Das Oderbruch in Brandenburg

Text: -wn- (Journalist aus Berlin) / Letzte Aktualisierung: 18.02.2023

Blick über das Oderbruch
Ein Urlaub im Oderbruch lohnt sicher! - Foto: © -wn-

Die Oder, das Bruch, die Brücher

"Ein harter Kanten Brot ist besser als gar nichts in der Hand." Oder auch: "Wer nicht isst, was die Kelle klikt, der musz essen, was der Hund schit." Solche kategorischen Lebensmaximen erzählen von den anfänglichen Selbst-Zumutungen jener Neu-Oderbrücher, die Preußenkönig Friedrich II. (1712-1786) mit Hilfe einer "Kommission zur Herbeischaffung von Kolonisten" Mitte des 18. Jahrhunderts im Oderbruch ansiedelte. Der größte deutsche Flusspolder, ein durch Flussbegradigung und Melioration nutzbar gemachtes Binnendelta, ist 80 km lang und 4 bis 16 km breit. In seinem nördlichen, vor dem Eingriff oft überfluteten Teil spielte sich die Erfolgsgeschichte einer inneren Kolonisation ab, die den Preußenkönig zu der selbstgefälligen Bemerkung veranlasste: "Hier hab ich im Frieden eine Provinz erobert." - bekanntlich konnte der kriegerische Schöngeist auch anders. Um den Fluss schneller zu machen und die Hochwassergefahr wenigstens zu mindern, wurde zwischen Güstebiese (Gozdowice) und Hohensaaten ein neues geradliniges, knapp 19 Kilometer langes Strombett gegraben und auf diese Weise eine etwa 25 Kilometer lange Schleife aus dem Flussverlauf genommen. Erfahren Sie mehr über die Oder in Brandenburg

Das Leben im Oderbruch

Nach kurzer Zeit waren die mit Gräben versehenen 32500 Hektar Neuland in der ehemaligen Oderschleife so weit entwässert, dass dort ab 1753 1300 Familien siedeln konnten. Die Namen der Straßendörfer Beauregard bei Wriezen oder Croustillier nahe dem gepflegten Museumsdorf Altranft weisen z.B. auf die französischsprachigen Siedler hin. Für die Pflege der Abzugsgräben, in denen Grund- und Regenwasser abläuft, hatte der König ein drakonisches Grabengesetz erlassen. "Wer seinen Feld- und Grenzgraben nicht räumt, muss einen Groschen Strafe für die Ruthe (ca. 3,5 Meter) zahlen", heißt es darin. Klare Ansagen auch für die neuen Dämme: "Um Johannis (24. Juni) müssen die Dämme unerinnert gekräutert sein." Der nutzbar gemachte, fette Bruch-Boden besteht aus humushaltigem Erdreich, das sich aus dem Oderschlamm gebildet hatte. Die meist guten Ernten sicherten jedermanns Einkommen. In den Gewässern tummelten sich Zander, Aale und Karpfen. Die Hechtreißer - ein neuer Beruf - konnten auf Angel und Netz verzichten und griffen die Fische mit den bloßen Händen. Eine Neuheit die Fischfackel: Die Aalquappe, ein Süßwasserraubfisch, war so fett, dass er getrocknet und in Streifen geschnitten den Kien ersetzte.

In den rund 250 Jahren seit der Besiedelung entfalteten die Oderbrücher ein reiches gesellschaftliches Leben voller Eigenheiten, das Chronisten gelegentlich auch kritisch beurteilen. Theodor Fontane merkt an, er sei in den Bruchdörfern zumeist jener Tüchtigkeit begegnet, "die aus starkem Egoismus und dem Instinkt des Vorteils hervorgeht". Andere Autoren beobachteten sogar Sittenverderbnis. Der Bauer schreite "im langen Rock, ein paar weiße Handschuh an den Händen, langsam und gravitätisch nach der Kirche; aber er sitzt am Abend oder Nachmittag ... im Gasthofe des Dorfes und vergnügt sich bei Spiel und Wein". Darauf ließe sich mit der Zusicherung Friedrichs antworten, wonach "jeder nach Seiner Fasson Selich" werden sollte.

Tipps für einen Urlaub im Oderbruch

Das Oderbruch ist eine wunderschöne Landschaft, die zur Erholung einlädt. Es gibt aber auch einige interessante Sehenswürdigkeiten:

Natur und Umwelt

Doch nun scheint eine "Kommission zur Herbeischaffung von Vernunft" vonnöten. Ungewissheit macht sich breit. Ab 2013 ist das Oderbruch als Region für den großflächigen Anbau von Biomasse zur Herstellung von Kraftstoffen vorgesehen. Nach Meinung des in Zollbrücke ansässigen Vereins "Forum Oderbruch" tritt damit der Naturschutz schnell in den Hintergrund. Die typische Bruchlandschaft fällt ausgedehnten Biomasseplantagen zum Opfer. Eine nicht weniger beunruhigende Perspektive eröffnet der - wegen rückläufiger staatlicher Zuschüsse - anzunehmende Rückzug des Gewässer- und Deichverbandes, der zurzeit 1250 km Gewässer sowie wasserwirtschaftliche Einrichtungen betreut. Der Verein macht geltend, dass die Landschaft des Bruches eine einzigartige Dichte an Kulturdenkmälern aufweist, die von wasserwirtschaftlichen Anlagen über Kirchen bis hin zu alten Höfen und topografischen Besonderheiten reicht. Deshalb wird angeregt, dass möglichst alle landschaftlichen Akteure des Oderbruchs einen Solidarverband gründen, der dafür Sorge trägt, dass die großen Landwirtschaftsbetriebe ihre wirtschaftliche Grundlage behalten und kleine Agrarproduzenten sowie andere Unternehmungen sich etablieren können.

Es geht um die Identität dieses einzigartigen Landstrichs. Eine zur Weltliteratur zählende Geschichte wirkt heute wie eine Warnung. Vor knapp 200 Jahren schrieb der Dichter und Naturforscher Adelbert von Chamisso (1781-1838) in Kunersdorf, einem Dörfchen am Westrand des Bruches, seine bekannte Märchennovelle "Peter Schlemihls wundersame Geschichte". Erzählt wird vom verlorenen Schatten und einem daraus folgenden schmerzlichen Identitätsverlust. Die Gefahr eines großflächigen Wegbleibens von Eigenart ist im Oderbruch nicht gebannt. Zustände könnten kommen wie sie mahnend ein weiteres altes Sprichwort der Oderbrücher beschreibt: dass schließlich eine Gegend entsteht, "wo bloß noch der Hund mit dem Hintern kräht".

Wie man in das Oderbruch kommt:

Auto: Von Berlin kommend benutzt man die B 158 Richtung Bad Freienwalde, das im nördlichen Teil des Bruches liegt. Wer auf der B 1 ankommt, gelangt in den südlichen Teil. Weitere interessante Orte sind Letschin, Seelow, Neuhardenberg und Zollbrücke.

Fahrrad: Der Oder-Neiße-Radweg führt von Frankfurt/Oder bis nach Hohensaaten. Auch der Europäische Fernradweg führt durch das Oderbruch. Er berührt u.a. Neuhardenberg, Sophienthal und Küstrin-Kietz.

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