Wirtschaftsstandort Berlin - Vor- und Nachteile für Unternehmen
Text: O. K. / Letzte Aktualisierung: 03.06.2024
Der Wirtschaftsstandort Berlin boomt. Mit über 40.000 Neugründungen allein im Jahr 2023 hat sich die deutsche Hauptstadt nach den Corona-Krisenjahren wieder zu einem Magnet für große Unternehmen und Start-ups entwickelt. Das zeigt sich auch in anderen Zahlen wie dem Wirtschaftswachstum: Während dieses im Jahr 2023 bundesweit bei nur 0,3 % stagnierte, verzeichnete Berlin mit 1,6 % im bundesweiten Vergleich die dritthöchste Zuwachsrate. Aber warum zieht es so viele Firmen hierher? Gründe sind unter anderem die zentrale Lage, die unmittelbare Nähe zu politischen Entscheidern, die hervorragende Infrastruktur und das reichhaltige kulturelle Angebot. Doch wie jeder attraktive Wirtschaftsstandort hat auch die Hauptstadt ihre Herausforderungen wie hohe Gewerbemieten, ein starker Wettbewerb und der allseits beklagte Fachkräftemangel. In diesem Artikel möchten wir die Vor- und Nachteile des Wirtschaftsstandorts Berlin genauer beleuchten und Ihnen Möglichkeiten aufzeigen, wie Sie mit Ihrem Unternehmen in der Bundeshauptstadt erfolgreich durchstarten können.
Zentrale Lage mitten im Herzen Europas macht Berlin zu einem guten Wirtschaftsstandort
Berlin profitiert von seiner strategisch günstigen Lage im Herzen Europas. Diese Position ermöglicht es kleinen wie großen Unternehmen, schnell und effizient auf Märkte in ganz Europa zuzugreifen. Mit einer Fahrzeit von einer Stunde zu wichtigen Wirtschaftsstandorten wie Hamburg und Leipzig sowie weniger als zwei Stunden Flugzeit zu fast allen europäischen Hauptstädten ist Berlin zudem ideal für Unternehmen, die international tätig sind. Darüber hinaus bietet Berlin durch seine Lage exzellente Logistikmöglichkeiten. Die Stadt ist hervorragend an das Autobahn- und Bahnnetz angebunden und verfügt im Stadtgebiet über verschiedene Binnenhäfen wie den Havelport. Das erleichtert Unternehmen den Transport von Waren enorm. Der nahgelegene Flughafen Berlin Brandenburg (BER) dient zudem als schnelle Verbindung zum Rest der Welt. Diese Vorteile nutzen schon jetzt zahlreiche international erfolgreiche Unternehmen. Beispielsweise hat E-Commerce-Riese Zalando seinen Hauptsitz in Berlin und profitiert von der exzellenten logistischen Anbindung der Stadt. Auch der amerikanische Elektroauto-Hersteller Tesla macht sich mit seiner erst 2022 im Speckgürtel von Berlin eröffneten Gigafactory die strategische Lage zunutze, um seine E-Fahrzeuge noch effizienter in Europa zu vertreiben.
Nähe zu Politik- und Wirtschaftsverbänden
Ein großer Vorteil für Unternehmen in der Bundeshauptstadt ist die Nähe zu politischen Entscheidern und Wirtschaftsverbänden. Der Bundestag und die Ministerien sind nur einen Steinwurf entfernt. Zudem gibt es schätzungsweise rund 500 Lobbyverbände, die direkten Zugang zum Bundestag haben. So haben Unternehmen die Möglichkeit, direkt mit Akteuren aus der Politik zu interagieren, was gerade für regulierte Branchen wichtig ist. Darüber hinaus sind in der Spreemetropole zahlreiche Wirtschaftsverbände wie beispielsweise der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) oder auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) angesiedelt, was das Knüpfen von Netzwerken erleichtert.
Wissenschafts- und Innovations-Hotspot Berlin
Die Hauptstadt ist der Hotspot für Wissenschaft und Innovation in Deutschland. Zahlreiche renommierte Universitäten wie die Humboldt-Universität und die TU ziehen kluge Köpfe aus aller Welt an. Zudem zählt Berlin aktuell über 200 Forschungseinrichtungen wie das Max-Planck- und Fraunhofer-Institut. Das macht Berlin zu einem Zentrum für Spitzenforschung und bietet in der Region angesiedelten Unternehmen die Möglichkeit, auf die neusten Erkenntnisse zuzugreifen. Schon jetzt profitieren Start-ups und etablierte Firmen von engen Kooperationen mit Hochschulen und Forschungsinstituten. Ein Beispiel dafür sind Bayer und Siemens, die diese Synergien für ihre Forschung und Entwicklung nutzen. Leider ist Berlin so auch zu einem Hotspot für Industriespionage geworden!
Hohe Lebensqualität und exzellente Infrastruktur
Berlin ist für Arbeitnehmer aus aller Welt attraktiv, besonders aber für junge Talente. Gründe sind die hohe Lebensqualität, das reiche kulturelle Angebot mit seinen zahlreichen Museen und Theatern und natürlich das pulsierende Nachtleben in der Spreemetropole. Hinzu kommt die hervorragend ausgebaute Infrastruktur mit ihrem dichten U-Bahn-, S-Bahn- und Bus-Netz. Sie macht es Arbeitnehmern leicht, sich innerhalb der Stadt zu bewegen und zur Arbeit zu pendeln. Für junge Menschen ist die Hauptstadt mit ihrem Flair besonders attraktiv. Das große Freizeitangebot, die Nähe zum ländlichen Brandenburg, die Club-Szene und die vielen Sportmöglichkeiten bieten die ideale Work-Life-Balance. Diese Attraktivität nutzen gerade Start-ups und entscheiden sich bewusst für Berlin als Standort.
Hohe Mieten für Büro- und Produktionsflächen
Die Nachfrage nach Gewerbeflächen in Berlin nach wie vor hoch. Dies führt nicht nur zu einem Mangel an geeigneten Büro- und Produktionsflächen, sondern treibt auch die Preise in die Höhe. Laut verschiedener Berichte sind die Mieten für gewerbliche Immobilien in Berlin allein in den letzten Jahren um durchschnittlich 20 % gestiegen. Diese steigenden Fixkosten können besonders für Start-ups und kleine Unternehmen eine große finanzielle Belastung darstellen. In naher Zukunft dürfte sich nichts an dem Preistrend ändern. Eine Alternative bietet Unternehmen die Reduzierung der Bürofläche durch Remote-Arbeit. Alternativ bieten Co-Working Spaces oder geteilte Büros oft flexiblere und kostengünstigere Mietoptionen. Diese Modelle ermöglichen es Unternehmen, flexibel auf Flächenbedarfe zu reagieren und Kosten zu sparen. Laut einem aktuellen Bericht gibt es in Berlin rund 250 dieser Coworking-Spaces und Business-Center - das entspricht einem Zuwachs um 41,5 Prozent seit 2020.
Stark umkämpfter Wirtschaftsstandort Berlin
Durch seine vorteilhafte Lage in Europa und der weiter oben genannten Vorzüge ist Berlin für viele Branchen attraktiv. Besonders die Tech- und Start-up-Szene, Unternehmen aus dem Kreativsektor und E-Commerce-Firmen sind in der Hauptstadt stark vertreten. Das kann es gerade neuen Unternehmen erschweren, sich in Berlin niederzulassen und zu wachsen. Um sich von der Konkurrenz abzuheben, können sich Unternehmen auf Nischenmärkte, innovative Produkte oder Dienstleistungen spezialisieren. Zudem hilft der Aufbau einer eigenen Unternehmenskultur, die Kunden und Mitarbeiter gleichermaßen anlockt. Vor allem Letzteres ist wichtig, da der starke Wettbewerb sich auch auf den Arbeitsmarkt erstreckt. Viele Unternehmen müssen um qualifizierte Fachkräfte konkurrieren. Das führt zu höheren Gehaltskosten und mehr Aufwand beim Anwerben von Fachkräften.
Nach wie vor großer Fachkräftemangel
Obwohl die Berliner Start-up-Szene viele junge Talente anzieht, gibt es in einigen Bereichen wie der Technologie- und Ingenieurbranche einen Mangel an hochqualifizierten Fachkräften. Schätzungen gehen davon aus, dass in den nächsten Jahren mehrere Tausend IT-Fachkräfte in der Spreemetropole fehlen werden. Das schränkt das Innovations- und Wachstumspotenzial von Unternehmen, die auf IT-Profis angewiesen sind, stark ein. Umso wichtiger ist es, die auf dem Arbeitsmarkt verfügbaren Fachkräften mit möglichst attraktiven Konditionen zu locken. Nur so besteht die Chance, auf dem Jobmarkt überhaupt als Arbeitgeber in Berlin infrage zu kommen. Dazu gehören beispielsweise flexible Arbeitszeiten und die Möglichkeit, im Home-Office arbeiten zu können. Auch andere Benefits wie zum Beispiel Angebote zur Gesundheitsförderung, Gutscheine zur Freizeitgestaltung, Firmenwagen und Bonusprogramme erhöhen die Chance, qualifizierte Bewerber für sich zu begeistern. Unternehmen können zudem von der großen Anzahl an Studenten in Berlin profitieren. Mit rund 200.000 Studenten an Universitäten und Fachhochschulen bietet die Hauptstadt einen enorm großen Pool an jungen Talenten. Durch clevere Kooperationen mit Hochschulen und das Anbieten von Praktika können Berliner Unternehmen Talente finden und frühzeitig fördern. Diese Strategie kann helfen, den Fachkräftemangel in den Griff zu bekommen und die Innovationskraft des Unternehmens auf lange Sicht zu sichern.
Schwierige Wohnungssituation für Arbeitnehmer
Die Mietpreise in der Hauptstadt kennen seit Jahren nur eine Richtung: nach oben. Hinzu kommt, dass Wohnraum in der Spreemetropole generell ein knappes und stark umkämpftes Gut ist. Bestes Beispiel: Ein Neubauprojekt der Howoge in Friedrichshain. Auf das Inserat für 119 Wohnungen gingen innerhalb von 30 Minuten 23.000 Anfragen ein. Die Folge ist, dass Arbeitnehmer oftmals nur weit außerhalb der City eine Wohnung finden und weite Strecken und hohe Kosten für den täglichen Weg zur Arbeit in Kauf nehmen müssen. Unternehmen können dieser Wohnungsknappheit begegnen, indem sie potenzielle Arbeitnehmer bei der Wohnungssuche unterstützen. Eine Möglichkeit bietet zum Beispiel die Kooperation mit einer Immobilienagentur. Alternativ können Unternehmen - die finanziellen Möglichkeiten vorausgesetzt - auch eigenen Wohnraum anmieten oder eigene Wohnungen bauen, um diese bei Bedarf Mitarbeitern zur Verfügung zu stellen.
Fazit: Berlin ist ein Wirtschaftsstandort mit Chancen, aber auch Herausforderungen
Der Wirtschaftsstandort Berlin lockt Unternehmen mit vielen Vorteilen wie seiner zentralen Lage, der Nähe zur Politik und der vielen Forschungseinrichtungen. Doch der Markt ist stark umkämpft, die Gewerbe- und Wohnungsmieten sind hoch, und es herrscht wie überall in Deutschland akuter Fachkräftemangel. Um dennoch in der Bundeshauptstadt erfolgreich zu sein, müssen sich Unternehmen von ihren Mitbewerben abheben. Am besten funktioniert das, indem Sie potenziellen Arbeitnehmern ein attraktives Arbeitsumfeld bieten und sie aufgrund der angespannten Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt bei der Wohnungssuche unterstützen.
Weiterführende Informationen und Quellen:
- Der Wirtschaftsatlas Berlin erleichtert Unternehmen die Suche nach einem geeigneten Standort in Berlin. https://www.businesslocationcenter.de/wirtschaftsatlas
- In den Online-Jobportalen suchen viele Berliner Unternehmen händeringend nach qualifizierten Mitarbeitern.
Zum Beispiel werden durch randstad aktuell ca. 1500 freie Stellen angeboten: https://www.randstad.de/jobs/berlin/berlin/
Der Fachkräftemangel in Berlin ist ein echtes Problem für die Berliner Wirtschaft. - Die IHK Berlin stellt Zahlen, Daten und Fakten zur Berliner Wirtschaft zur Verfügung und unterstützt angeblich Berliner Firmen. https://www.ihk.de/berlin/...statistiken-zur-berliner-wirtschaft
Viele Berliner Unternehmer (so wie auch der Betreiber dieser Webseite) sehen die IHK aber eher kritisch. Besonders mit Blick auf die Zwangsmitgliedschaft! Die Wahlbeteiligung bei den letzten IHK Wahlen in Berlin lag gerade mal bei 6,33%.