Pfarrkirche Pankow Breite Straße

Text: -wn- (Journalist aus Berlin) / Letzte Aktualisierung: 19.04.2023

Pfarrkirche Pankow in Berlin
Südansicht der Pfarrkirche Pankow - Foto © -wn-

Erfahren Sie hier Wissenswertes über die Geschichte der Pfarrkirche Pankow in der Breite Straße. Eine eher unbekannte Sehenswürdigkeit in Berlin.

Infos für Ihren Besuch

Adresse:
Pfarrkirche Pankow
Breite Str. 37
13187 Berlin
Tel: 030/ 47 53 42 53

Anfahrt:
Die Pankower Kirche erreicht man mit der U-Bahn U2 sowie mit den Straßenbahnen Tram 50 und Tram M1.

Öffnungszeiten der Pfarrkirche Pankow:
Gottesdienste
sonntags 10:00 Uhr

Büro im Gemeindehaus:
Dienstags: 10:00 Uhr - 14:00 Uhr
Donnerstags: 14:00 Uhr - 18:00 Uhr

Gemeindekreise:
Es gibt einen Gesprächslreis, ökumenischen Bibelkreis, das Seniorenfrühstück und das Trauercafé sowie weitere Gemeindekreise.

Pfarrkirche Pankow Zu den vier Evangelisten - "Wenn wir sonntags in die Kirche gehen ..."

Die Reime sind einfach und witzig, aber doch entpuppt sich in ihnen zugleich ein Hintersinn, mit dem der Dichter Heinrich Heine (1797 od. 1799-1856) seinen Lesern einen "Guten Rat" für ein gedeihliches Leben hienieden und im Himmel geben will. Im Blick hat er diejenigen Mitmenschen, die mit der Kirche nichts am Hut haben oder die nach Glaubenskrisen fortan Kyrieeleisons (Bittrufe), Kanzeln und Kollekten meiden. Aber mit welchen Worten will der jüdische Tuchhändlersohn, der 1825 zum Protestantismus übertrat, Ungläubige oder ungläubig Gewordene zur Einkehr bzw. Rückkehr bewegen? Hinter seinen scheinbar unernsten Reimen lässt er die sogenannte Bergpredigt aufscheinen, eine über 2000 Jahre alte Sammlung sozialethischer Thesen der christlichen Zentralfigur Jesus Christus (4 v. Chr.-30 oder 31 n.Chr.), darunter betreffend die Nächstenliebe, Empathie und Friedlichkeit - woran es heute so oft fehlt.

Eingang der Pfarrkirche Pankow
Der Eingangsbereich der Pfarrkirche Pankow - Foto © -wn-
Heine reimt:

"Ist die Kirche dir verhasst, Tor,
Desto öfter geh hinein;
Zieh den Hut ab vor dem Pastor,
Schick ihm auch ein Fläschchen Wein.
...
Wirst du diesen Rat erproben,
Dann, mein Freund! genießest du
Einst das Himmelreich dort oben,
Und du hast auf Erden Ruh'."


Man sieht: Der Dichter begreift Weingenuss und Kanzeltreue keineswegs als blasphemischen Widerspruch. Warum auch, die Bibel berichtet sogar von einer nicht datierten munteren Hochzeitsfeier im Galiläischen Kana nahe Nazareth (heute vermutlich Kafar Kanna). Unter den Gästen sind Jesus, seine Mutter Maria und die vier Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes. Sie müssen alle dem Wein recht heftig zugesprochen haben, so dass bald der Wundertäter Jesus gefragt ist. Und tatsächlich: Er lässt aus Wasser weiteren Wein entstehen (Joh. 2,1-12).

Vermutlich wird man heute in der Pfarrkirche Pankow keine Alkoholika annehmen wie es Heinrich Heine zum Zwecke des Erlangens von Seelenruhe anrät. Stattdessen kann man am Sonntagvormittag auch als Ungläubiger oder als Agnostiker (Suchender) am Abendmahl teilnehmen und sich die beiden Sakramente Brot oder Oblate sowie Wein oder Traubensaft verabreichen lassen. Maßgeblich ist, dies nicht als billigen Jux zu nehmen, sondern als eine ansprechende Geste gegenüber den Gläubigen. Und überdies ist es von Wert, sich in dem kleinen Pankower Gotteshaus einmal umzusehen. Am östlichen Ende des ehemaligen Dorfangers hatten aus Südfrankreich kommende Zisterzienser-Mönche im 13. Jahrhundert eine kleine Feldsteinkapelle gebaut, aus der in den folgenden Jahrhunderten die heutige Kirche "Zu den Vier Evangelisten" hervorging. Damals stand das Kirchlein noch im Sumpfgebiet der Panke. Das heutige Gotteshaus, das seit 1311 klassizistische Erneuerungen und neugotische Erweiterungen hinter sich hat, besteht aus zwei unterschiedlichen Teilen: da ist zunächst die ursprünglich rechteckige Saalkirche aus Feldstein. Dieser Teil wird heute als Chor- bzw. Altarraum genutzt. Der Ziergiebel draußen mit seinen sieben Türmchen (Fialen) versucht die einst so wichtige Wehrhaftigkeit des Hauses anzudeuten. Die beiden Spitzdachtürme wurden weniger aus ästhetischen Gründen gebaut, vielmehr um die Baunaht zwischen dem Feldstein-Altbau und den Backsteinmauern des späteren Erweiterungsbaues zu verdecken.

Geschichte der Pfarrkirche Pankow - ein Gotteshaus ganz ohne Prunk

Hat man die Kirche betreten, fällt der Blick durch einen arkadischen Säulendurchgang auf Altar und Taufbecken. Links davon befindet sich in geringer Höhe der Ambo, eine frühe Kanzelform in christlichen Kirchen, die sich meist nahe dem Altar befindet und heute für besondere Verkündigungen genutzt wird. Um klarzustellen, dass von dieser erhöhten Kanzel keine Irrlehren gepredigt werden, schmücken sie im Halbkreis Plastiken berühmter Kirchenmänner, von deren Gedanken noch heute maßgeblich die Rede ist. Zunächst der Reformator Martin Luther (1483-1546), daneben der Bachelor für Bibelwesen Philipp Melanchthon (1497-1560), sodann der Gründer der Herrnhuter Brüdergemeinen Nikolaus Ludwig von Zinzendorf (1700-1760) und Reformator Johannes Calvin (1509-1564). Allein diese vier Ideenträger verkörpern die geistige Breite des europäischen Protestantismus - hier in einer der kleinsten Berliner Kirchen zu schöner Wirkung gebracht.

Die Sachlichkeit des Kirchenraumes teilt sich auch einem nichtgläubigen Besucher sofort mit. Man ist von protestantischer Einfachheit umgeben, die auch einst dem Pantheist Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) gefiel, der Gott in der Natur sah und der kirchlichen Prunk ablehnte. Während seiner Italienreise besuchte er 1786 die Christfeier in der römischen Peterskirche. Er schreibt: "Am ersten Christfeste (1786) sah ich den Papst und die ganze Klerisei (den Klerus) in der Peterskirche, da er zum Teil vor dem Thron, zum Teil vom Thron herab das Hochamt hielt. Es ist ein einziges Schauspiel in seiner Art, prächtig und würdig genug; ich bin aber im (bescheideneren) protestantischen Diogenismus so alt geworden, dass mir diese Herrlichkeit mehr nimmt als gibt ..."

Der innere Ruhe atmende Kirchenbau steht an einer lauten, zumindest kaum leer bleibenden Pankower Kreuzung. Die aus Richtung Prenzlauer Berg herangeführte Berliner Straße trifft hier mit Trambahnen und Autoverkehr auf die vom Pankower Rathaus kommende Breite Straße, die weiter Richtung Buchholz führt, und in der man den Stau zur Genüge kennt. Die Berliner Straße hingegen endet hier. Wer in die versetzt beginnende Ossietzky-Straße Richtung Schloss Schönhausen einbiegen will, muss - da es geradeaus nicht weitergeht - ein kurzes Linksabbiegen vollführen, um nach wenigen Metern rechts in die Ossietzky-Straße einzubiegen. Es ist wahrlich kein ruhiger Platz für ein Gotteshaus. "Unsre Kirche trägt Spuren aus beinahe 800 Jahren. Verkehrserschütterungen, Feuchtigkeit und Abgase bedrohen das Bauwerk und unwiederbringliche Zeugnisse gelebter Geschichte", heißt es in einer der ausliegenden Broschüren. Zur Geschichte gehört auch, dass die Pankower Kirche am Beginn des 20. Jahrhunderts ihre Rolle als Ortsmittelpunkt aufgeben musste.

Bereits das "Lexicon von Berlin - Ein Handbuch für Einheimische und Fremde" aus dem Jahre 1806 deutet die wachsende weltliche Rolle des Dorfes Pankow als Ausflugsort fürs Wochenende an. Man liest: "Pankow, Dorf an der Panke, im Niederbarnimschen Kreis, 1 Meile von Berlin, mit 20 Häusern und 286 Menschen. ... Es wird stark zu Sommerwohnungen und zum Vergnügungsort benutzt." Der vielgelesene Wanderschriftsteller August Trinius (1851-1919) beschreibt 1888 die Verwandlung Pankows mit den Worten, "das allen Berlinern wohlbekannte Dorf Pankow (habe) längst in seiner äußeren Gestalt den Charakter eines Dorfes abgestreift und (mache) mit seinem herrlichen Baumschmuck, den reizenden Vorgärten, eleganten Landhäusern und der stattlich neu erbauten Kirche eher einen städtischen Eindruck". 1859 war die neu errichtete Kirche geöffnet und geweiht worden; ihr Aussehen hat sie bis heute nicht verändert.

Lindners Dorfkrug: "Hier können Kaffern Familien kochen."

Die Pferdefuhrwerke mit den Ausflüglern aus Berlin hielten in Pankow meist vor dem Lindnerschen Dorfkrug (dem späteren Konzerthaus). Der Wirt Paul Lindner ähnelte in einer aufgekratzten Seelenlage dem heutigen Wirt des ebenfalls urigen Waldgasthauses am Baasee (nahe Bad Freienwalde). Während der dortige zu mancherlei Scherzen aufgelegte Schenkenwirt Mirko Schluchter zu jeder vollen Stunde ein paar durchdringende, akzentuierte Trompetenstöße über den See schickt, war es die Leidenschaft des Pankower Wirtes, Wortfügungen zu verdrehen, freilich ohne die Frage nach dem guten Geschmack zu stellen - wie zum Beispiel beim Verhohnepipeln des damals häufigen Hinweises vor Gaststätten "Hier können Familien Kaffee kochen". Am Eingang zum Biergarten habe eines Tages ein großes Schild mit der Aufschrift gehangen: "Hier können Kaffern Familien kochen."

Die Alleinunterhalter im Biergarten spielen an jedem Tag die Gassenhauer der Reihe nach herunter, los geht es natürlich mit Karlinekin:

Komm, Karlinekin,
Komm, Karlinekin, komm!
Wir woll'n nach Pankow jehn,
In Pankow ist es schön,
Pankow, Pankow, Pankow, Pankow
Kille, kille Pankow,
Kille, kille, hopsasa!


Es dauert nicht lange, bis das Lied von der seligen Symbiose von Kirche und Kneipe angestimmt wird: "Wenn wir sonntags in die Kirche gehen, s'war immer so, s'war immer so, wir zuerst noch in das Wirtshaus gehen ..." Es gab auch die anständigere Fassung, in der es nur heißt:"Wenn wir sonntags in die Kirche gehen, s'war immer so, s'war immer so, da blei'm wir erst einmal am Wirtshaus stehen ..." In der ersten Fassung geht es handfest zu: Die Angetüterten schlafen bei der Predigt ein, der Pfarrer schimpft, fasst sich ansonsten kurz und geht schließlich nach dem "Friede sei mit euch allen" selbst mit in die Kneipe. Ab dann gilt, was die Bibel anempfiehlt: "Gib dich nicht der Traurigkeit hin, und plage dich nicht mit deinen eigenen Gedanken." (Sirach 30,22)

Der Wahlbetrug: Wachet und betet und zählt

Es kommt der 8. Mai 1989, ein Montag (möglicherweise auch Dienstag, der 9. Mai), an dem im Vorraum vor dem inneren Eingang zum Kirchenschiff eine Kundgabe weltlicher Art ausliegt: Zahlen und Berechnungen, die einen großen Betrug aufzeigen. Am 7. Mai hatten in der DDR Kommunalwahlen stattgefunden, deren vorher festgesetzte Ergebnisse wie stets am Abend veröffentlicht werden. Mit einer auf harmlos getrimmten Onkelstimme verliest der Funktionär Egon Krenz (geb. 1937) das betrügerisch zusammengebastelte Wahlergebnis, bei dessen "Ermittlung" Nein-Stimmen entweder unter den Tisch fielen oder in Ja-Stimmen umgefälscht wurden. Nach den Worten des Verkünders der faustdicken Lüge hatten nur 1,17 Prozent der Wähler gegen die Einheitslisten gestimmt.

Was Egon Krenz nicht ahnt: Den Abend des Wahltages hatten Bürgerrechtler unter das Motto "Wachet und betet und zählet" gestellt. Sie verteilen sich auf alle Ostberliner Wahllokale und nehmen als legitime Zuschauer an den Auszählungen teil - um ihre Zahlen später mit den veröffentlichten Ergebnissen zu vergleichen. Der Verdacht bestätigt sich: Die in den Wahllokalen mitgeteilten und von den Beobachtern zusammengerechneten Nein-Stimmen ergeben einen wesentlich höheren Anteil am Gesamtergebnis als offiziell verkündet. Der kleine Vorraum, in dem diese "Differenzen" für die Ost-Berliner Bezirke aufgelistet sind, wird zu einem historischen Ort, an dem man die Entsittlichung eines der "Zukunft zugewandten" Staates erleben konnte. In diesem Staatswesen waren flächendeckende politische Betrügereien und Heucheleien zum Alltag geworden.

Zum allgemeinen Erstaunen kam ausgerechnet der Lyriker und Liedersänger Wolf Biermann (geb. 1936) den staatlichen Urkundenfälschern mit Altersmilde entgegen. Als er am 26. März 2007 für seine Verdienste "als Fackel der Aufklärung im Nebel der Diktatur" zum Berliner Ehrenbürger ernannt wird, erklärt er: "Ich sehe ... eine gelegentliche Heuchelei in höchster Not als lässliche Sünde, wie auch eine Notlüge erscheint sie mir in einem milden Licht. Wer heuchelt, der kennt immerhin die Wahrheit, denn sonst würde er ja gar nicht heucheln. Ein Heuchler muss kein kompletter Lump sein, denn er erweist der Wahrheit indirekt ja doch die Ehre: Er kennt wenigstens das Wahre, das Richtige, das Bessere." Dass sich Wolf Biermann in seinem Urteil alttestamentarischer Härte enthält, lässt erkennen: Er hat - bei aller kämpferischen Attitüde - damit auch Züge eines weisen Mannes erlangt. Respekt.

Kirchen in Berlin: