Das Marx-Engels-Denkmal in Berlin

Text: -wn- (Journalist aus Berlin) / Letzte Aktualisierung: 19.04.2023

Marx-Engels-Denkmal in Berlin
Das Marx-Engels-Denkmal in Berlin Mitte - Foto: © -wn-

Das Marx-Engels-Denkmal wurde 1986 eingeweiht. Wegen der Verlängerung der U-Bahnlinie 5 wurde es an die Karl-Liebknecht-Straße versetzt.

Marx-Engels-Denkmal: Mohr und Fred verschoben und gedreht

Denkmäler abräumen, weil Ären und Machthaber wechseln - die Zeitläufte kennen solche Gebräuche. Je einhelliger geschasste Potentaten des Bösen oder der Dummheit überführt sind, umso schneller stürzen ihre Standbilder von den Sockeln. Mancher Abriss vollzieht sich fieberhaft; hingegen rufen Versuche Kritik hervor, wenn dem Erinnern dienliche, mahnende oder ehrende Male aus politischem Kalkül verschwinden sollen. Am 1. November 1869 berichtet der Trierer Privatgelehrte Karl Heinrich Marx (1818-1883) seinem Freund, dem Barmer Unternehmer und Publizisten Friedrich Engels (1820-1895) von einem regelrechten Denkmalssturm, der sich in der niedersächsischen Stadt Celle zugetragen hatte. Marx war außer sich. Denn der bedeutendste Theoretiker des Sozialismus war Choleriker, dachte nicht nur in ökonomischen Kategorien; er hatte auch derbere Ausdrücke als nur Mehrwert oder Ware auf der Zunge. Man denke nur an "das Schwein", gemeint war Karl Vogt (1817-1895), ein konspirativer Vulgärmaterialist in bonapartistischem Sold, oder an den "dummen Wilhelm" - womit Wilhelm Liebknecht (1828-1900), Herausgeber des sozialdemokratischen Parteiorgans "Der Volksstaat", gelegentlich belegt wurde. Marx, der für das Blatt schrieb, ärgerte sich über den saumseligen Liebknecht, der vergaß, ihm Belegexemplare zu schicken. Der Celler Polit-Vandalismus aktivierte besonders Marxens Neigung zu beißendem Spott: "Die Preußen haben wieder einen wundervollen Preußenstreich gemacht mit (der) Zerstörung des Langensalzadenkmals in Celle", depeschiert er dem langjährigen Freund. Das Corpus Delicti war ein fünfeinhalb Meter hoher Sandstein mit den Namen der Gefallenen in der Schlacht von Langensalza im Deutschen Krieg von 1866. Die siegreiche preußische Armee hatte die Hannoverschen Gemarkungen besetzt, aber ungeachtet ihrer Niederlage errichteten die Niedersachsen im Oktober 1869 ein Ehrenmal für ihre gefallenen Krieger. Nach einer strikten Untersagung dieser Totenehrung durch die preußische Militärverwaltung beräumen Soldaten das Denkmal.

Wichtige Informationen über das Marx-Engels-Denkmal in Berlin

Marx-Engels-Denkmal:
Karl-Liebknecht-Str.
10178 Berlin

Anfahrt:
S-Bahn: S3, S5, S7, S75 (Bahnhof Alexanderplatz)
U-Bahn: U2, U5, U8 (Bahnhof Alexanderplatz)
Bus: TXL, 248

Öffnungszeiten:
Immer zugänglich

Tipp:
Am Denkmalsockel befindet sich ein QR-Code. Scannt man diesen mit dem Smartphone kommt man zum Projekt "Talking Statues" und kann Erläuterungen von Gregor Gysi zur Geschichte des Denkmals hören.

Marx-Engels-Forum in Berlin

Als Sockelfigur blieb Marx eine Beräumung erspart. Offen ist, ob der "gottlose Selbstgott" - so nannte Heinrich Heine "meinen noch viel verstocktern Freunde Marx" - insgeheim hoffte, dass ihm die Deutschen vielleicht einmal ein Denkmal setzen würden wegen seiner, wenn auch nicht irrtumsfreien Innenschau des Kapitalismus. Es fehlte dem Spezialisten für Kapitalbildung und -ströme zwar privat immer die Penunse, weil er eines geregelten Broterwerbs unfähig war. Am 27. Juni 1868 bestätigte er seinem Permanent-Gläubiger Engels: "£ 5 mit thanks empfangen", und es häufen sich in den Briefen weitere Danksagungen. Aber an Selbstbewusstsein mangelte es dem ewig klammen Marx nicht. Und postmortal fehlte es ja auch nicht an mannigfachen Honneurs. Noch heute tragen - vorwiegend in Ostdeutschland - über fünfzig Plätze, über 500 Straßen seinen Namen. In Ostberlin wurden 1986 nahe dem Roten Rathaus Marx und Engels als überlebensgroße, dunkel patinierte Bronzefiguren aus der Werkstatt des Bildhauers Ludwig Engelhardt (1924-2001) aufgestellt. Ein ZEIT-Reporter notierte 1990: "Am Marx-Engels-Denkmal ... half mein Kollege einem Kind auf die bronzenen Knie der Marx-Statue, was es so glücklich stimmte, dass es sich gleich den Daumen zum Munde führte." Durch häufiges Betatschen sind die Knie des sitzenden Marx schon abgewetzt, ebenso blank sind die Handoberflächen; Engels hingegen steht weitgehend unberührt daneben. Beide Figuren erwecken den Eindruck, als warteten sie zusammen mit die Normen brechenden Bestarbeitern und erntestarken Bauern auf fällige Verdienstorden. Die Statuengruppe ist überdies das einzige Denkmal der beiden, das eine Evakuierung und eine Drehung im Umfang von 180 Grad erfuhr. Es stand dem Weiterbau der U-Bahn-Linie U5 Alexanderplatz zum Brandenburger Tor im Wege und musste auf einen 80 Meter entfernten, südwestlich gelegenen Standplatz ausweichen - dorthin wo die Liebknechtstraße die Spree überquert. Beide Bartträger entziehen nunmehr dem Osten ihren Blick und schauen nach Westen in Richtung des künftigen Humboldt-Forums.

Marx-Engels-Denkmal mitten in Berlin

Es ist den beiden schon weitaus Schlimmeres passiert, als dass ihre bronzenen Abbilder vor Tunnelbohrern einer Tiefbaufirma weichen mussten. Die Funktionäre des doktrinären Staatssozialismus machten aus ihnen Auguren, beuteten ihre Theorie aus, verbogen und beschnitten sie. Was immer Marx und Engels im kapitalistischen Gesellschaftsgefüge als menschenunwürdigen Zustand strukturell erkannten - im "alternativen" Staatssozialismus hatte manches eine Entsprechung. Marx schrieb: "An die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Klassen und Klassengegensätzen tritt eine Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist." An Stelle der alten Gesellschaft etablierte sich ein politisches System, in dessen Zentrum der Hass auf alles Bürgerliche und Religiöse stand. Es entstanden nach den Worten des polnischen Philosophen Leszek Kolakowski (geb. 1927) Staaten, die "mehr Spione als Krankenschwestern und mehr Menschen im Gefängnis als in den Spitälern" hatten, in denen "die Philosophen und die Schriftsteller immer das gleiche sagen wie die Minister und die Generäle, aber stets erst nach diesen". Die kapitalistische "entfremdete Arbeit" erlebte im demokratiefernen Realsozialismus eine Renaissance als organisierte Verantwortungslosigkeit; die "Diktatur des Proletariats" entpuppte sich als eine von wenigen ausgeübte Staatsgewalt. Gern benutzten die Propagandisten das Marx-Zitat von der Religion als "Opium des Volks". Unzitiert blieb, dass sie auch "Protestation gegen das wirkliche Elend" ist. Plakative Bekenntnisse zur Französischen Revolution von 1789/99 hinderten die Marx-Epigonen nicht daran, verfassungsmäßige Grundrechte, wie sie der Code civil (Code Napoléon) von 1804 formuliert, auf dramatische Weise zu verletzen. Das Schlimmste, was die Marx-Umdeuter den beiden Klassikern antaten, war das Verbot des kreativen Zweifels am Bestehenden, die Unterdrückung des "Bedürfnisses, die jeweils aufgestellten Absoluta in Frage zu stellen", wie es der Publizist Christian Heidrich formulierte. Damit war Marxsches Denken außer kraft gesetzt.

Mit welchen Unschuldsminen die beiden Denker des 19. Jahrhunderts heute in der City Ost auch figurieren, sie sind nicht unschuldig daran, dass ihre Apologeten den hohen zivilisatorischen Wert einer gesellschaftlichen Gewaltenteilung folgenreich missachteten und dem Prinzip einer "führenden Partei", sprich: einer führenden Gruppe, den Vorzug gaben. Die Idee der menschlichen Emanzipation durch Bildung und Freiheit - wie sie auch dem "Lieben Mohr" und "Dear Fred" in ihren Briefen vorschwebte - ist dennoch nicht tot. Die beiden Bronzereliefs "Die Würde und Schönheit freier Menschen" der deutschen Grafikerin Margret Middell (geb. 1940) im Vordergrund des Denkmals erweisen sich deshalb als wichtige Ergänzung.
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