Nachhaltig bauen in Berlin / Brandenburg - Trends & Innovationen
Text: O. K. / Letzte Aktualisierung: 07.07.2025
Zukunftsorientiertes Bauen
Der Wohnungsbau steckt in einer tiefen Krise. Sichtbar wird das besonders in Ballungsräumen wie Berlin und Brandenburg. Seit einigen Jahren geht die Zahl der Bauanträge in der Hauptstadtregion zurück, was die Situation auf dem ohnehin schon chronisch angespannten Wohnungsmarkt noch dramatischer macht. Die Hauptgründe sind vor allem die gestiegenen Baukosten, der Mangel an freiem Bauland, die hohen energetischen Anforderungen und die fehlenden Fachkräfte.
Neue und zukunftsfähige Ansätze sind deshalb gefragter denn je. Innovative Lösungen bieten zum Beispiel die volldigitale Bauplanung, modulares Bauen, innovative Dämmstoffe und die Nutzung von erneuerbaren Energien. Sie können helfen, die Baukosten zu senken, den sich weiter zuspitzenden Fachkräftemangel auszugleichen und die Energieeffizienz von Wohngebäuden zu verbessern, um so langfristig Kosten zu senken und dem Klimawandel entgegenzuwirken.
Digitalisierte Bauplanung - BIM und Drohnentechnik
Die digitalisierte Bauplanung ist eine der größten Innovationen beim Wohnungsbau. Statt wie bisher darauf zu vertrauen, dass die handgezeichneten Pläne von Architekt, Heizungsbauer und Elektriker später zusammenpassen, wird jedes kleine Detail von Gebäuden am Computer vorgeplant. Das Zauberwort lautet hier "Building Information Modeling (BIM)". Dabei werden alle Pläne und Informationen zu einem 3D-Modell, praktisch einem "digitalen Zwilling" des späteren Gebäudes, zusammengefügt.
Kollidiert hier beispielsweise ein Wasserrohr mit einer Stromleitung, schlägt das System sofort Alarm. Fehler, die bei der alten Herangehensweise erst während des Bauens aufgefallen wären, zu Verzögerungen geführt und Zusatzkosten verursacht hätten, lassen sich so von vornherein vermeiden. BIM hilft auch dabei, den Bedarf an Materialien besser zu planen, Abfall zu reduzieren und sogar die Energieeffizienz des Wohngebäudes durch vorherige Simulation zu optimieren.
Auch moderne Drohnentechnik und KI kommen zunehmend bei der Bauplanung zum Einsatz und können einen wertvollen Beitrag leisten. Drohnen können beispielsweise zusammen mit künstlicher Intelligenz Karten des Baugrundstücks erstellen und die optimale Gebäudeausrichtung für die effiziente Nutzung von Solarstrom ermitteln.
Nachhaltige Baumaterialien - von Holz bis hin zu Pilzen
Mit dem Klimawandel im Hinterkopf ist es beim Wohnungsbau nicht nur wichtig, durch kluge Planung den Materialbedarf und unnötige Abfälle zu reduzieren sowie die Energieeffizienz des Gebäudes zu optimieren. Wo immer möglich sollten sich Bauherren auch für nachhaltige Materialalternativen zu klassischen Baustoffen entscheiden und so einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.
Holz - auch in Berlin und Brandenburg ein beliebter Baustoff
Im Fokus steht dabei Holz. Anders als zum Beispiel Zement und Stein benötigt der nachwachsende Rohstoff nämlich keinen energieintensiven Herstellungsprozess. Im Gegenteil: Holz wächst meist in der Region, braucht keine langen Transportwege und speichert während seines Wachstums große Mengen CO2, wodurch seine Ökobilanz unter dem Strich positiv ausfällt. Zudem hat es natürliche Isoliereigenschaften, bietet eine hohe Wohnqualität und lässt sich am Ende seiner Nutzungsdauer problemlos recyceln oder - falls nicht anders möglich - energetisch verwerten.
Auch hier am Standort der Redaktion in Berlin Bohnsdorf haben einige Nachbarn ein Eigenheim aus Holz errichtet.
Lehm
Eine wahres Comeback erlebt momentan Lehm. In früheren Zeiten als "Arme-Leute-Baustoff" abgetan, überzeugt das Naturmaterial heute in Form von Lehmbauplatten, Lehmziegeln und Lehmfertigelementen mit seiner exzellenten Ökobilanz und schafft mit seiner Fähigkeit, die Luftfeuchtigkeit zu regulieren, ein gesundes Raumklima.
Hanf
Natur pur bietet auch Hanf als Baustoff. Die schnellwachsende Kulturpflanze kommt aus hiesigen Gefilden, speichert wie Holz große Mengen CO2 und bietet ähnlich wie Lehm sehr gute feuchtigkeitsregulierende und wärmedämmende Eigenschaften. Mit Kalk vermischt lässt sich Hanf zudem zu langlebigen Hanfsteinen formen.
Pilzmyzel
Noch experimentell sind Baustoffe aus Pilzen, genauer gesagt aus dem Pilzmyzel. Diesen wird allerdings eine große Zukunft prophezeit, da sie sich beispielsweise in Kombination mit Hanf oder Holzspänen zu stabilen Ziegeln formen lassen und im Gegensatz zu Holz innerhalb nur weniger Wochen nachwachsen.
Modulares Bauen - umweltfreundlich bauen in Rekordzeit
Die klassische Stein-auf-Stein-Bauweise ist materialintensiv, langwierig und teuer. Eine moderne Antwort darauf bietet das modulare Bauen. Nach den Bauplänen des Architekten werden in der Fabrik einzelne Wandmodule vorgefertigt und danach auf der Baustelle nach dem Baukastenprinzip zum fertigen Gebäude zusammengesetzt. Bis der Rohbau steht, braucht es in der Regel nur wenige Tage und vergleichsweise wenige Fachkräfte vor Ort. Bei Bedarf sind die Dämmung und Rohre für Elektrik und Sanitär schon in die Wände integriert, sodass auch sonst witterungsabhängige Arbeiten auf der Baustelle wegfallen und der gesamte Ablauf beschleunigt wird.
Da für die modulare Bauweise vorwiegend Holz genutzt wird, ist das Bauen nicht nur günstiger, sondern auch nachhaltiger als bei energieintensiven Baustoffen wie Beton und Stein, keinesfalls aber weniger langlebig als traditionell gebaute Häuser. Sollte das Lebensende des modularen Gebäudes doch einmal erreicht sein, lassen sich die Baumaterialien unkompliziert voneinander trennen und separat recyceln.
Beim Gedanken an modulares Bauen bzw. Fertigbau kommt natürlich zwangsläufig der Gedanke an Plattenbauten auf. Mit den Betonsiedlungen in Berlin Marzahn oder Hohenschönhausen haben die modernen Wohngebäude allerdings kaum etwas gemein, da sie sich nach Belieben individualisieren und an die Bedürfnisse ihrer Bewohner anpassen lassen und auch energetisch auf dem neusten Stand sind.
Innovative Dämmstoffe
Um den Heiz- und damit den Energiebedarf im Haus zu senken, muss es gut gedämmt sein. Zukunftsfähige Dämmstoffe müssen allerdings nicht nur vor Kälte, sondern auch vor der immer größeren Sommerhitze in Berlin/Brandenburg schützen.
Vakuumisolationsplatten (VIP)
Zu den innovativsten Dämmstoffen zählen derzeit Vakuumisolationsplatten (VIP). Sie besitzen einen porösen Kern, in dem ein Vakuum herrscht. Dadurch funktionieren die Dämmplatten vom Prinzip her wie eine Thermoskanne und verhindern, dass sich die Wärme von einer Wand zur anderen Wand übertragen kann. Die Herstellung ist zwar energieintensiv, dafür ist die Dämmwirkung groß und die Lebensdauer der Platten mit bis zu 50 Jahren hoch. Zudem wird bereits an der Weiternutzung der Platten geforscht.
Aerogel
Ebenfalls mit einer exzellenten Dämmwirkung überzeugt das innovative Aerogel. Das aus Siliziumhydrogel hergestellte Dämmmaterial besteht bis zu 99,98 % aus Luft, ist dadurch federleicht und lässt sich unter anderem zu extrem dünnen Vliesen, Platten oder Putzen verarbeiten, die Wärme zuverlässig drinnen und Kälte draußen halten. Durch den geringen Aufbau lässt es sich besonders gut in Bereichen nutzen, in denen nur wenige Zentimeter für die Dämmung zur Verfügung stehen.
Ganzheitliches Dämmkonzept - vom Dachstuhl bis zum Keller
Statt nur das Dach und die Gebäudefassade zu dämmen, sollten sich Bauherren für das Wohnhaus von morgen ein ganzheitliches Dämmkonzept überlegen bzw. von einem Experten erarbeiten lassen. Dieses umfasst zunächst eine rundum nahtlose Dämmung der Gebäudehülle inklusive der Bodenplatte und/oder des Kellers.
Um Wärmeverluste zu vermeiden, sollten zudem die Glasflächen von Fenstern und Türen aus dreifachverglasten Scheiben bestehen. Mögliche Schwachstellen in der Dämmung lassen sich mit einem sogenannten Blower-Door-Test identifizieren und nachträglich abdichten. Denn häufig werden Fugen, Ecken, Durchführungen von Rohren und andere Öffnungen im Gebäude bei der Dämmung vergessen, sodass Energie entweichen kann und die Energiekosten höher ausfallen als nötig.
Lesen Sie dazu auch: Moderne Fenster und Türen sparen Energie
Hausgemachte Energie - Solarstrom und Wärmepumpe
Gut gedämmte Wohnhäuser brauchen meist nur noch einen Bruchteil der sonst üblichen Heizenergie. Im Idealfall kommt diese Restenergie von der Photovoltaik-Anlage auf dem eigenen Dach. Mit ihren über 1.700 Sonnenstunden pro Jahr sind Berlin und Brandenburg prädestiniert für die Nutzung von Solarenergie. Ein Teil davon lässt sich nutzen, um die hauseigene Wärmepumpe mit Strom zu versorgen. Sie heizt und kühlt das Haus und erzeugt für jede kWh Strom vom Dach bis zu fünf kWh Wärmeenergie, was sie extrem effizient macht. Was an Energie übrig bleibt, lässt sich entweder ins öffentliche Netz einspeisen oder - noch besser - in einem Batteriespeicher zwischenspeichern und zu einem späteren Zeitpunkt im Haus verbrauchen oder zum Laden des Elektroautos nutzen.
Ergänzend oder als Alternative: Erdwärme
Eine umweltfreundliche Alternative bietet Erdwärme (Geothermie). Das Potenzial für die Energiequelle ist in Berlin und Brandenburg extrem hoch, wird allerdings bislang kaum ausgeschöpft. Das soll sich jedoch in naher Zukunft ändern. Ein Vorreiter ist hier Neuruppin (Brandenburg). Die Stadt plant bis Ende 2026 bis zu 70 des Heizbedarfs ihrer Einwohner durch Tiefen-Geothermie zu decken. Auch in Berlin und in anderen Teilen Brandenburgs gibt es zahlreiche Projekte rund um die Nutzung von Erdwärme.
Smarte Haussteuerung - das Gehirn im Haus von morgen
Bei der smarten Haussteuerung (Smart Home) laufen alle Fäden zusammen. Als zentrales System übernimmt sie die Koordination der gesamten Haustechnik, agiert in Zukunft mithilfe von künstlicher Intelligenz zunehmend automatisch und lernt von selbst dazu. Schon heutige Systeme können den Stromfluss im Haus analysieren und dynamisch anpassen, damit die Haushaltsgeräte bei einer Photovoltaikanlage bevorzugt den günstigen Eigenstrom nutzen, anstatt teureren Strom aus dem Netz zu kaufen.
Smart-Home-Systeme helfen auch den Energieverbrauch im Haushalt zu senken, indem sie das Licht im Haus steuern oder die Heiztemperatur regulieren. Mit entsprechender Sensortechnik ausgestattet sind die Systeme sogar in der Lage, an Hitzetagen oder wenn kalte Nächte drohen, die Jalousien runterzufahren und so ein Aufwärmen bzw. Auskühlen der Wohnräume zu vermeiden. Optimal genutzt lässt sich so mit dem Smart Home eine Energieersparnis von bis zu 30 % erzielen. Weitere Tipps zum Heizkosten sparen
Die intelligente Haussteuerung lässt sich je nach Bedarf auch für viele weitere Zwecke nutzen. Dazu zählen zum Beispiel die automatische Überwachung des Grundstücks und des Wohngebäudes mithilfe von Kameras und Sensoren, die Zugangssteuerung zum Haus, die Fernsteuerung von Elektrogeräten wie Herd und Waschmaschine sowie der Beleuchtung via Handy-App oder auch die zentrale Koordination von verbauten Rauch-, CO- und Wassermeldern.
Weiterführende Informationen und Quellen:
- Die Architektenkammer Berlin (Alte Jakobstraße 149, 10969 Berlin) gibt praktische Tipps zur nachhaltigen Bauplanung, um Klima-, Ressourcen-, Bodenschutz zu gewährleisten:
https://www.ak-berlin.de/fachkompetenzen/fachthemen/nachhaltiges-planen-und-bauen/ - Über den Bau nachhaltiger Fertighäuser können Sie sich zum Beispiel auf der Webseite der Bien-Zenker GmbH informieren: https://www.bien-zenker.de/ Sie erfahren unter anderem wie durch schlaue Smart Home-Lösungen eine besonders hohe Energieeffizienz erreicht werden kann.
- Eine aktuelle Studie des BUND (Landesverband Berlin, Crellestr. 35, 10827 Berlin) zeigt, dass die große Mehrheit des Architektennachwuchses die Wichtigkeit einer nachhaltigen Bauplanung erkannt hat:
https://www.bund-berlin.de/.../80-prozent-des-architekturnachwuchses-meint-nachhaltig-bauen/