Kredite digital gedacht: Wie FinTechs aus Berlin den Finanzmarkt revolutionieren

Text: O. K. / Letzte Aktualisierung: 23.06.2025

Kredite digital beantragen
Berlin ist auch die Hauptstadt der FinTechs - Symbolbild: © InfiniteFlow - stock.adobe. com

Wer heute einen Kredit benötigt, ein Girokonto eröffnen oder Geld investieren möchte, sieht sich laut Umfragen eher im Internet um als zu seiner Hausbank zu gehen. FinTechs, wie die Startups aus der Finanzbranche gerne genannt werden, haben die Finanzwelt mit ihren flexiblen Abläufen sowie der Nutzung innovativer Technologien wie künstlicher Intelligenz regelrecht auf den Kopf gestellt und damit traditionelle Banken mit ihren oft starren Prozessen unter Druck gesetzt.

Unternehmen wie Google und Amazon haben vorgemacht, wie digitale Innovation ganze Branchen verändern kann. Jetzt scheint die Finanzbranche an der Reihe zu sein. Wie so oft im Zentrum dieses Umbruchs: Berlin. Mit FinTechs wie N26, Smava, Revolut und Klarna haben gleich mehrere Top-Player der noch jungen Branche ihren Sitz in der für ihre Startup-Kultur berühmten Hauptstadt - und das aus gutem Grund.

Was sind FinTechs?

FinTechs sind junge Unternehmen und Startups, die die alteingesessene und oft behäbige Bankenlandschaft mit frischen und innovativen Ideen und dem Einsatz moderner Technologien wie künstlicher Intelligenz revolutionieren wollen. Ihr Ziel: Klassische Finanzdienstleistungen wie die Vergabe von Krediten für private und geschäftliche Kunden schneller, zugänglicher und transparenter zu gestalten.

Statt auf Papierkram und ein großes Filialnetz setzen FinTechs voll und ganz auf das Internet. Wer einen Kredit beantragen, ein Konto oder Wertpapierdepot eröffnen oder Kryptowährungen kaufen möchte, muss zu keinem Zeitpunkt eine Bankfiliale betreten oder zur Identifikation zur nächsten Post-Filiale fahren, sondern kann alles bequem von zu Hause aus via Web oder App am PC oder Smartphone erledigen.

Traditionelle Banken und Finanzdienstleister haben die Wünsche ihrer Kunden nach unkomplizierten, transparenten und flexiblen Abläufen lange Zeit ignoriert und damit erst den Weg für die FinTechs geebnet. Heute strecken die Startups ihre Fühler in immer mehr Bereiche der Finanzwelt wie Bezahlung, Versicherungen, Scoring aus und kreieren sogar neue Märkte wie Peer-to-Peer-Lending (P2P-Kredit) oder Crowdfunding.

FinTechs aus Berlin
FinTechs aus Berlin revolutionieren den Finanzmarkt - Symbolbild: © Robert Kneschke - stock.adobe. com

Berlin: Der Hotspot der deutschen FinTech-Szene

Schon zu Zeiten des Dotcom-Booms war die Hauptstadt für Startups der Place to be. Daran hat sich auch rund 25 Jahre später nichts geändert. Nur sind es heute eben keine Zalandos oder StudiVZs, sondern junge FinTech-Startups, die sich aufgrund des unerschöpflichen Pools an jungen Talenten, dem dicht gewobenen Netz aus Investoren, Acceleratoren und öffentlichen Förderern sowie den im Vergleich zu anderen deutschen Startup-Hochburgen wie Frankfurt, Hamburg oder München günstigen Büromieten für den Wirtschaftsstandort Berlin entscheiden.

Rund 190 FinTechs aus den unterschiedlichsten Bereichen gibt es laut der Investitionsbank Berlin [ 1 ] aktuell in der Hauptstadt - deutlich mehr als in Hamburg, Köln, München und Frankfurt zusammen. Darunter FinTech-Shootingstars wie die Neobanken N26, Revolut und Trade Republic, die Zahlungsdienstleister Klarna und Billie, Kreditvermittler Smava, KMU-Darlehensvermittler FinCompare und viele andere. Auf einige davon wollen wir im Folgenden einen kurzen Blick werfen.

  • N26: Die 2013 von Valentin Stalf und Maximilian Tayenthal in Berlin gegründete Neobank hat die Bankenlandschaft seinerzeit in Aufruhr versetzt und das Banking von Grund auf neu gedacht. Von der Eröffnung eines neuen Kontos über das Beantragen von Krediten bis zu Investmentmöglichkeiten und dem Kundenservice funktioniert bei N26 alles innerhalb von Minuten via App. Filialen gibt es nicht. Das spart Kosten und erlaubt günstige Gebühren.
  • Smava: Der Berliner Kreditvermittler ging 2007 als erstes deutsches FinTech an den Start, damals noch als Marktplatz für sogenannte P2P-Kredite (Privat zu Privat), später dann mit einem der ersten Online-Vergleiche für Kredite von verschiedenen kooperierenden Banken. Da bei Smava vom Antrag bis zur Auszahlung alles online erfolgt, ist der gesamte Ablauf für Kunden sehr komfortabel. Das zeigt sich auch an den Zahlen: Jedes Jahr vermittelt das FinTech Darlehen im Wert von mehreren Milliarden Euro.
  • Billie: Das 2016 in Berlin gegründete BNPL-FinTech ("Buy now, pay later") zählt zu dem am höchsten gefundeten in Deutschland und bietet Factoring für B2B-Kunden an. Händler erhalten bei Rechnungszahlung oder Ratenkrediten sofort ihr Geld, das Ausfallrisiko trägt Billie. Hierzu setzt das FinTech voll auf datengetriebenes Scoring, was es erlaubt, innerhalb von Sekunden die Bonität einzuschätzen und eine Kreditentscheidung zu treffen.

Wie FinTechs die Kreditvergabe und andere Finanzgeschäfte grundlegend verändern

Dass FinTechs die althergebrachten und oft nur wenig kundenfreundlichen Prozesse des traditionellen Kredit- und Bankenwesens mit ihren innovativen Ideen und digitalen Lösungen durchbrechen möchten, haben wir eingangs schon erwähnt. Aber wie sieht das konkret aus? Was ändert sich für Verbraucher, Selbstständige und KMUs bei zum Beispiel dem Beantragen eines Kredits und der Bonitätsprüfung im Vergleich zur klassischen Vorgehensweise? Tatsächlich eine ganze Menge.

Vollautomatische Abläufe
Bei traditionellen Kreditvermittlern und Banken gestaltete sich das Beantragen eines Kredits für Verbraucher und KMU häufig umständlich und langsam:

  • Zuerst war vor Ort in der Filiale ein Beratungsgespräch erforderlich, um sich zu Konditionen und Leistungen etc. informieren zu lassen.
  • Wirtschaftliche Unterlagen wie Gehaltsabrechnungen oder Bilanzen mussten anschließend in Papierform oder per E-Mail eingereicht werden.
  • Diese Unterlagen mussten erst wieder bei der zuständigen Person landen, dort gelesen und für die Bonitätsprüfung händisch bearbeitet werden.
  • Für die finale Kreditentscheidung wanderte der positiv geprüfte Antrag nicht selten wieder in eine andere Abteilung.
  • Zum Schluss war dann ein erneuter Besuch in der Filiale nötig, um den Kreditvertrag bei positiver Bonitätsprüfung zu unterschreiben.
Der gesamte Prozess vom Antrag bis zur endgültigen Auszahlung des Kredits nahm so oft mehrere Tage bis Wochen in Anspruch. FinTechs schaffen dies deutlich schneller, da der gesamte Ablauf durchautomatisiert ist:

  • Der Kunde bekommt ein individuelles Kreditangebot oder vergleicht verschiedene Kredite, entscheidet sich für eines und klickt auf "Beantragen".
  • Er gibt seine Daten für den Kreditantrag ein, lädt bei Bedarf Unterlagen zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen hoch und sendet den Antrag ab.
  • Im Hintergrund läuft eine Echtzeit-Prüfung ab, die sich nicht nur auf die Schufa und andere Auskunfteien stützt, sondern mittels Big-Data-Scoring auch eine Vielzahl anderer Datenpunkten einbezieht.
  • Der Kunde bekommt wenige Augenblicke später eine Kreditentscheidung, kann sich anschließend direkt online via Video-Ident legitimieren und den Kreditvertrag mit seiner digitalen Signatur unterschreiben.
  • Nach der Unterschrift und der Kreditbestätigung erfolgt die Auszahlung des Darlehens noch am selben Tag oder innerhalb der Folgetage.

Transparenz, Personalisierung und Kundenorientierung

Neben automatisierten Abläufen überzeugen FinTechs mit einer hohen Transparenz bezüglich Kreditkosten und Gebühren und personalisieren das Gesamterlebnis für ihre Kunden. [ 2 ] Die Apps der Anbieter analysieren das Verhalten des Kunden und seine Finanzdaten, liefern ihm wertvolle Einblicke und machen ihm individuelle Vorschläge für Kredite. Statt im Kleingedruckten werden Raten, Zinsen und Gebühren direkt auf einen Blick angezeigt. Bei einigen FinTechs haben Kunden die Möglichkeit, sich durch Verschieben eines Schiebreglers die Auswirkungen von unterschiedlichen Kredithöhen, Ratenhöhen und Laufzeiten auf ihr Darlehen anzeigen zu lassen.

Trotz aller Automatisierung sind die meisten FinTechs sehr kundenorientiert und bieten zum Beispiel innerhalb ihrer Apps Live-Chats (häufig KI-gestützt) oder einen Telefon-Kundenservice. Viele junge Finanz-Startups sind auch intensiv auf Social Media aktiv und betreiben eigene Blogs, wo sie häufige Fragen ebenso wie komplexe Finanzthemen locker und gut verständlich erklären.

Niedrige Einstiegshürden bei digitalen Krediten
Vorteil bei digitalen Krediten für Verbraucher: Niedrige Einstiegshürden - Symbolbild: © Prostock-studio - stock.adobe. com

Niedrigere Einstiegshürden für Verbraucher und KMU

Banken haben für gewöhnlich sehr hohe Hürden, wenn es um die Vergabe von Krediten geht, sodass viele Verbraucher und KMUs von vornherein ausgeschlossen sind. Da FinTechs mit ihrem datengetriebenen Scoring nicht nur auf die üblichen Daten achten, sondern auch viele andere Bonitätsfaktoren berücksichtigen, haben auch Kunden eine Chance auf einen Kredit, die bei Banken durch das Raster fallen würden. Sogar ein schlechter Schufa-Score muss noch längst kein Ko-Kriterium sein. P2P-Kredite sind hier eine Alternative, die bei ungünstiger Bonität zwar etwas teurer sind, dafür aber die Möglichkeit bieten, das benötigte Geld zu erhalten.

Weniger Hürden gibt es bei FinTechs auch bei den Kreditbeträgen. Traditionelle Banken haben häufig Mindestbeträge für Darlehen, da sich Klein- oder Minikredite für sie nicht lohnen. Bei digitalen Kreditvermittlern wie Smava und FinCompare sind Kredite hingegen schon ab 1.000 Euro möglich, bei der P2P-Kreditvergabe sogar schon ab wenigen Hundert Euro.

Potenzielle Risiken der digitalen Kreditvergabe

Unter dem Strich bieten FinTechs gegenüber klassischen Banken viele Vorteile. Es gibt allerdings auch Risiken, die Kunden der digitalen Unternehmen kennen sollten.

Datenschutz und Cybersecurity
FinTechs verarbeiten riesige Datenmengen, darunter auch sehr sensible Daten zu Transaktionen oder dem Verhalten ihrer Kunden. Diese werden digital in der Cloud gespeichert und für verschiedene Zwecke über sogenannte APIs (Schnittstellen) mit Partnerunternehmen (z. B. für Video-Ident) geteilt. Kommt es hier zu einem Angriff durch Hacker oder geht das Startup oder einer seiner Partner mit den Daten nicht sorgsam um, können sie theoretisch in unbefugte Hände gelangen. Gerade bei deutschen FinTechs ist das Risiko jedoch gering, da sie an die DSGVO und das BDSG gebunden sind und regelmäßige Sicherheitsaudits durchführen müssen.

Algorithmische Diskriminierung
Ein weiteres Risiko ergibt sich durch die KI-Scoring-Algorithmen. Sie lernen auf Basis historischer Daten und können theoretisch bestimmte Gruppen diskriminieren, weil sie zum Beispiel einer bestimmten Altersgruppe angehören und diese somit per se als risikoreichere Kunden einstufen. Auch hier bieten deutsche FinTechs grundsätzlich mehr Sicherheit, da sie sich nach den strengen Vorgaben der Finanzaufseher der BaFin bezüglich Diskriminierung richten müssen. [ 3 ]

Risiko der Überschuldung
Die vergleichsweise einfache Verfügbarkeit von Darlehen und Ratenkrediten über "Buy now, pay later"-Dienste wie Klarna birgt natürlich auch ein gewisses Risiko für eine Überschuldung. Viele FinTechs in diesen Bereichen werben zwar mit zinsfreier Ratenzahlung, verlangen bei verspäteter Zahlung jedoch hohe Mahn- und Verzugsgebühren. Die Verbraucherzentrale fordert von den Finanzdienstleistern schon länger, gefährdete Kunden mit gezielten Warnungen in den Apps auf ihr Konsumverhalten hinzuweisen und so vor einer Überschuldung zu bewahren.
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Zukunftsausblick: Wohin entwickelt sich die FinTech-Branche?

Die Zukunft der FinTech-Branche ist noch vernetzter. Ein allgegenwärtiges Buzzword in diesem Zusammenhang ist Open Banking. Durch die Freigabe von persönlichen Bankdaten können Kunden Drittanbietern gestatten, über eine API-Schnittstelle auf diese zuzugreifen. Dies erlaubt FinTechs maßgeschneiderte Angebote zu entwickeln. Sie können ihren Kunden zum Beispiel individuelle Angebote für Sparpläne oder auch Umschuldungen unterbreiten, was ohne Open Banking nicht möglich wäre.

Embedded Finance
Ein weiteres Zukunftsthema im FinTech-Sektor ist Embedded Finance. Diese soll Finanzdienstleistungen dahin bringen, wo sie von Kunden benötigt werden. Ein Beispiel: Ein Kunde möchte in einem Onlineshop ein E-Bike kaufen. Mit Embedded Finance bekommt er beim Bezahlvorgang direkt ein auf ihn zugeschnittenes Angebot für einen Ratenkredit und eine Versicherung angezeigt.

Partnerschaft statt Konkurrenz
In Zukunft werden FinTechs und Banken auch immer mehr zu Partnern, die sich sinnvoll ergänzen anstatt als Wettbewerber gegeneinander zu arbeiten. Schon jetzt investieren Banken massiv in FinTechs, um von ihren Technologien und Ideen wie KI, Big Data, DeFi und Blockchain für die Finanzwelt von morgen zu profitieren.
Auf der anderen Seite bekommen die Startups Zugang zu Kapital, dem großen Kundenstamm der Banken und ihrer regulatorischen Infrastruktur. Einige Beispiele dafür sind die Investitionen der Deutschen Bank in die Fintech-App Finanzguru und das Berliner mPOS-Startup SumUp, die Beteiligung der Commerzbank an dem Ed-Tech-Startup bling! oder die Übernahme von FinCompare durch vier Volksbanken.

Fazit
FinTechs haben die zuvor von wenigen großen Banken dominierte Finanzwelt gehörig durcheinandergewirbelt. Davon profitieren die Kunden, die durch vollständig digitalisierte, transparente und auf sie zugeschnittene Finanzprodukte wie Kredite nicht nur viel Zeit sparen, die sie sonst in Bankfilialen oder mit dem Ausfüllen von Papierkram verbracht hätten, sondern auch besser vergleichen und im Optimalfall viel Geld sparen können. In Zukunft dürften sich durch die weiter voranschreitende Vernetzung, den zunehmenden Einsatz von KI und die Blockchain noch ganz neue Möglichkeiten ergeben und die Finanzwelt für immer verändern.

Das Epizentrum der deutschen FinTech-Revolution war bislang Berlin. Mit ihrem einzigartigen Startup-Ökosystem hat die Spreemetropole rund 200 FinTechs aus den verschiedensten Bereichen hervorgebracht, darunter auch zwei "Einhörner". Auch in Zukunft dürfte Berlin ein Innovations-Hub für die Branche bleiben, nicht zuletzt durch das neu gegründete "House of Finance & Tech" (HoFT), das als eine Art Schnittstelle zwischen FinTech-Gründern, Geldgebern und etablierten Unternehmen dienen soll. Übrigens sind die FinTechs wichtige Arbeitgeber in Berlin. Oft herrscht hier eine angenehme Arbeitsatmosphäre, es werden Zusatzleistungen angeboten und die Mitarbeiter schätzen die Work-Life-Balance.

Quellenangaben und weiterführende Informationen:


Finanzdienstleister in Berlin :

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