Grunewaldturm in Berlin

Text: -wn- (Journalist aus Berlin) / Letzte Aktualisierung: 15.03.2023

Inschrift am Grunewaldturm
Die Kaiserwidmung an der Havelseite des Turmes - Foto © -wn-

Der Grunewaldturm in Berlin ist ein beliebtes Ausflugsziel. Kann man doch von der Aussichtsplattform einen herrlichen Blick über Berlin genießen! Im Restaurant, das sich im Grunewaldturm befindet, kann man sich nach einer Wanderung stärken.

Der Grunewald-Turm: "Zum Sehen geboren, Zum Schauen bestellt"

"Zum Sehen geboren,
Zum Schauen bestellt,
Dem Turme geschworen /
Gefällt mir die Welt."


Wo immer man im Laufe des Lebens auch hinkommt - Johann Wolfgang von Goethes Dichterpegasus überflog meist nämliche Stelle schon und gebar ein sinniges Wörtlein dazu. Wohlklingend meist und - wie hier - im Versmaß des freien Knittels verfasst - ein Lob des lustvollen Betrachtens freier Natur von oben herab. Im Faust II kommt dieses Lob des Turmes aus dem Mund des Schloss-Türmers Lynceus. Und man muss nur einmal auf dem im westlichen Grunewald gelegenen Karlsberg stehen, um festzustellen: Ja, dieser Lynceus hat Recht, eine Ausschau von dort oben hinunter, wo sich Städte, das Land und der Fluss miniaturisiert hinbreiten und sich die Horizonte weiten - ein solcher Blick ist für die Menschenseele stets erhebend; eigene Begrenztheit wird verdrängt. Auf dem Karlsberg ist die magere Höhe von 78,5 Metern über NN erreicht, und oben auf dem Turm sind es noch 55 Meter mehr, so dass das Bauwerk wegen des Mangels an anderen geografischen Höhepunkten als hoch über dem Ufer der vorbei ziehenden Havel stehend bezeichnet werden kann. Vom Karlsberg grüßt dieser in Backsteingotik märkischer Manier errichtete Grunewald-Turm nach Hohengatow am jenseitigen Ufer. Und von dort aus erkennt man nicht, dass der scheinbar im Einsamen stehende, entrückt wirkende Bergfried nach seiner anderen Seite hin direkt an der schmalen Havelchaussee aufragt und von ihr bequem erreicht werden kann, wenn man auf einen Blick in die Landschaft aus ist. Immerhin sieht man bis Spandau, erkennt Schloss und Rathaus Charlottenburg, den Funk- und den Fernsehturm. Die in ihren Verläufen ausschweifende Havel kommt hier von Norden, übernahm unterwegs die Wasser von Spree und Panke und hat sich nunmehr seenartig verbreitert - wie kein anderer deutscher Strom es tut. Für einige weitere Flusskilometer hält er eine südwestliche Richtung ein, um zwischen Werder und Brandenburg den kleinen Ketziner Nordbogen einzuleiten, von dessen Ende er schließlich in Richtung Nordwesten zur Elbe hin fließt.
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Aussichtsplattform am Grunewaldturm

Theodor Fontane (1819-1898) benennt im Aufsatz "Am Wannensee" allerdings auch eine andere Seite des Havelgebietes: "... so schön die prächtige Wasserfläche ist, die sich hier ausbreitet, so sehr dieses Blau labt und die schönen Linien des Ufers das Auge erfreuen, ein Mangel bleibt, von dem alle Landschaftsbilder unserer Mark nicht freizusprechen sind - Monotonie". In diesem Idyll wiederholt sich manches. Es ist heiter und andererseits von erheblichem Ernst geprägt - vorausgesetzt man weiß, was sich hier im Rund der Gemarkung alles zugetragen hat. Denn die ruhige flache Naturkulisse verquickt sich gelegentlich mit mancherlei geschichtlichem Hintergrund.
Schauen wir: Der Blick vom Turm nach links geht über das Prominenten-Eiland Schwanenwerder hinweg zum Wannsee mit seiner gerundeten Halbinsel. Am westlichen Uferbogen dieses Kaps befindet sich das Grundstück, auf dem die nach ihm benannte fast hundertjährige Zwei-Stock-Villa steht. In deren Mauern erhielt am 20. Januar 1942 ein singuläres, zu diesem Zeitpunkt schon im Vollzug befindliches deutsches Groß-Verbrechen einen letztgültigen organisatorischen Rahmen - der Holocaust. Hier offenbart die Landschaft, wie quälend nahe Ernst und Frohmut in ihr beieinander liegen. Unweit der Wannsee-Villa - immer noch auf der Halbinsel - weiß man jenes schmale Wassergrundstück, das die Aussicht hätte, ins Guinness-Buch der Rekorde zu gelangen. Vermutlich ist es das am häufigsten aus mannigfachen Perspektiven und in verschiedenartigen Details gemalte Anwesen der Welt: Villa und Grundstück des Malers Max Liebermann (1847-1935), den die Neider und andere Dummköpfe einen "Verherrlicher des Hässlichen" nannten. Denn er malte nicht nur Blumenbeete und Gartenbäume, auch Landleute wie sie in Beethovens Pastorale auftauchen - Gänserupferinnen etwa (1872), Konservenmacherinnen (1873) oder eine Kartoffelsammlerin (1875). Sie zeigen das zuneigende Verhältnis des deutschen impressionistischen Malers zur menschlichen Kreatur überhaupt.

Grunewaldturm in Berlin
Der Grunewald-Turm von der Chausseeseite her gesehen - Foto © -wn-

Bei klarem Wetter kann sich das Auge weiter südlich an dem Straßenübergang festmachen, auf dem der Verkehr zwischen Berlin und Potsdam den kurzen Fließ überwindet, der den Großen und Kleinen Wannsee verbindet. Gleich hinter dem Übergang, wahrscheinlich an der nordöstlichen Uferspitze des Kleinen Wannsees spielt sich am Nachmittag des 21. November 1811 der Selbstmord des 1777 geborenen Dichters Heinrich von Kleist und seiner todkranken 31-jährigen Freundin Henriette Vogel ab. Man findet ihre die Leichen kurz nach den beiden Schüssen in einer flachen ufernahen Mulde. An Ort und Stelle werden sie nächsten Tags begraben. Weiter westlich liegt wie eine Sperre die Pfaueninsel im Wasser der Havel - auch dort eine Geschichte von einem Mann und einer Frau. Auf das Eiland hatte sich der 22-jährige Kronprinz Friedrich, der später Lüderjan (Taugenichts) genannte Preußen-König Friedrich Wilhelm II. (1744-1797), mit der 13-jährigen (!) Wilhelmine Enke (1753-1820) übersetzen lassen. Das Mädchen war die Tochter eines Hornisten im Königlichen Orchester und Gastwirt in der Potsdamer Spandauer Straße. Mit Fünfzehn wurde das Mädchen erstmals schwanger. Unbekannt, wie oft der Prinz mit ihr auf der Insel war; bekannt ist, dass er von ihr nicht mehr abließ - freilich ohne sie zu ehelichen. Wilhelmine durfte sich später Gräfin von Lichtenau nennen und galt als die umtriebige "preußische Madame de Pompadour". Lüderjan brachte das polygame Element preußischer Prägung zu einiger Vollendung: in Gestalt morganatischer Nebenehen.

Noch etwas weiter entfernt die Glienicker Brücke ernstes Flair verbreitend; hier wurden während des Kalten Krieges Agenten der jeweils anderen Seite und Agenten des Ostens gegen Dissidenten des Ostens ausgetauscht. Auch ist die Brücke der Ort zahlreicher "ständiger Ausreisen" Ostdeutscher in den Westen, für die die Verwaltung des abgebenden Staates stattliche Kopfgelder einnahm. Was dem nicht ausgelernten saarländische Dachdecker E. Honecker (1912-1994), der hier kräftig die Hände aufhielt, nie gelang, den Verfall seines Rufes aufzuhalten, brachte jener Mann zuwege, von dem die Ullstein-Weltgeschichte schreibt, er sei "ein Mann ... beschränkten, aber festen und klaren Geistes, nüchtern, soldatisch und ehrenhaft" gewesen. Diesen Herrn muss man im Untergeschoß des Grunewaldturmes passieren, wenn man nach oben will: Es ist der zweieinhalb Meter große aus weißem Carrar-Mamor gefertigte, stolz blickende deutsche Kaiser Wilhelm I. (1797-1888), einer der zwei Preußen-Potentaten, die vor der Zeit auf den Thron mussten. Sein Enkel Wilhelm II. musste es - weil dessen Vater Friedrich III. (1831-1888) wegen Kehlkopfkrebs nur 100 Tage regierte, und Wilhelm I. selbst - weil sein kinderlos gebliebener Bruder Friedrich Wilhelm IV. (1795-1861) wegen einer Geisteskrankheit 1858 regierungsunfähig wurde. In einer seitlich geknöpften Uniform steht Wilhelm I. auf dem Sockel - mit seiner markanten Barttracht, deren haarstarke Koteletten über den ausschwingenden, nachts mit einer Bett-Bart-Binde in Form gehaltenen Oberlippenbart verbunden sind. Diesem operettenhaft wirkenden Kaiser gelang eine - wenn auch begrenzte - Besserung eines gegen Null gesunkenen persönlichen Ansehens. Wilhelm ging im Frühjahr 1848 als "Kartätschen-Prinz" in die Geschichte ein. Er drängte Friedrich Wilhelm IV. zu einer militärischen Niederschlagung der Berliner Barrikadenkämpfer. Den Abend des 17. März beschreibt der Historiker und Abgeordnete der Frankfurter Nationalversammlung Wilhelm Zimmermann (1807-1878) in seinem Buch "Die deutsche Revolution": "Am furchtbarsten war der Kampf in der (Berliner) Breitenstraße, welche von Bürgern, Schriftstellern und Studenten bewacht und durch eine gewaltige Barrikade verschlossen war. Aus dem Portal im Schloss wurde vier Stunden lang mit Kartätschen auf diese Barrikaden geschossen, unter den Augen des Königs und unter Leitung des Prinzen von Preußen (des späteren Wilhelm I.) ..." Der Scharfmacher musste aus Sicherheitsgründen für einige Monate ins englische Exil. In Berlin sang man - nach den verhalten-verlockenden Tönen der Sper-Polka von Johann Strauß dem Älteren - das Lied eines anonymen Texters, in dem es heißt:

"Komme doch, komme doch
Prinz von Preußen
komme doch, komme doch
nach Berlin
wir woll´n dir mit
Steine schmeißen
und das Fell
über die Ohren ziehn."


Natürlich hatte er auch Unterstützer. Keineswegs ironisch gemeint war das kursierende kleine Gedicht:

"Prinz von Preußen, tapfer, bieder!
Kehr' zu deinen Garden wieder;
O du edles ritterliches Herz!
Sollst nicht England übersommern;
Wir die Vor- und Hinterpommern
Kennen keinen achtzehntigsten März."

Geschichte des Grunewaldturm

Bemerkenswert, mit welcher Vehemenz der Kreis Teltow Ende des 19. Jahrhunderts als Bauherr in Erscheinung trat und ab 1897 auf dem Karlsberg den so genannten "König-Wilhelm-I.-Gedächtnisturm" hochziehen ließ. Der Landrat Ernst Leberecht von Stubenrauch (1853-1909), der auch als Initiator des Teltowkanals gilt, wollte dem Hohenzollerngeschlecht ein Denkmal setzen. Solche Beschlüsse hatte es an mindestens 370 weiteren Orten meist in preußischen Provinzen gegeben (Stand 1904); auch dort sah man sich veranlasst, Wilhelm I. ein Denkmal oder einen Turm zu widmen. Die Befindlichkeit des so Gewürdigten drückte allerdings der von ihm selbst geprägte Satz aus: "Es ist schwer, unter Bismarck Kaiser zu sein". Offen gestand er ein, dass der seit 1871 als Reichskanzler amtierende Otto Graf von Bismarck (1815-1898) "wichtiger für das Reich (ist) als ich". Der Monarch akzeptierte, dass die Politik des in diesem Jahr geschaffenen Deutschen Reiches von Bismarck maßgeblich bestimmt wurde. Zumindest aber wurde Wilhelm damit in Verbindung gebracht, dass nach 1871 Kriege zunächst ausblieben, nicht zuletzt weil Bismarcks Außenpolitik defensiv ausgerichtet war. Der Historiker Christopher Clark (geb. 1960) schreibt in seinem Buch "Preußen - Aufstieg und Niedergang 1600-1947", der Kaiser sei "ein ehrbarer und weithin bewunderter Mensch (gewesen), eine Persönlichkeit mit der Würde eines biblischen Patriarchen". Er habe nicht von den "knauserigen Gewohnheiten eines ostelbischen Junkers gelassen" und sich aus Sparsamkeitsgründen dagegen gewehrt, dass im Berliner Schloss ein Bad mit heißem Wasser installiert wurde. Er habe stattdessen einmal in der Woche einen mit Wasser gefüllten Ledersack aufhängen lassen und unter diesem geduscht, schreibt Clark.

Im Juni 1899 war der Turm fertig. Nun brachte das Glückwunsch-Telegramm des inzwischen regierenden Wilhelm II. (1859-1941) die Erbauer in Schwulitäten.
Wahrscheinlich weil dieser den Namen "Kaiser-Wilhelm-I.-Gedächtnisturm" als zu lang und umständlich empfand, ließ er Großvaters Nomenklatur-Titel weg und gratulierte den Teltowern zum "Kaiser-Wilhelm-Turm". Die Meinungen gingen hin und her. Die einen wollten den Turm Wilhelm Eins, andere Wilhelm Zwei, wieder andere beiden gewidmet sehen. Erst 1948 wurde der Streit entschieden: Der Westberliner Senat - für den Turm inzwischen zuständig - entschied sich für den heutigen Namen "Grunewald-Turm". An der der Havel zugewandten Turm-Seite heißt es trotzig weiter: "König Wilhelm I. zum Gedächtniss".

Restaurant im Grunewaldturm

Das Restaurant im Grunewaldturm hat eine kleine, aber feine Speisekarte mit regionalen Spezialitäten. Von 10:00 Uhr - 12:00 Uhr kann man im Grunewaldturm Restaurant auch frühstücken. Für die Sommermonate steht ein Biergarten zur Verfügung.

Adresse vom Restaurant im Grunewaldturm
Restaurant Grunewaldturm
Havelchaussee 61
14193 Berlin Wilmersdorf
Tel: 030/ 41 72 00 01

Öffnungszeiten vom Restaurant im Grunewaldturm
Montag - Sonntag 10:00 Uhr - 22:00 Uhr
Unser Tipp: Besuchen Sie auch das Jagdschloss Grunewald!

Wie man zum Grunewaldturm kommt:
Mit dem Auto aus der Innenstadt auf der Bundesstraße B2/B5 kommend, biegt man von der Heerstraße links in die Straße Am Postfenn ab. Sie führt zur Havelchaussee, an der der Grunewald-Turm unweit der Gaststätte Waldhaus liegt. Nördlich des Turms befindet sich ein Parkplatz.
Vom S-Bahnhof Nikolassee kann man auf dem Havelhöhenweg bis zum Grunewald-Turm wandern (Gehzeit etwa 2 Stunden). Weitere Tipps für Ihre Freizeit in Berlin

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