Prenzlau im Herz der Uckermark - Dichter, Damen, Denunzianten

Freunde gewinnt, Verwandte hat man. Kommunen sind ohne Familie; sie listen bekannte Gebürtige auf, Söhne und Töchter des Ortes genannt.
Marienkirche in Prenzlau
Die Marienkirche, Prenzlaus Wahrzeichen
Foto © -wn-
Braunau am Inn hat dabei einen Schwarzen Peter. Die oberösterreichische Bezirkshauptstadt macht geltend, Adolf Hitler sei zwar daselbst am 20. April 1889 geboren, habe sich aber "als Kleinkind nur drei Jahre" aufgehalten und seine "prägenden Jahre 1908-1913 in Wien" verbracht. Hingegen sei die Historizität der Stadt nachdrücklich in Lew Tolstois (1828-1910) Roman "Krieg und Frieden" geschildert. Das russische Heerlager bei Braunau im Herbst 1805 wird im Kapitel 26 im Vorfeld der Schlacht bei Austerlitz gegen Napoleon beschrieben. Ebenso wenig glücklich sind die Neunkirchener im Land der Saar mit einem Sohn der Stadt, der sich, statt bescheiden Dächer zu decken, in die Politik verrannte - mit tödlichen Folgen für Dritte. Im Stadtteil Wiebelskirchen erblickte dermalen Erich Honecker (1912-1994) das Licht der Welt. Und vor einiger Zeit wurde in der örtlichen Presse die Idee diskutiert, die nach dem Ende der Steinkohleförderung geschlossene Neunkirchener Königsgrube als Schaubergwerk wieder zu öffnen. "Unn uff de sibbd (siebte) Soohl", hieß es im regionalen Dialekt, "wird de Erich in einer Vitrine ausgestellt."
 
Sehenswürdigkeiten in Prenzlau:
  • Marienkirche
  • Stadtmauer
  • Rolandstatue
  • Stadtpark
  • Locations & Firmen in Prenzlau:
  • Ärzte
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  • Hotels
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    Die Geschichte der Stadt Prenzlau

    In anderer Lage war nach dem zweiten Weltkrieg der uckermärkische Hauptort Prenzlau, den die Akten vor 824 Jahren (2011) erstmals erwähnen. Es erwies sich als nicht nötig, gebürtigen Prenzlauerinnen und Prenzlauern einen Platz in der Liste bekannter Eingeborener zu verwehren - trotz manches grenzwertigen Falls.
    Die Kleine Friedrichsstraße in Prenzlau
    Blick in die Kleine Friedrichsstraße
    Foto © -wn-
    Die lange Stadtgeschichte ließ eine fast fünfzig Namen umfassende Notierung von Söhnen und Töchtern entstehen. Verständlich, im Mittelalter war der Ort nach Berlin-Cölln, Frankfurt (Oder) und Stendal viertgrößte Stadt der Mark Brandenburg. Ihr Wahrzeichen ist die im 13. und 14. Jahrhundert gebaute doppeltürmige Kirche St. Marien, deren prachtvoller Backsteingiebel ostwärts in die uckermärkische Moränenlandschaft hinein zeigt. Selbstbewusst heißt es: "Jahrhunderte, über alle Zeiten, steht, / nah der Ucker, stolz und stark, / alles überragend, St. Marien, / Prenzlaus Mal der Uckermark." Nur schade, dass der Spötter Kurt Tucholsky (1890-1935) ausgerechnet diese Stadt als Synonym für Provinzialismus nimmt. In seiner Pariser Korrespondentenzeit (ab 1924) erbost er sich mit Recht darüber, dass deutsch-nationale Blätter eine angebliche Unmoral der Franzosen festgestellt haben wollen. Diese Journaille stelle Paris als "eine Stadt (dar), deren weibliche Bewohner meistens in horizontaler Lage anzutreffen sind". "So geht das", ätzt Tucholsky, "jahraus, jahrein, und der … Pensionsoberst in Prenzlau spürt seine Hämorrhoiden weniger, wenn er mit Wonne liest, wie verderbt, wie degeneriert, wie verkommen Frankreich sei". Auch Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) sieht - zunächst! - keinen Grund für Komplimente. "Diese kleine Stadt, wo ... wenig für die Kunst zu thun war, konnte der fernern Entwicklung der Fähigkeiten des jungen Künstlers eben nicht sonderlich günstig sein", schreibt er über den berühmten und zum Deutschrömer gewordenen Landschaftsmaler Jacob Philipp Hackert (1737-1807). Dieser verließ 31jährig die Uckerstadt, um in Italien sein Glück zu suchen. Er fand es dort und traf später mit dem zwölf Jahre jüngeren Goethe auf dessen Italienreise zusammen. "Ich war mit Herrn Hackert draußen, der eine unglaubliche Meisterschaft hat, die Natur abzuschreiben und der Zeichnung gleich eine Gestalt zu geben. Ich habe in diesen wenigen Tagen viel von ihm gelernt", depeschiert Amateurmaler Goethe am 16. Juni 1787 aus Rom nach Hause.

    Hackert ist nicht der letzte Prenzlauer, mit dem er es zu tun bekommt. Dr. Karl Friedrich Ludwig Kannegießer (1781-1864), zwar kein Gebürtiger, geht aber als rühriger Rektor des Städtischen Gymnasiums zwischen 1811 und 1822 in die Stadtgeschichte ein. Der exzellente Dante-Übersetzer wird Adressat einer Veröffentlichung von Goethes eigener Hand. Kannegießer hatte eine - Goethe zufolge - geistreiche Besprechung des Gedichtes "Harzreise im Winter" nach Weimar geschickt. Der dort frisch ernannte Geheime Legationsrat fühlte sich nicht nur gebauchpinselt - Kannegießers Gedicht-Auslegung kam ihm dermaßen stichhaltig vor, als hätte dieser den Marsch im November 1776 selbst mitgemacht. "Mein werter Kommentator wird mit eigenem Vergnügen ersehen (also aus Goethes freundlicher Entgegnung), wie er so vollkommen zum Verständnis des Gedichtes gelangt sei", und dies "ohne die Kenntnis der besonderes vorwaltenden Umstände…", schreibt Goethe in seiner Antwort.

    Man sieht hieraus, dass das entlegene Prenzlau durchaus nicht im Nebel des Provinziellen liegt. Denn: "Nichts ist erfreulicher, als wenn wir Gelegenheit finden, dem Publikum Nachricht von öffentlichen rühmlichen und höchstnutzbaren Veranstaltungen zu ertheilen", heißt es im November 1769 in den vom Berliner Verleger Christoph Friedrich Nicolai (1733-1811) herausgegebenen "Briefen die neueste Litteratur betreffend". Folgt ein Bericht über die in Prenzlau vormittags täglich geöffnete "Öffentliche Ukermärkische Landbibliothek", die der Suckower Gutsherr Georg Friedrich von Arnim (der Ältere) (1717-1772) aus eigenen Mitteln einrichtete. Dieser Präsenzbibliothek war eine Leihbücherei beigeordnet, deren Benutzung wöchentlich einen Groschen kostete. Ein Merkblatt mahnt den Leser zur Toleranz: "Da der Inhalt der Bücher …von möglichster Verschiedenheit seyn muss; so wird sich auch ein jeder aller nachtheiligen Urtheile dieserhalb billig enthalten, und anderen das gern gönnen, was er selbst nicht nutzen kann oder will."

    Ach, hätte man doch so auch in der DDR gedacht! Denn die Erwartung, dass Verrisse oder Verhinderung seiner Bücher durch die kleinkarierte Zensurbehörde möglichst nicht eintreten mögen, hat ebenso der Prenzlauer Schriftsteller Hans-Joachim Wohlgemuth (1932-1996). Er veröffentlicht 1962 den in aufgeräumtem Stil geschriebenen Jugendroman "Egon und das achte Weltwunder". Das sogar verfilmte Opus war eine Zeitlang Bestseller, obwohl es mit etwas aufdringlichem Gestus das Hohelied des Erlernens "fortschrittlichen Verhaltens" zum Tragen bringen will.
    Die Kleine Friedrichsstraße in Prenzlau
    Der im Jahre 2000 aufgestellte neue Roland der Stadt,
    eine Skulptur aus Sandstein; sie steht
    für Rechtsstaatlichkeit und Gemeinsinn
    Foto © -wn-
    Der ungelernte Bauarbeiter und Nietenhosenträger Egon Brümmer wechselt nach einem mehrmonatigen, ihn selbstredend läuternden Gefängnisaufenthalt aus einem Musikklub mit "halbstarken" Jugendlichen unter die Fittiche der Jugendorganisation FDJ und verliebt sich nebenbei in die Kreisarzt-Tochter Christine, in sein achtes Weltwunder. Beide werden in ein Happyend hineingerissen wie es nur in einer sozialistischen Menschengemeinschaft möglich ist - auf dem Papier. Egon wird neuer, positiver Mensch. Im Heizungskeller spricht er sogar die Kohlen an: "Egon ist da, los, zeigt, was ihr könnt, macht Dampf, heizt die Küchenkessel, die Urbarmacher (Neulandgewinner) müssen essen." Und weiter in diesem Ton. Der Autor erlebt noch, wie die Egons mit ihren Weltwundern, insgesamt 4500 Personen - 1989 auf der Prager Kleinseite über die hintere Mauer der (west)deutschen Botschaft in den Garten des Palais' Lobkowitz hineinspringen. Ein neuntes Weltwunder hatte sich ereignet.

    Auch der einst ansässige Dreher, spätere SED-Funktionär Walter Kaßner (1894-1970) will 1945 für bessere Zeiten eintreten. Mit gewisser Achtung man nennt ihn einen ungebrochenen kommunistischen Draufgänger. Seit 1935 hatte er eine von der faschistischen Justiz verhängte lebenslängliche Zuchthausstrafe verbüßt. Nach der Befreiung ist er einige Zeit Bürgermeister in Magdeburg, steigt ins DDR-Innenministerium auf - eine steile Karriere. Sein Wirken zeigt die Tragik der in der DDR von vielen zunächst für progressiv und marxistisch gehaltenen Entwicklung. Der Werdegang des Antifaschisten Kaßner macht überraschend deutlich, dass Verfolgte eines unmenschlichen Systems wie er nach dem glücklichen Erlangen der Freiheit mitunter selbst Züge der ehemaligen Unterdrücker annehmen. Walter Kaßner soll als Zuträger an Verfolgungen von Menschen teilgenommen haben. Er denunziert seinen Vorgänger im Bürgermeisteramt Rudolf Eberhard (1891-1965) sowie den Baustadtrat Erich Koß (1899-1982) - sie sollen Parteifeinde sein. Es ist die Zeit der Parteireinigung Anfang der 1950er Jahre, in der sich der SED-Apparat von der Marxsche Gesellschaftsanalyse löst, nach der Zweifel am Bestehenden eine unentbehrliche Voraussetzung für jedes Fortschreiten ist. Rigoros werden Bürger, die nichts weiter als gesunden Menschenverstand obwalten lassen, als "Bremsklötze", "Versöhnler" und "Reaktionäre" "entlarvt". Beide Kommunalpolitiker werden nach Verhandlungen vor der Parteikontrollkommission von einem Gericht wegen Sabotage zu fünf Jahren Zuchthaus und Vermögensentzug verurteilt. Walter Kaßner wird in den Akten mit dem frohlockenden Satz zitiert: "Nur durch solche Maßnahmen kann der 3. Parteitag (20. - 24. Juli 1950) richtig vorbereitet werden."

    Auch die ranghöchste Dame unter Prenzlaus Honoratioren, Friederike Luise von Hessen-Darmstadt (1751-1805), zweite Frau des späteren Preußen-Königs Friedrich Wilhelm II. (1744-1797), litt an wahnhaftem Misstrauen gegen Menschen. Die als merkwürdig und anmutslos geschilderte Dame "sah Gespenster und Geister, schlief beiTage, wachte bei Nacht, hatte immer zu große Hitze, so dass sie im Sommer wie im Winter nachts im Hemde am offenen Fenster saß",
    Die Kleine Friedrichsstraße in Prenzlau
    Baustelle auf dem Prenzlauer Marktberg,
    der vor dem zweiten Weltkrieg einmal das Herz der Stadt
    war und wieder werden soll (Aufnahme von Mitte Juni 2011).
    Es entstehen Wohnquartiere und Freizeiteinrichtungen.
    Im Hintergrund die Ostseite der im 13.
    und 14. Jahrhundert gebauten Marienkirche.
    Foto © -wn-
    heißt es in der Preußen-Chronik des rbb. Ihr verschwendungssüchtiger Gatte, dem es gelang, den preußischen Staatsschatz in ursprünglicher Höhe von 54 Millionen Reichstalern in eine Staatsschuld gleicher Höhe zu verwandeln, führte nebenher mehrere morganatischen Ehen. "Hauptfrau" ist Wilhelmine Encke, die spätere Gräfin von Lichtenau (1753-1820) - die bekannteste unter den involvierten Konkubinen.

    Prenzlaus Liste umfasst mehr als zehn Politiker, ebensoviele Kulturschaffende, fünf Adlige und ein paar Sportler. Augenscheinlich bleiben die aus Glaubensgründen eingewanderten Hugenotten und ihre in der Stadt geborenen Nachkommen unberücksichtigt. "Prenzlau, welches seit dem dreißigjährigen Kriege einer Wüste glich, sei größtentheils von den Refugies (Flüchtlingen) aufgebaut worden", heißt es in der 1847 in Prenzlau erschienenen "Ausführlichen Geschichte der Uckermark". Der Autor beruft sich auf Erinnerungen von Hugenotten, die nach dem 1685 vom Großen Kurfüsten Friedrich Wilhelm (1620-1688) erlassenen Edikt von Potsdam in die Mark gekommen waren. Nach der Zusicherung von Glaubensfreiheit, des Niederlassungsrechtes und anfänglicher wirtschaftlicher Privilegien hatte sich in der Stadt z.B. das Familien-Unternehmen Salingre etabliert, das in großem Stil Tierhäute zu Leder verarbeitete. "Durch den Kunstfleiß der (teils schon in der Stadt geborenen) Colonisten wurde ferner in Prenzlau auch eine neue, im Lande noch unbekannte Art des Gebrauchs des Leinsamens eingeführt, welcher bald ein ansehnlicher Handelszweig ward", teilt das erwähnte Geschichtswerk mit. Ölmühlen betrieben die Hugenotten-Familien Petit und le Quoi, bekannt in der Branche waren die Unternehmer Jaques Bassenge und Sohn Paul. Menschen mit Migrationshintergründen en masse - wohin man auch in Prenzlaus Geschichte blickt. Gut vorstellbar, dass es in der Stadt vielleicht doch noch einmal eine Hugenotten-Straße geben könnte.

    Wie man nach Prenzlau kommt:


    Von Berlin aus benutzt man die Autobahn A11 bis zum Abzweig Prenzlau. Von dort sind es noch etwa 13 Kilometer bis zur Stadt.
    Fotos / Text: -wn- & Tkni

    Adresse der Stadtverwaltung:
    Am Steintor 4
    17291 Prenzlau

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