Die Hobrechtsfelder Bauern staunten: Leise berieselts den Klee

So viele Menschen irren nicht, denkt man, beschließt das Parlament ein umstrittenes Gesetz.
James Hobrechts
Relief James Hobrechts an der Gutshofmauer
Foto © wn
Denn sollte man wegen ein paar Gegenstimmen der Mehrheit im Plenum die Urteilskraft bestreiten? Gegebenenfalls, ja. Denn partikulare Interessen sind oft im Spiel, und nicht der pure Gemeinsinn. Der Historiker Alexis de Tocqueville (1805-1859) kommt in seinem lesenwerten Buch "Über die Demokratie in Amerika" zu dem Schluss: Eine Mehrheit nähre "die Vorstellung, dass bei einer Vereinigung vieler Menschen mehr Bildung und Weisheit zu finden sei als bei einem einzelnen". Von der im Leben durchaus möglichen Gleichzeitigkeit von Mehrheit und Unvernunft wusste der hoch gebildete, letztlich erfolgreiche preußische Stadtplaner James Hobrecht (1825-1902) ein Lied zu singen. Er bekam es mit vehementem lobbyistischen Widerstand zu tun.
 
Sehenswürdigkeiten in Hobrechtsfelde:
  • Hochseilklettergarten
  • Gut Hobrechtsfelde
  • Waldweide
  • Stein ohne Grenzen
  • Zugehörigkeit von Hobrechtsfelde:
  • Landkreis: Barnim
  • Gemeinde: Panketal
  • Ortsteil: Zepernick
  • Wohnplatz Hobrechtsfelde
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    Geschichte des Ortes Hobrechtsfelde

    1858 hatte er den Auftrag erhalten, einen perspektivischen Bebauungsplan für die Stadt Berlin zu erstellen. Das nach ihm genannte Projekt umfasste bebaute und leere Flächen Berlins und der bis 1929 noch selbstständigen Kommune Charlottenburg sowie der Gemeinden Reinickendorf, Weißensee, Lichtenberg, Rixdorf und Wilmersdorf. Mit diesem sogenannten Fluchtlinienplan mit seinen in alle Himmelsrichtungen abgehenden Magistralen und den verbindenden Ringstraßen können wir heute noch gut leben. Ab 1885 tritt Hobrecht auch als Schöpfer der ersten Berliner Abwasser-Kanalisation in Erscheinung, einer - angesichts der damals grundschlechten hygienischen Verhältnisse - neuartigen Stadtentwässerung. Der Mitverfechter des Projektes, der Charité-Arzt Rudolf Ludwig Karl Virchow (1821-1902), schrieb in einem Bericht, die mit der Kanalisation beauftragte Kommission habe "mit großer Geneigtheit den Gedanken des Herrn Baurath Hobrecht entgegen (genommen), die Stadt in mehrere Entwässerungsgebiete zu zerlegen und jedes einzelne derselben mit einem unabhängigen Kanalsystem, dessen Mündung in der Peripherie des betreffenden Stadttheils gelegen ist, zu versehen". Der nördlichste Endpunkt eines dieser Kanäle war das nahe Berlin-Buch gelegene Vorwerk Birkbusch, das seit dem 3. August 1908 - als Ehrung für den Namensgeber - Hobrechtsfelde heißt und heute zur Großgemeinde Panketal gehört.

    Rieselfelder in Hobrechtsfelde


    Kopfstarke Lobbyistengruppen liefen nun Sturm, weil die in Berlin bisher praktizierte Abfuhr von Abwasser und Fäkalien und deren Einleitung in die Spree durch die unterirdische Kanalisation ersetzt werden sollte. "Zweihundertfünfzig Bürger von Berlin" machten in einem anonymen Memorandum geltend, die Stadt erhielte damit "Canäle, welche die bösartigsten Auswurfstoffe in sich aufnehmen und durch ihre Verbindungs-Rohre die daraus aufsteigenden, tödtlichen Dünste Verderben bringend direct ins Innere der Häuser, in den Kreis unserer Familien führen". Diese "Abfuhrinteressierten" argumentierten wie es Lobbyisten nun mal tun: Sie geben ihr eigenes wirtschaftliches Interesse populistisch als allgemeingültig aus. Solche Gegner des Baurats hatten mediale Unterstützung. Der "Humoristisch-satirische Volkskalender des Kladderadatsch für 1878" macht sich regelrecht lustig über die revolutionäre Neuerung. Mit witzigem Anspruch behauptet er, im Jahre 1978 seien alle Berliner ausgestorben, weil sie durch den Verzehr des Gemüses, das man auf den Rieselfeldern anbaute, zu Tode gekommen seinen. "Die Berliner, an magere knappe Kost gewöhnt, konnten diese fetten Gaben der Mutter Grün nicht vertragen", schreibt der Humorist des Kalenders in einem vorweg genommenen Rückblick.

    James Hobrecht, der es gelernt hatte, zeitweiligen Mehrheiten zu trotzen, konnte 1884 in seinem resümierenden Bericht "Die Canalisation von Berlin" feststellen, es sei ein umfangreiches Bauwerk entstanden, "das seinen Zweck erfüllt und … den Beifall … der Bürger dieser Stadt und der unparteiischen Beobachter gefunden hat". Einen der Beweise dafür lieferte der Flecken Birkbusch/Hobrechtsfelde. Bis Ende des 19. Jahrhunderts war das Vorwerk eine Kuhbläke, in deren Gemarkung sich noch gefährliche Wildschwein-Keiler und andere Untiere herumtrieben. Darunter der kampf- und wühlstarke, 289 Pfund schwere Riesen-Eber, der erst nach längerer Pirsch am 5. Dezember 1828 in der Zepernicker Heide erlegt wurde. "Die stattliche Figur, die anständigen Gewehre und die schöne graue Kehle des Ebers bewogen mich, den mehrjährigen Schmarotzer unserer Feld- und Gartenfrüchte für das zoologische Museum zu bestimmen", schwärmte der Schönebecker Oberförster Bartickow später in "Der Jäger - Allgemeine Jagdzeitung für Deutschland". Mit Beginn des 20. Jahrhunderts ändern sich die Verhältnisse in Birkbusch radikal: Ein Stadtgut entsteht mit der Zielvorgabe, die eingerichteten und mit Abwasser aus der Innenstadt beschickten Rieselfelder zu bewirtschaften. "Rieselfelder", staunen die ortsansässigen Kossäten, "sind Filter, welche die Aufgabe haben, das Wasser, soweit es nicht verdunstet, oder durch die Pflanzen aufgenommen wird, versickern zu lassen". Auf den planvoll berieselten Flächen werden Roggen, Sommergerste, Hafer und Futterklee angebaut. Die Domäne ist bald ein Vorzeigeobjekt der Stadt Berlin, in der Feld-, Fleisch- und Milchwirtschaft in großem Stil betrieben wird.

    Niemand konnte wissen, dass schon 100 Jahre später das "Kloset-, Wirthschafts- und Regenwasser" nicht mehr verrieselt, sondern geklärt werden würde. Mit dem Aufbau der Kläranlage im nahen Schönerlinde endet 1985 die Nutzung der umgebenden Rieselfelder. Vom Stadtgut Hobrechtsfelde blieben der sechs Stockwerke hohe und 900 Tonnen fassende Getreidespeicher mit einem damals modernen Lüftungssystem, die Scheune und das Verwaltungshaus. Zu den Gründen, den heutigen unter Denkmalsschutz stehenden "Wohnplatz" Hobrechtsfelde mit seinen knapp 200 Einwohnern dennoch zu besuchen, zählt nicht nur, dass man hier vorerst ein ländliches Idyll mit dem Charme des Morbiden antrifft. Es gibt den "Abenteuerkletterpark Panketal", ein Freiluft-Kino, die Hobi-Müller-Ranch, einen Reiterhof, der keinen Kinderwunsch enttäuscht, sowie Dorffeste im Gutshof wie die Walpurgisnacht mit Hexenfeuer und Lifemusik. Ohne dass sich die bei solchen rituellen Scheiterhaufen Aufsicht führenden Feuerwerker pyromanischer Neigung verdächtig machen, pflegen sie doch sichtbar verzückten Blickes das in den Flammen raucharm knisternde Brandgut und legen wenn nötig Äste und Kloben nach. Die Feste mit ihren den Gutshof ausleuchtenden hohen Feuer-Lohen verlaufen wie die Walpurgis-Lustfeuer in Goethes Faust II: "Man tanzt, man schwatzt, man kocht, man trinkt, man liebt; / Nun sage mir, wo es was bessers gibt?"

    Wie man nach Hobrechtsfelde kommt:
    Man verlässt Berlin nordwärts auf der Autobahn A14 und benutzt nach sieben Kilometer die Abfahrt Bucher Straße. Nach zwei Kilometern beginnt linkerhand die Hobrechtsfelder Chaussee, über die man nach kurzer Fahrt den Ort erreicht. Er soll in naher Zukunft Mittelpunkt der touristisch interessanten "Rieselfeldlandschaft Hobrechtsfelde" werden, des größten unbebauten Freiraumes des Berliner Nordens.
    Text: -wn- / Stand: 15.07.2014


     
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