Unternehmensbereiche) oder mit einer Jahresarbeitszeit. Bei der letzten Variante spielt es keine Rolle, wie viele Stunden Arbeitnehmer pro Tag oder Woche arbeiten, sondern dass am Jahresende die vereinbarten Stunden erreicht werden.
Vertrauensarbeitszeit
Die Vertrauensarbeitszeit bietet die meiste Flexibilität und gibt Arbeitnehmern die größtmögliche Freiheit. Feste Arbeitszeiten oder eine Präsenzpflicht gibt es nicht. Da dieses Modell - wie der Name schon sagt - auf gegenseitigem Vertrauen basiert, hat der Arbeitnehmer die Möglichkeit, sich seine Arbeit eigenständig einzuteilen und zum Beispiel wann er möchte ins Unternehmen zu kommen oder auch im Homeoffice zu arbeiten. Statt der Arbeitszeit zählen Ergebnisse, weshalb die Vertrauensarbeitszeit häufig in Berufen zum Einsatz kommt, in denen projektbasiert gearbeitet wird.
Die Benefits des Modells klingen für beide Seiten gut und Firmen haben mit der Vertrauensarbeitszeit die Chance, spannende Talente für sich zu gewinnen. Ohne gute Kommunikation und klar definierte Ziele birgt es aber auch gewisse Risiken. Problematisch kann es zum Beispiel sein, wenn Teams eng zusammenarbeiten müssen, die einzelnen Mitglieder jedoch zu unterschiedlichen Zeiten arbeiten. Außerdem erfordert das Modell von Mitarbeitern ein sehr gutes Selbst- und Zeitmanagement, ansonsten sind die Projekte schnell in Gefahr.
Zu einem Problem können auch Überstunden und Mehrarbeit werden. Da für die Einhaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen bei der Vertrauensarbeitszeit der Arbeitgeber verantwortlich ist, kommt das Modell deshalb nicht ohne Vereinbarung einer Wochenarbeitszeit und einer Form von Arbeitszeit-Tracking aus.

Arbeitszeiterfassung bei flexiblen Arbeitszeitmodellen wichtig
Die Arbeitszeiterfassung hängt vom jeweiligen Modell und den technischen Möglichkeiten im Unternehmen ab. Eine moderne Möglichkeit zum lückenlosen Tracking bieten Tools für PC/Mac und Smartphone, die die Arbeitszeit wahlweise automatisch oder manuell aufzeichnen. Arbeitnehmer können sich meist einloggen und das Tracking der Zeit starten oder es von Hand auslösen und wieder beenden. Die Tools lassen sich für Gleitzeit, Vertrauensarbeitszeit und andere Modelle nutzen und liefern die Daten in Echtzeit an das Unternehmen, wo sie zum Beispiel direkt in die Lohnbuchhaltung oder die weitere Arbeitsplanung einfließen können.
Eine weitere Möglichkeit zur Erfassung bietet die Selbstdokumentation, die in der Regel bei Vertrauensarbeitszeit zum Einsatz kommt. Hier erfassen Arbeitnehmer ihre Arbeitszeiten eigenständig online über firmeneigene Portale oder zeichnen sie ganz einfach in Excel oder auf Papier auf und reichen sie zur Kontrolle ein.
Um Präsenzzeiten im Unternehmen bei Gleitzeit mit Kernarbeitszeit zu tracken, bieten sich auch elektronische Stechuhren an. Hier bucht sich der Arbeitnehmer bei Arbeitsbeginn mit einer Chipkarte ein und später wieder aus. Das alles funktioniert ohne großen Aufwand und lässt sich nahtlos in die Abläufe des Unternehmens integrieren. Zudem ist die elektronische Stechuhr rechtssicher (bzgl. ArbZG).
Viele Unternehmen kombinieren auch verschiedene Methoden wie die elektronische Stechuhr bei Präsenzzeiten und Apps bei Homeoffice- bzw. Remote-Arbeit.
Wie können Unternehmen mitarbeiterfreundliche Arbeitszeiten einführen?
Das ist grundsätzlich immer und in nahezu jeder Branche möglich. Damit der Umstieg reibungslos funktioniert und später keine überraschenden Probleme auftreten, sollten Unternehmen aber von vornherein auf einige Dinge achten.
- Klare Richtlinien festlegen
Freiheit bei der Arbeitszeiteinteilung funktioniert in der Regel nur, wenn Unternehmen von Anfang an klare Richtlinien aufstellen und verbindliche Vereinbarungen mit ihren Arbeitnehmern treffen. Wie und wo müssen Mitarbeiter zum Beispiel ihre Arbeitszeit erfassen? Werden die Geräte dafür gestellt (z. B. Smartphone)? Wie erfolgt die Kommunikation mit dem Team oder Vorgesetzten? Und welche Leistungen bzw. Leistungsnachweise werden von den Arbeitnehmern verlangt? - Auf gesetzliche Bestimmungen achten
Unternehmen sind auch bei der Nutzung von flexiblen Arbeitszeitmodellen verpflichtet, konsequent darauf zu achten, dass ihre Arbeitnehmer nicht zu viel arbeiten oder sich besonderen Risiken aussetzen. Sie müssen sich deshalb vorab mit den geltenden Arbeitszeitgesetzen und -vorschriften auseinandersetzen und auf die Einhaltung dieser durch ihre Mitarbeiter (z. B. durch Arbeitszeit-Tracking) achten.
Gut zu wissen: Per Gesetz dürfen Arbeitnehmer nicht mehr als 48 Stunden pro Woche arbeiten. In Ausnahmefällen sind auch bis zu 60 Stunden möglich. - Probephasen durchführen und Feedback einholen
Um flexibles Arbeiten zunächst zu testen, ist es manchmal sinnvoll, für einen festgelegten Zeitraum eine Probephase durchzuführen. Klappt alles so, wie es sich die Beteiligten vorstellen oder hakt es an irgendwelchen Stellen? Am besten lässt sich das bei Meetings herausfinden, bei denen alle Beteiligten ihre Meinung äußern und Probleme ansprechen können. Funktioniert alles reibungslos, steht der generellen Einführung der Flexi-Arbeitszeit nichts mehr im Wege.
Quellenangaben und weiterführende Informationen:
- Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) informiert Arbeitnehmer über die rechtlichen Gegebenheiten zur Arbeitszeiterfassung: https://www.verdi.de/themen/recht-datenschutz/...
- Ein Beispiel für eine intuitive digitale Zeiterfassung per App und für den Desktop. Diese Lösung unterstützt auch die Schichtplanung und die Integration von weiteren Anwendungen wie zum Beispiel Zapie, Apple Calendar und Recruitee: https://factorialhr.de/zeiterfassung-mitarbeiter
- Die IHK Ulm informiert Arbeitgeber umfassend über die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung entsprechend einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG)
(BAG, Beschluss vom 13.9.2022, Az. 1 ABR 22/21) und einer Reglung des § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG):
https://www.ihk.de/ulm/recht-und-steuern/arbeitsrecht/arbeitszeitrecht/arbeitszeiterfassung-5655902
Alle Angaben ohne Gewähr!