Staatsoper Berlin Unter den Linden

Text: -wn- (Journalist aus Berlin) / Letzte Aktualisierung: 11.10.2022

Staatsoper Berlin Unter den Linden
Die Staatsoper Berlin Unter den Linden (Aufnahme November 2017) - Foto: © -wn-

Die Staatsoper Berlin wurde 1741 - 1743 als Königliche Hofoper erbaut. Heute wird sie von den Berlinern wegen ihrer Lage auch Lindenoper genannt. Erfahren Sie hier mehr über die Geschichte der Staatsoper Unter den Linden:

Die Königliche Oper Unter den Linden: gepaukt, trompetet und posaunt

Schneetreiben auf dem Berliner Boulevard Unter den Linden. Es ist Freitag, der 7. Dezember 1742. Niedrige Wolken verhängen den Himmel. Frostige Luft liegt auf der Stadt. Gerade war es fünf Uhr. Das Abendlicht tönt sich ein wenig gipsig provenzalisch ein. Vor der neuen Königlichen Hofoper kommt Bewegung in eine wartende Masse - geladene Gäste mit Freibillets in den kalten Händen. Es ist das Publikum der ersten Vorstellung im neuen Haus, ausgewählt vom Bauherren höchstselbst, von König Friedrich II. (1712-1786). Die Seitentüren haben sich geöffnet. Alles drängt hinein ins Haus, von dem es damals heißt, es sei das größte freistehende Operngebäude in Europa. Am Neubau der Oper "zum Besten der Berliner gebildeten Welt" - wie Friedrich stolz schrieb - wird nach dem 7. Dezember noch weiter gebaut. In einer Skizze schreibt der Publizist Louis Schneider (1805-1878): "Der Bau ... war am Eröffnungstag noch nicht vollendet; von dem Conzertsaale waren nur die Mauern vorhanden, und da der Haupteingang noch voll Baugeräth lag, mussten die Seiteneingänge benutzt werden. Im Innern fehlten viele Verzierungen, die noch nicht vollendeten Deckengemälde wurden verhangen. Der Stammplatz des Königs war dicht hinter dem Orchester in der Mitte des Parquets eingerichtet und das ganze Parquet und Parterre für den Hof."

Staatsoper Unter den Linden
Blick auf die Berliner Staatsoper Unter den Linden (Aufnahme November 2017) - Foto: © -wn-
Das Gedränge vor dem Haus wird sich in den folgenden Jahrzehnten noch verstärken. Heißt es doch bald: Man kommt leichter in den Himmel als ins Opernhaus. Der Schriftsteller Max Ring (1817-1901) gibt 1867 in der "Gartenlaube" einen Eindruck davon, was den Besucher vor dem Eintritt erwartet. Er sei am Eingang zunächst "eingeklemmt in dem schmalen, kaum vier Fuß breiten Gange, der durch eine eiserne Barriere begrenzt wird ... Ein eiserner Schlagbaum hebt sich und gestattet den Vordersten den Eintritt zur Casse, um ebenso schnell wieder niederzufallen, da nie mehr als höchstens zehn Personen auf einmal hereingelassen werden". Das unfertige Haus, das noch weitere Monate geschlossen bleibt, zeigt zumindest schon, was es aufzuweisen hat: einen nach dem griechisch-römischen Gott Apollo benannten Bankettsaal, einen Zuschauerraum mit hohen Rängen und einen Konzertsaal. Mit dem Musiktheater fügt der Baumeister Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff (1699-1753) nach dreijähriger Bauzeit dem Linden-Boulevard einen architektonischen Höhepunkt hinzu. Am säulengetragenen Portikus, hinter dem sich das Operngebäude fortsetzt, liest man den Schriftzug FRIDERICUS REX APOLLINI ET MUSIS - frei übersetzt: "König Friedrich widmet dieses Gebäude dem Apollo und den Musen". In den Jahren darauf lässt Friedrich - als Zeichen preußischer Toleranz - die katholische St. Hedwigs-Kathedrale bauen, später das Prinz-Heinrich-Palais (Humboldt-Universität) und die Königliche Bibliothek am heutigen Bebelplatz (Juristische Fakultät der Universität). Das Forum Fridericianum entstand.

Die wichtigsten Infos für Ihren Besuch auf einen Blick

Adresse:
Staatsoper Berlin Unter den Linden
Unter den Linden 7
10117 Berlin Mitte
Tel: 030/ 20 35 40
Anfahrt:
S-Bahn: S1, S2, S3, S5, S7, S9, S25, S26 bis Friedrichstraße
U-Bahn: U6 bis Friedrichstraße oder U5 bis Brandenburger Tor
Bus: 100, 147, 300 bis Unter den Linden / Friedrichstraße
Öffnungszeiten:
Theaterkasse / Abendkasse : -
Theaterkassen in Berlin
Führungen durch die Staatsoper:
Bei einer Führung erfahren Sie mehr über die 275-jährige Geschichte des Hauses und werfen einen Blick hinter die Kulissen.
Dauer: 90 Minuten, Kosten: 15€, Kinder 10€

Geschichte der Staatsoper Unter den Linden - Großer Aufwand für die Beleuchtung der Hofoper

Für eine hinreichende Beleuchtung in der Oper wurde großer Aufwand getrieben. "Wie in einem Meer von Licht strahlte ... das königliche Opernhaus", schwärmt die Schriftstellerin Luise Mühlbach (1814-1873) in ihrem Buch "Friedrich der Große und seine Freunde". Nach ihren Angaben kostete die "Erleuchtung des königlichen Opernhauses an jedem Abend rund 2770 Thaler". Viele Wachslampen, dicke Talglichter und Ölflammen erleuchten am ersten Tag die Bühne. Die Lichtquellen rußten, und das Ausbrennen während der Vorstellung und Ausblasen durch Luftzug sorgten für unangenehme Gerüche. Die wichtigsten Lichtquellen im Saal waren fünf Kronleuchter über dem Parkett.
Deren Kerzen beginnen aufgeregt zu flackern, als an diesem Abend die Saaldiener eine der schon geschlossenen Türen nochmals öffnen, um den "Ersten Diener des Staates" einzulassen. Der König im Anmarsch. Im Moment des Eintretens beginnen in den äußeren Logen des dritten Ranges Trompeter und Pauker des Kürassierregimentes Garde du Corps und des Regiments Gensdarmes eine ohrenbetäubende Intrada für den Monarchen zu intonieren. Die geradtaktigen und mit fanfarenartigen Ausbrüchen untersetzten Stöße und Schläge stammen aus dem ansonsten eher behäbigen Preußischen Parademarsch Es-Dur von Friedrichs Bruder August Wilhelm (1722-1758). Bauherr Friedrich kommt nicht wie der überlegen lächelnde Eigner eines Musiktheaters in den Saal. Sein ernster Ausdruck passt zur lauten, jedes andere Geräusch niederhaltenden Musik. Er zeigt eine entschlossene War-Lord-Miene. Nicht von ungefähr. Der von ihm losgetretene Erste Schlesische Krieg (1740-1742) gegen Österreich ist im Gange, die Preußen haben bis dahin noch keine Niederlage kassiert. Trotz unflexibler Schlachtordnung konnte Friedrich am 17. Mai des Jahres 1742 die Schlacht bei Chotusitz (Chotusice) gewinnen, in der es um den Besitz von Schlesien ging. Er erreicht nun seinen Platz. Rechts vom Lehnstuhl sitzt schon die Königin Mutter Sophie Dorothea (1687-1757), linkerhand seine im Schloss Schönhausen einwohnende und von ihm sonst kaum kontaktierte Ehefrau Elisabeth Christine (1715-1797). Mit ihr will er in der Rheinsberger Kronprinzenzeit stürmisch der Liebe gefrönt haben, was er in einem Gedicht mit den Worten "Bey Nacht opferten wir der Göttin der Liebe" beweisen will. Wer's glaubt ...

Friedrich konnte Krieg, Kampf und Kunst gemeinsam denken. Nach der Schlacht von Chotusitz hatte der unfriedliche Feingeist sogleich wieder seine kulturellen Projekte im Sinn. Seinem Vertrauten Charles Étienne Jordan (1700-1745) in Potsdam schrieb er am Abend nach dem Gemetzel mit 11110 Toten, Verwundeten und Vermissten auf der preußischen und österreichischen Seite: "Sorgen Sie ja dafür, dass mir der dicke Knobelsdorff schreibe, wie sich (das Schloss) Charlottenburg, mein Opernhaus und meine Gärten befinden. Ich bin in diesem Stück ein Kind, es sind die Puppen, mit denen ich spiele." In einem 1813 erschienenen Buch mit ihn betreffenden Aphorismen soll er zu Protokoll gegeben haben: "Ich liebe das Vergnügen, und Alles, was dazu beiträgt; die Kürze des Lebens ist die Bewegursach, die mich lehrt, es zu geniesen. Wir haben nur eine Zeit, welche wir uns zu Nutzen machen müssen!" Unmittelbar nach dem Blutbad von Chotusitz waren seine Gedanken deshalb bei der Oper in Berlin.

König Friedrichs Verhältnis zu Frauen

Aufgeführt wird dort das Singspiel "Cleopatra und Caesar" aus der Feder des Komponisten Carl Heinrich Graun (1704-1759). Die Oper mit einigen femininen Reizen lässt die (keineswegs neue) Frage aufkommen, welches Verhältnis Friedrich zu Frauen hatte. Denn im Theater ist er an mehr als nur an der Stimmengewalt der Sängerinnen interessiert. Am Eröffnungsabend lässt er seine Augen nicht von der 20-jährigen attraktiven italienischen Sopranistin und Cleopatra-Darstellerin Benedetta Emilia Molteni (1722-1780). Sie verkörpert, was ihm gefällt: Die Kleopatra nicht nur als eine hübsche, sondern auch als eine handlungsstarke Frau, die, wenn nötig, vor keiner Allianz und keinem trickreichen Hilfeersuchen zurückschreckt. So stellt sich Friedrich Frauen vor.

Caesar (100 v.Chr.-44 V.Chr.) und Kleopatra VII. (69 v.Chr.-30 v.Chr.) beginnen in der Oper ihre herzbewegenden Sondierungen mit wechselseitigen Komplimenten:

Staatsoper Berlin
Die Berliner Staatsoper Unter den Linden vom gegenüberliegenden Kastanienwäldchen aus gesehen (Aufnahme November 2017) - Foto: © -wn-
"Cäsar: Ihr Götter, welch ein Blick, welch reizendes Gesicht!
Ist diß Cleopatra, Egyptens Königin?
(Sie sehen sich für einander mit Bewunderung an.
Cleopatra: O welch ein holder Glanz, welch majestätisch Licht,
Das, zum Beweis der Tapferkeit und Güte,
Aus Cäsars Augen bricht!
...
Dich, dein göttliches Gemüthe,
Fleh ich zum Schutz und Beystand an,
Da Ptolomeus (der Mitregent) meinem Haupt
Die Krone dieses Reiches raubt.
Cäsar: Ich zeige dir, wie Cäsar helfen kann ..."

Und weiter in diesem Ton.

Eine Kritik der Aufführung lässt sich nicht erbringen; vermutlich war der Beifall pflichtschuldigst und wurde bald verschluckt von neuerlichem Lärm der Kürassiere - weil der König sich entfernt. Der junge Heinrich Heine (1797 od. 1799-1856) spielt 80 Jahre später in einem seiner "Briefe aus Berlin" auf die erreichte künstlerische Qualität, aber auch auf den Lärmpegel in der Oper an: zunächst sei es "unbestritten, dass man die Oper hier auf eine erstaunliche Kunsthöhe gebracht hat und dass sie keiner andern deutschen Oper nachzustehen braucht. Auch an Pauken und Posaunen war kein Mangel, so dass ein Witzling den Vorschlag machte, im (1821 eröffneten) Neuen Schauspielhause die Haltbarkeit der Mauern durch die Musik dieser Oper (Luigi Spontinis Oper "Olympia") zu probieren."

Die Tänzerin Barbarina mit "athletischen Männerbeinen"

Zwei Jahre nach der Eröffnung wird Friedrich in eine intensive Liaison hineingezogen - wieder ohne Küssen, Schmusen und so weiter. Wie Prof. Rath in Heinrich Manns Roman "Professor Unrat" einer Barfußtänzerin im "Blauen Engel" verfällt - so ähnlich wird der König zum heftigen Verehrer der ebenfalls aus Italien geholten Tänzerin Barbara Campanini (1721-1799), die man die Barbarina nennt. Friedrich zeigt sich von der Einundzwanzigjährigen mit südländischem Temperament fasziniert. Der Dichter François Marie Voltaire (1694-1778), der sich zwei Jahre lang in Sanssouci als Friedrichs Gesprächspartner aufhielt, behauptet spöttisch den Grund des Faibles für die Barbarina zu kennen: ihre angeblich athletischen Männerbeine. Es habe im Theater überhaupt eine große Vorliebe geherrscht für das Ballett und für die Tänzerinnen, "deren auffliegende Tüllröckchen und himbeerfarbene Trikots bezeichnend waren für den Zeitstil ... Die trikotumspannten Beine wurden vom Parkett aus von den Lebemännern mit großen "Operngläsern" bewundert", so formuliert es eine Chronik. Friedrich besucht das Mädchen mehrfach in ihrer Garderobe, trinkt Tee mit ihr. Und er zahlte ihr die horrende Gage von jährlich 7000 Reichstalern (ca. 89000 Euro). Als sie ihn eines Abends trotz der hohen Vergütung nicht in ihre Garderobe einlassen will, sei er gedemütigt ins Schloss zurückgekehrt. Es heißt es, "lange noch, wie alles schon schlief, konnte man in der Stille der Nacht die leisen klagenden Töne seiner Flöte vernehmen".

Luise Mühlbach nennt die Barbarina "ein holdes ... Wundermärchen voll feenhafter Lieblichkeit". Sie sei ein "glutvolles, leidenschaftliches Weib, und die Leidenschaft schmückt sich mit flammenden Augensternen (Pupillen), mit durchsichtiger, reiner Blässe, mit glühenden Purpurlippen, selten aber mit harmlosem Lächeln und gemütlichem Scherz". 1745 beauftragt Friedrich aus diesem Grunde den Hofmaler Antoine Pesne (1863-1757), das Mädchen großflächig zu porträtieren. Das Bild zeigt die Dame mit lächelndem Madonnengesicht in einem weiten geblümten Reifrock, auf dem ein kleines Tigerfell liegt, geschnürt ist die Taille, was das Mieder noch augenfälliger macht. Der Maler sah sie als Bacchantin, die in der Linken ein Tamburin hält. Luise Mühlbach erfindet nun eine körperliche Annäherung peinlichen Ausmaßes. Als der König seiner - wie es sich herausstellte - karrierebewussten Angebeteten einen für sie günstigen Vertrag zeigt, hätte sie zufällig hinter dem Sitzenden gestanden. Die Autorin erzählt: "Barbarina ... neigte sich vorwärts über seine Schulter. Ihr Atem berührte seine Wange, sein feines duftiges Haar streifte ihre Stirn, so nahe waren sie nebeneinander." Das darf man füglich bezweifeln. Denn: Majestät müffelte mächtig, um es maßvoll zu sagen. Der Theologe und Geograph Anton Friedrich Büsching (1724-1793) beschreibt in der Broschüre "Character Friedrichs des zweyten..." u.a. dessen morgendliche Toilette. "Er wischte sich zwar alle Morgen mit einer nassen Serviette das Gesicht und die Hände ab, allein dieses wenige Wasser nahm die Unreinheiten, welche der viele Schweiß und Schnupftaback absetzten, nicht hinlänglich weg."

Neueröffnung mit Schumanns "Szenen aus Goethes Faust"

275 Jahre nach dem verschneiten Eröffnungstag nimmt das rekonstruierte Opernhaus - mit einer um eine halbe Sekunde verlängerten Nachhallzeit - den Spielbetrieb wieder auf. Am 3. Oktober 2017 die erste Vorstellung. Nachdem Generalmusikdirektor Daniel Barenboim (geb. 1942) den Taktstock hob und die ersten Wohllaute der Ouvertüre der "Szenen aus Goethes Faust" von Robert Schumann (1810-1856) freigab, baut sich eine resolute Musik auf, im nächsten Moment eine elegisch getragene, die bald ins Schwärmerische überwechselt. Freude im engeren Sinne kommt nicht auf. Um Letzte Dinge im Fortschreiten der Welterkenntnis, um Tod und um eine Erlösungsapotheose wird es in den kommenden 135 Minuten gehen. Mit anderen Worten: Alles wird gut. In einer der von Schumann ausgewählten und nicht zusammenhängenden Szenen spricht der sterbende Gelehrte Dr. Heinrich Faust schließlich das getroste Vermächtnis aus:

"Und so verbringt, umrungen von Gefahr,
Hier Kindheit, Mann und Greis sein tüchtig Jahr.
Solch ein Gewimmel möchte ich sehen.
Auf freiem Grund mit freiem Volke stehen.
Zum Augenblicke dürft' ich sagen:
Verweile doch, du bist so schön."


Er persönlich hat Glück, seine dem Teufel versprochene Seele wird von Engeln sicher ausgeflogen. Die geschlechtsneutralen Himmelsboten jubeln:

"Gerettet ist das edle Glied
Der Geisterwelt vom Bösen:
Wer immer strebend sich bemüht,
Den können wir erlösen!"


Fausts starker Satz (im Originaltext): "Dass ich erkenne was die Welt / Im Innersten zusammenhält" stützt die optimistische Erwartung, dass man eines Tages dieses Rätsel auch erkennt. Aber inzwischen weiß man: Das ist nicht die letzte aller Fragen. Vor einiger Zeit erklärte der bekannteste Forscher der Welt Stephen Hawking (geb. 1942), dass es mittlerweile noch eine allerletzte offene Frage gibt, eine elementare irdische Erwartung. Klimawandel, Asteroideneinschläge, Epidemien und Bevölkerungswachstum könnten die Erde unbewohnbar machen. In 100 Jahren, meinte Hawking, der durchaus keiner apokalyptischen Denkart zuneigt, könnte die Menschheit in ihrer Existenz ernsthaft bedroht sein. Demnach wäre nicht mehr zu fragen, was die Welt im Innersten zusammenhält, sondern: Wie lange die Welt voraussichtlich noch zusammenhält.
Besuchen die auch mal das Deutsche Theater Berlin in der Schumannstraße!

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