Bonhoeffer-Haus in Berlin

Text: -wn- (Journalist aus Berlin) / Letzte Aktualisierung: 19.04.2023

Dietrich Bonhoeffer war ein bekannter Theologe. In seinem Elternhaus wird heute an ihn und seine Familie gedacht.

Das Bonhoeffer-Haus in Charlottenburg

Die wichtigsten Informationen über das Bonhoeffer-Haus in Berlin auf einen Blick:

Adresse:
Erinnerungs- und Begegnungsstätte Bonhoeffer-Haus
Marienburger Allee 43
14055 Berlin (Charlottenburg)

Was gibt es im Bonhoeffer-Haus zu sehen?
Angeboten werden Führungen durch die ständige Ausstellung des Hauses, darunter das rekonstruierte Arbeitszimmer Dietrich Bonhoeffers. Zu besonderen Anlässen wird zu Foren, Gesprächen und musikalischen Veranstaltungen eingeladen.

Öffnungszeiten des Bonhoeffer-Haus

Das Haus wird ehrenamtlich geleitet und betreut. Bitte nehmen Sie vor Ihrem Besuch Kontakt mit der Gedenkstätte auf, um einen Termin zu vereinbaren.

Geöffnet ist das Haus:
Sa ab 10:00 Uhr deutschsprachige Führung
ab 11:00 Uhr englischsprachige Führung
Mo - Fr auf Anfrage

Eintrittspreise Bonhoeffer-Haus

  • Eintritt frei
  • Um Spenden wird gebeten

Weitere Gedenkstätten in Berlin

Das Bonhoeffer-Haus in Charlottenburg - Der gepeilte Himmel

Bonhoeffer-Haus in Berlin Charlottenburg
Das Bonhoeffer-Haus in der Marienburger Allee in Charlottenburg - Foto: © -wn-

Da war diese Bischöfin. An einem Februar-Abend 2010 steigt sie in Hannover etwas bekneipt ins Auto. Vermutlich nimmt sie nach dem Losfahren die farbenvolle Abfolge der ins Auto einscheinenden Lichter als ästhetisches Erlebnis wahr - so wie es schon in den Sprüchen des Alten Testamentes (13,9) heißt: "Das Licht der Gerechten brennt fröhlich ..." Im Spektrum der heiteren Helligkeiten kommt alsbald ein rotes rundes Licht auf sie zu; und kaum dass sie Zeit gehabt hätte, ein rettendes "Kyrie Eleison" (Herr, erbarme dich) auszurufen, ist die rote Supernova schon rechts an ihr vorbei gerast. Das weitere wird bald ausgiebigst kommuniziert: die Promille, der Strafbefehl, die Zahlung, die Fahrerlaubnis. Die Bischöfin, Angehörige der deutschen politischen Klasse, tut umgehend etwas in dieser Kaste höchst unpopuläres: Sie reut das Vorgefallene, tritt vom ziemlich hohen Amt zurück mit der auch für Nichtgläubige beeindruckenden Begründung: "Du kannst nie tiefer fallen als in Gottes Hand." Obwohl niemand das amtsgerichtliche Verfahren als ungerecht empfindet, gibt es keinen ersten Stein, der hätte geworfen werden können. Und Häme? - keine Spur. Die Dame wird vielmehr von einer breiten Sympathiewelle getragen, gleicht in diesem Moment der einzigen Sünderin, die die Bibel kennt: jene aus dem Lukas-Evangelium (7,37), die Vergebung heischend Jesus' Füße mit Tränen benetzt und mit den Haaren ihres Hauptes trocknet - eine keineswegs unerotische Stelle im Buch der Bücher. Bekanntlich bescheidet Jesus die Frau mit dem Hinweis: "Dein Glaube hat dir geholfen; geh hin in Frieden!"

Bonhoeffer Haus in Berlin Charlottenburg

Die viel beachtete Reaktion der Pastorin lässt auf eine menschliche Eigenschaft schließen - auf die Fähigkeit zu ehrlicher Einsicht. Und so wie die Frau im schwarzen Habit sich erklärt, macht sie auch ihrem Gott - es ist derjenige, von dem es heißt, dass ohne dessen Willen kein Sperling vom Dach fällt - keine Vorwürfe wegen Verletzung göttlicher Aufsichtspflicht. Ihr Bekenntnis zu eigener Schuld und Verantwortung in einer profanen Angelegenheit des Straßenverkehrs berührt dennoch eine theologische Frage. Es geht um eine neuartige, ja revolutionäre Neu-Peilung des Himmels, der nicht nur Adresse für unterwürfige Stoßgebete sein soll. Einer der Orientierungssucher, die den christlich gesinnten Menschen als einen für sich und für andere verantwortlich Handelnden sehen wollen, ist der lutherische Theologe Dr. Dietrich Bonhoeffer (1906-1945). Er ist in den Nazijahren Angehöriger der sich gegen Gleichschaltung wehrenden Bekennenden Kirche und aktiver Antifaschist. Erhalten geblieben ist sein Elternhaus in der Marienburger Allee 43 in Charlottenburg. In ihm richtete die Evangelische Landeskirche Berlin 1987 die Erinnerungs- und Begegnungsstätte Bonhoeffer-Haus ein. Es ist ein Ort, der jedermann offen steht, der in die Gedankenwelt des bedeutenden Theologen eintreten möchte. Man kann sich informieren über seine interessante Sicht auf Gott und die Welt, insbesondere auf die Person des Jesus von Nazareth (4 v. Chr.-30 oder 31 n.Chr.). Diesem Tischlersohn gilt seine Aufmerksamkeit. Bereits 1937 löst er eine Debatte aus, nachdem er geschrieben hatte, dass die Kirche die Verkündigung der christlichen Botschaft und die von Gott ausgegebenen Sakramente bisher eher "billig (gab), man taufte, man konfirmierte, man absolvierte ein ganzes Volk, ungefragt und bedingungslos (hier im Sinne von Absolution erteilen), ... man spendete Gnadenströme ohne Ende". Hingegen vermisse er die Aufforderung, sich im alltäglichen Leben am Handeln des tätigen Jesus Christus zu orientieren oder - wie die Christen sagen - sich in eine echte irdische Nachfolge Jesu Christi zu begeben.

Das Problem der schrumpfenden Autorität einer nur mit Unterweisungen ihrer immer öfter abgängigen Schäfchen befassten Kirche beschäftigt bereits den Berliner Theologen und Philosophen Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher (1768-1834), dessen Werke Bonhoeffer in der Jugendzeit gelesen hat. Schleiermacher veröffentlicht 1799 sein Buch "Über die Religion", dessen Titelzeile er mit dem herausfordernden Zusatz versieht: "Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern". Er beklagt die eingetretene Gottesferne aufgeklärter Denker des 19. Jahrhunderts mit den Worten: "Ich weiß, wie schön es euch gelungen ist, das irdische Leben reich und vielseitig auszubilden, dass ihr der Ewigkeit nicht mehr bedürfet, und wie ihr, nachdem ihr euch selbst ein Weltall geschaffen habt, nun überhoben seid an dasjenige zu denken, welches euch schuf." Damit zielt er auch in Richtung der Weimarer Dichter Goethe und Schiller, die im "Musen-Almanach für das Jahr 1797" ein atheistisches Leben im Vergleich zum frommen als viel schwerer zu führen bezeichnen. Frömmigkeit ermögliche ein bequemes Leben, in dem alle Fragen gelöst seien. Hingegen: "Wer ohne Frömmigkeit will leben, / Muß großer Mühe sich ergeben: / Auf seine eigne Hand zu wandern, / sich selbst genügen und den andern". Mit solchen Gedankenkonstruktionen will Dietrich Bonhoeffer nicht leben, erst recht nicht mit dem vielfach missdeuteten Sinnspruch aus der Feder des Trierer Privatgelehrten Karl Heinrich Marx (1818-1883), wonach die Religion "das Opium des Volks" und deren Abschaffung "die Forderung seines wirklichen Glücks" sei. Bonhoeffer tritt hingegen mit Axiomen in Erscheinung, mit denen die evangelische Kirche noch heute nicht vollends glücklich ist. Kann man dort seinem Prinzip von der Diesseitigkeit der Kirche noch Verständnis entgegen bringen, lichten sich aber die Reihen seiner Brüder im Geiste angesichts seines Verlangens einer nichtreligiösen Interpretation der Bibel. Leider reichte seine Lebenszeit nicht aus, diesen Gedanken hinlänglich auszuarbeiten. Er läuft darauf hinaus, dass religionsloses und weltliches Reden über Gott, die Kirche, den Gottesdienst und das Gebet möglich sein muss. Seit den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts ist deshalb die Bergpredigt im Matthäus-Evangelium (5‒7) einer der Mittelpunkte in Dietrich Bonhoeffers Denken. Sie ist diejenige Sammlung der Aussagen von Jesus Christus, deren sozialethischer Gehalt wie z.B. der Gewaltverzicht oder das Entsagen gierhaft zusammengerafften Eigentums noch heute auch für Nichtgläubige von Bedeutung ist. Trotz massiver Austritte aus der Katholischen Kirche nimmt man inzwischen in Deutschland eine Rückkehr des Religiösen in der Gestalt individueller Lebensentwürfe in Familie, Beruf und sonstigem Leben wahr. Der atheistische russische Schriftsteller Daniil Alexandrowitsch Granin (geb. 1919) meint 2008 sogar: "Vielleicht trägt das zur moralischen Reinigung der Gesellschaft bei, denn Christi Gebote sind eine große ethische Kraft."

Gedenktafel für Dietrich Bonhoeffer in Berlin
Gedenktafel für Dietrich Bonhoeffer von Johannes Grützke (geb. 1937) an der St.-Matthäus-Kirche in Berlin-Tiergarten. Auf der Tafel steht: "Dietrich Bonhoeffer / geboren 4.2.1906, hingerichtet im KZ Flossenbürg am 9.4.1945 / Dietrich Bonhoeffer wurde am 15.11.1931 in dieser Kirche zum Pfarrer ordiniert - Foto: © -wn-

An dieser Entwicklung hätte Dietrich Bonhoeffer von theologischer Seite her an vorderster Stelle mitgewirkt. Das blieb ihm versagt. Von 1940 bis zu seiner Verhaftung nimmt er am politisch-militärischen Widerstand gegen das Hitler-Regime teil. Er gehört der konspirativen Widerstandsgruppe um den (ab 1938) Leiter des Amtes Ausland/Abwehr im Oberkommando der Wehrmacht, Admiral Wilhelm Canaris (1887-1945) an. Am 13. und 21. März 1943 verüben Angehörige dieser Gruppe erfolglose Attentate auf Adolf Hitler (1889-1945). Obwohl Dietrich Bonhoeffer an den Anschlägen nicht beteiligt ist, hat er sich - als Pazifist - intensiv mit dem Problem des Tyrannenmordes befasst. Schließlich beantwortet er die Frage "Darf ein Christ gegen das Gebot "Du sollst nicht morden" verstoßen?" mit einem Ja. In seinem unvollendeten Hauptwerk "Ethik" nimmt er dazu Stellung. Sein Credo: "Tatenloses Abwarten und stumpfes Zuschauen sind keine christlichen Haltungen. Den Christen rufen nicht erst die Erfahrungen am eigenen Leibe, sondern (ebenso) die Erfahrungen am Leibe der Brüder ... zur Tat und zum Mitleiden." Am 5. April 1943 wird er wegen "Wehrkraftzersetzung" verhaftet und ins Untersuchungsgefängnis der Wehrmacht in Tegel gebracht. Zu Weihnachten 1943 spricht er ein später vielfach publiziertes "Morgengebet", in das er auch die Mitgefangenen, ja die Gefängniswärter einbezieht: "Vor Dir (Gott) denke ich an all die Meinen, / an die Mitgefangenen und alle, die / in diesem Hause ihren schweren Dienst tun. / Herr, erbarme Dich! / Schenke mir die Freiheit wieder, / und lass mich derzeit so leben, / wie ich es vor Dir und vor den Menschen / verantworten kann. / Herr, was dieser Tag auch bringt, - / Dein Name sei gelobt! / Amen" An seine Frau Maria schreibt er am 13. Dezember in kaum zu bewältigender Kümmernis"... wir werden (an den Feiertagen) von der Frage bedrängt werden, warum zu aller Dunkelheit, die sowieso schon auf den Menschen liegt, uns noch die bittere Qual dieser Trennung, die wir nicht zu verstehen vermögen, auferlegt ist. Wie schwer ist es, das innerlich zu bejahen, was sich dem Begreifen entzieht ..." Der Briefwechsel zwischen ihm und seiner Frau gehört zu den berührendsten Brieftexten, die im vorigen Jahrhundert in deutscher Sprache aufgeschrieben wurden.

Am 7. Februar 1945 wird er in das Konzentrationslager Buchenwald gebracht, es ist seine vorletzte Lebensstation. Am 8. April bringt man ihn in das Lager Flossenbürg. Am nächsten Tag endet sein Leben. Gegen sechs Uhr beginnt seine von Hitler befohlene Hinrichtung sowie die von Wilhelm Canaris, der Wehrmachtsoffiziere Ludwig Gehre (geb. 1895) und Hans Oster (geb. 1887) sowie der Juristen Karl Sack (geb. 1896) und Theodor Strünck (geb.1895). Die Verurteilten müssen sich entkleiden und nackt zum Galgen gehen. Die Vollstreckung soll bis gegen Mittag gedauert haben. Der beiwohnende SS-Arzt Hermann Fischer-Hüllstrung, der nach dem Krieg die Todesgefasstheit Dietrich Bonhoeffers schildert, hatte in Wirklichkeit die Aufgabe, halbtote Gefangene, die bereits in der Schlinge gehangen hatten, wiederzubeleben, um deren Todesqualen zu verlängern. - Trotz seines frühen Opfertodes sind die Spuren des patriotischen Lebensganges Dietrich Bonhoeffers unübersehbar. Allerdings ist in der heutigen Evangelischen Kirche sein in der Tegeler Haftzeit konkretisiertes Programm einer nichtreligiösen Interpretation biblischer Begriffe und der weltlichen Rede von Gott immer noch eher Utopie denn Praxis. Keineswegs schwebte es ihm aber vor, Christen und Nichtgläubige anzugleichen. Aber dass sie - gerade mit Blick auf die immer noch impulsgebende Bergpredigt - in einen neuartigen Bund gemeinsamer gesellschaftlicher Verantwortung treten, diese Idee Bonhoeffers gilt es erst noch vollends zu begreifen. Nach Meinung des Theologen Dr. Wolfgang Huber (geb. 1942) besitzt Bonhoeffers Theologie "das Anregungspotential, das sie bis zum heutigen Tag so lebendig macht".

Wie man zum Bonhoeffer-Haus kommt:

Aus der Berliner Innenstadt kommend empfiehlt sich die Bundesstraße B5/B2. Hat man auf der Heerstraße den Abzweig Jaffè-Straße erreicht, biegt man dort links ein, um nach etwas mehr als 800 Metern rechts in die Harbigstraße und nach weiteren 300 Metern erneut rechts in die Waldschulallee abzubiegen. Kurz darauf beginnt wiederum rechts die Marienburger Allee.
Alle Angaben ohne Gewähr!

[ Zum Seitenanfang ]

Gedenkstätten in Berlin:

Sehenswürdigkeiten in Berlin: