Skulpturen im Großen Tiergarten in Berlin

Text: -wn- (Journalist aus Berlin) / Letzte Aktualisierung: 19.04.2023

Statue Friedrich Wilhelm III. im Tiergarten
Die Statue des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm III.
Foto © -wn-

Skulpturen im Tiergarten Berlin / "Frauenkenner" Goethe von Luise entzückt

"Noah, guck mal: Hier is sogar een König!" Oma und Opa kommen mit dem Enkel aus der Großen Querallee des Berliner Tiergartens und sind in einen der namenlosen Wege gegenüber der Luiseninsel eingebogen. Der Junge blinzelt hoch zur Skulptur des Mannes mit dem introvertierten Blick. "Das ist Friedrich der Dritte", erklärt die Oma, "kammer grad noch so lesen." "Lese richtig, Mutter, Friedrich Wilhelm der Dritte heißt er", korrigiert Opa, "det is doch der mit die schöne Luise." Des Enkels Interesse an König und Luise: Wenig mehr als Null. "Hab Durst, Oma" ningelt er. "Kriegst gleich was", sagt die, "erst gehen wir noch rüber bei Luisen. Da steht se doch schon." Die Drei gehen weiter, Noah bleibt wieder ein paar Schritte zurück, will was trinken. Von seinem hohen Sockel scheint Friedrich Wilhelm III. (1770-1840) den Dreien traurig nachzublicken. Er hat schon manche Berliner vorbeiflanieren sehen. In der "Vossischen Zeitung" schreibt Kurt Tucholsky (1890-1935) im September 1929: "Abends nach sechs Uhr (nach der Arbeit) gehen im Berliner Tiergarten lauter Leute spazieren, untergefasst und mit den Händen nochmal vorn eingeklammert ... So gehen sie dahin, die vielen, vielen Liebespaare ... erzählen sich gegenseitig, klagen sich ihr kleines Leid, und haben alle recht. Sie stellen das Gleichgewicht des Lebens wieder her." Das Standbild des Königs schuf der Bildhauer Friedrich Drake (1805-1882). Er ist aber vor allem der Schöpfer der römischen Siegesgöttin Viktoria oben auf der Siegessäule.

Friedrich Wilhelm hält in der Rechten ein Siegerkränzchen. Den Eindruck einer royalen Lichtgestalt macht er damit nicht. Überhaupt hat sein zurückhaltendes Wesen wohl mit den Umständen seiner Jugend zu tun. Biografen versuchen das Familienleben nur kurz zu streifen, in das er durch Geburt, also unverschuldet, hineingerät - alles viel zu peinlich. Sein Vater Friedrich Wilhelm II. (1744-1797) ist der von früh an zunächst Mädchen, dann Frauen verschleißende "dicke Lüderjahn" (Taugenichts). So wird er in Preußen keineswegs nur hinter vorgehaltener Hand genannt. Biograf Mart. Sincerus (Pseudonym M.R.Bruck) versucht die Kindheit des Sohnes in etwas schöneres Licht zu stellen: "Seine Jugend sah noch die neigende Sonne seines großen Onkel (Friedrich II.) und wärmte sich an den letzten Strahlen dieses seltenen Geistes." Der Wiener Autor Julius Gustav Meißner wird um 1800 den Bürgersinn des Königs loben, der privat ein bescheidenes, aber keineswegs zurückgezogenes Leben führte. Denn Meißner berichtet: "Er geht fast täglich, oft ganz allein, unter den Linden, oder im Tiergarten, zu Fuß spazieren, redet Leute an, oder nimmt ihnen die Bittschriften, die sie ihm überreichen, ab, oder weißt sie damit nach seinem Hause." Dem Monarchen, den die Romanze der russischen Wolgaschlepper zu Tränen rührt, statt dass er sich etwa vom Rhythmus des Hohenfriedberger Armeemarsches angesteckt fühlt - diesem König wird 1806 in der Auseinandersetzung mit Napoleon (1769-1821) ein folgenreicher Fehler vorgeworfen. Friedrich Wilhelm, der den damaligen desolaten Zustand der preußischen Armee offenbar nicht kennt, stellte Napoleon am 26. August ein taktisch unsinniges Ultimatum; verlangte von ihm, dass er seine Truppen bis zum 8. Oktober über den Rhein zurückführt. Bonaparte tat das Gegenteil. Die Niederlage Preußens in der Wochen später folgenden Doppelschlacht bei Jena und Auerstedt am 14. Oktober 1806 war vorprogrammiert. Friedrich Engels (1820-1895) nannte den König deshalb den "größten Holzkopf, der je einen Thron bestiegen hat".

Statue Königin Luise im Tiergarten
Statue der Königin Luise von Preußen
Foto © -wn-

Luises Kleid nicht "nicht aus dem Kasten Noahs"

Der König hat freie Sicht auf die jenseits des Tiergartenfließes liegende Luiseninsel. Hier steht die Skulptur seiner 34-jährig verstorbenen Gattin Luise (1776-1810), eine Arbeit des Bildhauers Erdmann Encke (1843-1896). Im richtigen Leben wäre zu befürchten, dass Friedrich Wilhelm an Luisens elegantem und körperbetontem Outfit wieder etwas auszusetzen hätte. Ihr unter der Brust gebundenes Kleid war - wie man in Preußen sagte - "nicht aus dem Kasten Noahs", also modern. Es gibt Grund, das modische Detail zu erwähnen. Als berühmtes Werk des Klassizismus erleben wir heute die unaffektierte Prinzessinnengruppe im Eingangsbereich der Alten Nationalgalerie, eine Skulptur des Bildhauers Johann Gottfried Schadow (1764-1850). Wir sehen die damalige Kronprinzessin Luise zusammen mit ihrer jüngeren, alsbald in Ungnade gefallenen Schwester Friederike (1778-1841). Zum Entsetzen aller tat der verklemmte Friedrich Wilhelm das fertige Werke mit seiner berüchtigten Kurzbemerkung "Mir fatal" ab. Und verbot es. Warum? Schadow hatte es gewagt, Busen und Hüften der beiden ansehnlichen Mädchen durch die fließenden Gewänder erahnbar werden zu lassen. Dafür steckten die Figuren über hundert Jahre lang in einer Kiste.

Nach den Worten der Historikerin Gertrude Aretz (1889-1938) war auch Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832), dessen Denkmal ein paar Gehminuten entfernt steht, hingerissen von Luisens natürlicher Erscheinung und - so schreibt sie - "er verstand gewiß etwas von Frauenliebreiz und Frauenschönheit". Beide Prinzessinnen habe er "im Gefolge des Großherzogs von Weimar, am 29. Mai 1793 im Lager vor Mainz" gesehen. Goethe schildert die damalige Prinzessin Luise in seinem Tagebuch, das er während seiner Teilnahme am Ersten Koalitionskrieg europäischer Verbündeter gegen Frankreich führte, als er den Herzog Karl August von Sachsen-Weimar-Eisenach (1757-1828) begleitete. Er notiert: "In mein Zelt eingeheftelt, konnte ich sie vertraulich mit den Herrschaften auf und nieder und nahe vorübergehend auf das Genaueste beobachten, und wirklich muss man diese beiden jungen Damen (Luise und Friderike) für himmlische Erscheinungen halten, deren Eindruck auch mir niemals erlöschen wird."

Goethes Denkmal auf ungeliebtem Berliner Boden

Der Tagebuchschreiber steht - einen Vierzigjährigen darstellend - am Großen Hain im Osten des Tiergartens, natürlich aus Carrara-Marmor, aus dem die Denkmale vieler Geistesgrößen gefertigt sind. Unten am Sockel sitzen leicht gewandete Damen - Allegorien der lyrischen und dramatischen Kunst sowie der wissenschaftlichen Forschung. Das Ganze ist das Werk des Bildhauers Fritz Schaper (1841-1919). Auch wenn man dem hier aufs Podest Gehobenen die Dreiheit aus Gestirn, Genie und Geistesheros nicht streitig macht - so ist es doch bemerkenswert, dass er auf ungeliebtem, auf Berliner Boden steht. Bei manchen Besuchern des Tiergartens mag die Statue deshalb nicht so wirken, wie sich das der Berliner Enzyklopädist Johann Georg Krünitz (1728-1796) vorstellte, dass nämlich eine so erhaben wirkende Statue "in den Gemüthern empfindungsvolle Vorstellungen von den Personen oder Sachen (erweckten), zu deren Andenken (sie) gesetzt" seien. Hier scheint sich das Erweckende nicht in vollem Maße zu entfalten. Erinnert man sich doch daran, wie der Olympier aus Weimar sein Verhältnis erstens zu den Deutschen klarstellte, nämlich mit den verbrieften Worten von 1808: "Sie mögen mich nicht! ... Ich mag sie auch nicht!" Offen bleibt, wann diese Aversion entstand. War es im Mai 1778, als er als Dichter und Minister das einzige Mal in Berlin war und im Gasthof Erster Klasse "Hotel de Russie, bei der Witwe Obermann", Unter den Linden 23, abgestiegen war. Lernte er bei dieser Gelegenheit harsche Berlinische Umgangsformen kennen? Fand er sich nicht genügend beachtet? Jahre später schreibt er an seinen Freund, den Berliner Musikpädagogen und Musiker Carl Friedrich Zelter (1758-1832): "Ihr Berliner ... seid mir die wunderlichsten Leute: ihr schmaust und trinkt und verzürnt euch untereinander; so dass Mord und Totschlag im Augenblick und tödlicher Hass in den Lebensfolge daraus entspringen müsste, wäre es nicht eurer Art, das Widerwärtige auch stehen zu lassen, weil denn doch am Ende alles nebeneinander verharren kann, was sich nicht auf der Stelle aufspeist."

Goethe-Denkmal im Tiergarten
Das Goethe-Denkmal - Foto © -wn-
Goethe wird in späteren Jahren in seinem Haus am Weimarer Frauenplan von Besuchern - anders als in Berlin - abgöttisch verehrt. Vor der "Göthischen Machtvollkommenheit" kuschte man aber nicht nur in der Stadt; man machte sich auch lustig. Voran der Weimarer Philologe und Schriftsteller Karl August Böttiger (1760-1835). Er schrieb: "Göthe hat gewiss poetische Momente, wo er sich für den heiligen Geist, die Vulpia (seine Frau Christiane) für die gebenedeite Jungfrau und seinen Jungen (August) für das Christuskind hält." Auch Thomas Mann (1875-1955) schildert im satirischen Roman "Lotte in Weimar" die kriecherischen Huldigungen Weimarer Spießer an den Hofrat. Beschrieben wird eine Mahnung des im Haus Goethes mitwohnenden Schweizer Malers Johann Heinrich Meyer (1760-1832), den man spöttisch den "Goethemeyer" nannte. Er gibt in Thomas Manns Roman einer Tischgesellschaft wichtige Verhaltenshinweise zum Umgang mit dem noch nicht erschienenen Hausherrn: "Das weitaus Klügste bleibt es immer ... nicht zu glauben, man müsse ihn (Goethe) gleich mit hohen und geistreichen Sujets, etwa gar von seinen eigenen Werken, unterhalten. Nichts ist unratsamer. Vielmehr empfiehlt es sich, ihm von einfachen und concreten Dingen der eigenen Erfahrung harmlos vorzuplaudern, wobei er dann ... schnellstens aufzutauen pflegt und in die Lage kommt, seiner teilnehmende Güte behaglichen Lauf zu lassen." Gewarnt werden die Tischgäste vor plumper Vertraulichkeit, "die den Abstand außer acht läßt, in dem er sich von uns allen befindet". So sehr ein Fixpunkt deutschen Geists im Berliner Tiergarten fehlen würde, gäbe es Goethes Denkmal nicht - unterwürflerische Gefühle kommen dort vermutlich aber nicht auf.

Andere Gefühle und Eindrücke bietet das Haydn-Mozart-Beethoven-Denkmal am Steppengarten. Die 1904 entstandene aparte Bildhauerei seines Urhebers Rudolf Siemering (1835-1905) vereint selten gesehene hüfthohe Bildnisse von Joseph Haydn (1732-1809), Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) und Ludwig van Beethoven (1770-1827). Wegen der Besonderheit des Dreier-Denkmals regte sich bald nach seiner Fertigstellung der berüchtigte Berliner Humor mit seinem Hang zum freundlichen Verhohnepipeln. Die Ähnlichkeit des Denkmals mit einem monumentalen Kachelofen ließ den Begriff vom "Musikerofen" entstehen. Die Frage bleibt, warum der Bildhauer gerade die drei Komponisten auswählte und warum nicht etwa Bruckner, Bach und Brahms. Man könnte auf die Idee kommen, dass es sich mit Blick auf Haydn, Mozart und Beethoven um einen Ort handelt, an dem bisher unverwirklichte menschliche Visionen zutage treten. Mozarts von ungestümer Daseinsfreunde, aber auch Verzweiflung gekennzeichnete Jupiter-Sinfonie C-Dur könnte hier aufklingen. Das Glücksempfinden, das dieser Musik entströmt, wird immer wieder von harschen Tönen gebremst. Weder endet die Sinfonie mit einem Happy-End noch gestaltet Mozart eine entmutigende Apokalypse. Aber doch stehen Lebensgenuss und Lebensqual schroff gegeneinander. Der Schluss erweist sich als "ein leidenschaftliches Dahinjagen, das keine Ruhe mehr bringt - Klänge des Unmutes und Aufbegehrens, selten so scharf von Mozart gehört", heißt es in einer Annotation aus dem 19. Jahrhundert. Gehen wir herum um das Denkmal und sehen in Beethovens Gesicht; er blickt lakonisch, ja enttäuscht aus den steinernen Augen - so als habe er erkannt, dass die mit seiner Musik untersetzte Aussage Schillers, wonach alle Menschen Brüder werden, noch weit, ja ziemlich weit von einer Verwirklichung entfernt ist.

Udo Lindenberg ergänzt die Nationalhymne: Hinterm Horizont geht's weiter

Haydn-Mozart-Beethoven-Denkmal im Tiergarten
Das Haydn-Mozart-Beethoven-Denkmal - Foto © -wn-

Einzig von Joseph Haydn geht an diesem Orte Hoffnung aus. Da ist unter seinen sechs Quartetten des Opus 76, die dem ungarischen Grafen Joseph Georg von Erdödy (1754-1824) gewidmet sind, jene Variation in C-Dur, die sich "Das Kaiserquartett" nennt. Schicksalhaft für Deutschland; das Stück enthält die Melodie des heutigen emphatischen Liedes der Deutschen, der Nationalhymne. Auf jeder hochrangigen Feier, vor Boxkämpfen oder Fußballspielen wird sie intoniert - und sie erzeugt zunehmende Popularität mit ihren von Hoffmann von Fallersleben (1798-1874) formulierten Kernworten Einigkeit, Recht und Freiheit. Zwar verspricht die Hymne nichts, aber sie ist wegweisend und ermutigend - so wie es übrigens auch die Hymne der DDR war, der die Funktionäre den Text entzogen. Eine weitere grandiose Strophe zu diesem Lied der Deutschen schuf der Rockmusiker und Schriftsteller Udo Lindenberg (geb. 1946). Udo Lindenberg singt seine tänzelnden Schlenderschritte vollführend:

"Hinterm Horizont geht's weiter
ein neuer Tag
hinterm Horizont immer weiter
zusammen sind wir stark!
Das mit uns ging so tief rein
das kann nie zu Ende sein
sowas Großes geht nicht einfach so vorbei!"


Der Text zeigt, welch tiefe Gefühle auch "lässige Sprache" auslösen kann, wenn sie sich denn Entschlossenheit und Hoffen der Menschen zum Thema macht.

Unweit dieses selbstredend gedachten Klanggeschehens, direkt an der Lennè-Straße, steht ein weiterer wichtiger Deutscher, dessen Botschaft Teile der Menschheit in den Wind zu schlagen scheinen. Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781) figuriert auf seinem Sockel, die Rechte wie aus Entrüstung in die Seite gestemmt, rechts hält er ein Buch. In seinem Stück "Nathan der Weise" spricht der reiche Jude Nathan die Ringparabel. Dabei zitiert er einen Richter, der auf die Frage, welches die rechte Religion sei, antwortet: "Wohlan! Es eifre jeder seiner unbestochnen von Vorurteilen freien Liebe nach! Es strebe von euch jeder um die Wette, die Kraft des Steins in seinem Ring an Tag zu legen!" Wie nahe sind uns Nathans Worte! Wie sehr wurden diese Worte bisher in den Wind geschlagen!

Wie man zum Tiergarten kommt:
Der Große Tiergarten ist Teil des Bezirks Mitte von Berlin. Die Berliner Bezirke Charlottenburg-Wilmersdorf und Tempelhof-Schöneberg grenzen unmittelbar an den Park. Die Parkanlage liegt entsprechend zentral in der Stadt und ist aus allen Richtungen sehr gut erreichbar.

Weitere Denkmale im Tiergarten:
Im Tiergarten befinden sich weitere Denkmale u.a. für Richard Wagner, Albert Lortzing, Jean-Jacques Rousseau, Theodor Fontane, Rosa Luxemburg und Otto von Bismarck.

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Gedenkstätten in Berlin: