Neben der Orgel ist der hölzerne Altaraufsatz von 1610 das
wichtigste Ausstattungsstück der Melzower Dorfkirche. Die
Jahreszahl ist einer Inschrift am unteren Rand der
Predella zu entnehmen. - Foto © -wn-
"Ach, säßest du jetzt an einem Froschteich in der Mark Brandenburg, wie viel wohler wäre mir dort als bei dem süßen Geleier der Signora Desdemona!" Kulanter in Ton und Wirkabsicht ist Heinrich Heine (1797-1856). In der Sammlung "Lutetia. Berichte über Politik, Kunst und Volksleben" will er ausgerechnet den Uckermärkern Mut machen, sich doch dem preußisch-deutschen Umland zugehörig zu fühlen. Er schreibt, die damals hochberühmte und "schwedische Nachtigall" genannte Koloratursängerin Jenny Lind (1820-1887) gehöre "nicht exklusive dem kleinen Schweden, sondern sie repräsentiert die ganze germanische Stammesgenossenschaft, … sie ist auch eine Deutsche … mit Stolz nennen wir Jenny Lind die Unsre! Juble, Uckermark, auch du hast teil an diesem Ruhme!" Niemand hat bisher erklären können, warum Heine besonders den Menschen in Melzow und Umgebung Mut machen wollte, sich der deutschen Kultur zugehörig zu wähnen. Der Dichter würde heute frohlocken, dass am Oberuckersee geografisches Hinterwäldlertum eine Weltoffenheit nicht ausschließt. Im Örtchen passiert man, anders geht es gar nicht, die aus der Zeit des ausgehenden 13. Jahrhunderts stammende Kirche mit ihrem verbretterten Dachturm. Das Gebäude, eine geheimnisvolle Mischung aus Anmut, Trutz und Lebensart ist ein anheimelnder Saalbau aus zum Teil gequaderten Granitsteinen. 2004 wurden die mehr als 600 Pfeifen der Orgel des Orgelbauers August Ferdinand Dinse (1811-1899) originalgetreu wieder hergestellt bzw. restauriert, die Windladen, Ventile und der Spieltisch erneuert. Die 2002 begonnenen "Melzower Sommerkonzerte" erhielten damit zusätzliche akustische Opulenz. Viel gibt es im Gotteshaus auch fürs Auge. Der reich geschnitzte Renaissance-Altar stammt aus dem Jahre 1610 und verfügt über eine Predella (Altarunterbau), die drei beziehungsreiche biblische Schnitz-Reliefs auf den Betrachter wirken lässt. Die Abendmahls-Szene das eine, Jesus im Kreise der Jünger, unter ihnen der Zuträger der Hohenpriester, Judas Iskariot - sie alle das Passah-Lamm in Erinnerung an den Auszug der Israeliten aus Ägypten verspeisend. Das Mahl gipfelt in Jesus' Trinkspruch "Trinket alle daraus (aus dem Kelch); das ist mein Blut des Bundes, das vergossen wird für viele zur Vergebung der Sünden." (Matthäus 26,27-28) Diese Zusicherung einer durchgängigen Sündenvergebung führt unter Christen zur Annahme, dass dieses gegebene Wort, wenn es schon kein Anlass für ungehemmtes Sündenmachen ist, so doch die fröhlich und zuversichtlich machende Gewissheit bedeutet, dass sich der Christ nicht ins Puritanische zu flüchten braucht und der Scheinheiligkeit anheim fallen muss. Von dieser christlichen und auch in atheistische Gefühlswelten kräftig hinein scheinenden Lebenslust getragen war im Sommer 2011 eines der Sommerkonzerte. Es war das Gastspiel des Herrenwieser Vocalensembles unter Leitung des sächsischen Musikers und Musikwissenschaftlers Martin Krumbiegel (geb. 1963), Bruder des drei Jahre jüngeren Sängers in der Band Die Prinzen und Solokünstlers Sebastian. Der exzellente Kammerchor bot unter dem Motto "Meine Freundin, bist du schön" Hohelied-Vertonungen aus mehreren Jahrhunderten. Mit den vorgetragenen Liebesliedern wehte die Erkenntnis durchs Kirchenschiff, dass die Bibel zwar zuallererst ein Buch des Glaubens, dann aber auch der Lebens- und Sinnenfreude ist. Dann ein Konzert im Herbst: Die "3 Peas" - Studenten am Jazz Institut Berlin (Bass, Schlagzeug, Piano) - ließen mit unkonventionellen futuristischen Tönen erkennen, dass dem Neuem auch in der Musik zunächst immer das Flair des Einsamen und der ungewissen Zukunft vorausgeht.