Friedhof der Märzgefallenen in Berlin
Text: -wn- (Journalist aus Berlin) / Letzte Aktualisierung: 26.03.2024
Der Friedhof im Volkspark Friedrichshain wurde für die Opfer der Märzrevolution 1848 angelegt. In den Jahren 1925, 1948 und 1957 wurde der Friedhof umgestaltet.
Der Friedhof der Märzgefallenen in Berlin Friedrichshain: "König heraus!"
Inhaber von Macht kennen kaum eigene Schuld. Zum Beispiel der deutsche Politiker Erich Honecker. Vor dem Moabiter Landgericht 1992 wegen Totschlags angeklagt, qualifizierte er dort das auf Tatsachen aufgebaute Strafverfahren in einer weltentrückten Einlassung als Farce. Trotz des Ausfalls von Lebensreife hatte der Beschuldigte Glück: Er musste sich danach nicht nur keinem Richter, sondern auch nie jenen Menschen stellen, die beim ostdeutschen Sozialismus-"Versuch" Freiheits-, Welt- und Ehrentzug hinzunehmen hatten. Mit einer "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" unter dem Arm verließ der orthodoxe Biedermann am 13. Januar 1993 verhandlungsunfähig das Land seines unglückseligen Wirkens. So ging das nicht immer ab. Eine Konfrontation mit von der eigenen Politik Betroffenen war 144 Jahre zuvor seinem Berufskollegen Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. nicht erspart geblieben: Im März 1848 sah sich der Monarch, sonst gewohnt die Honneurs seiner Umgebung huldvoll entgegenzunehmen, zu ungewohnten Ehrerweisungen gezwungen. Mehrfach musste er - nach öffentlichem Druck - vor Berlins Märzgefallenen den Hut ziehen.
Wichtige Infos über den Friedhof der Märzgefallenen
Adresse:
Friedhof der Märzgefallenen
Ernst-Zinna-Weg / Landsberger Allee
10249 Berlin
Tel: 030/ 58 73 90 39
Anfahrt:
Unweit des Friedhofes der Märzgefallenen verkehren die Straßenbahnlinien M5, M6, M8 (Haltestelle Klinikum im Friedrichshain). Vom Ernst-Zinna-Weg biegt man bald nach rechts ab und erreicht den Friedhof nach wenigen Schritten.
Öffnungszeiten des Friedhof der Märzgefallenen:
März - Oktober:
Täglich 10:00 Uhr - 18:00 Uhr
November - Februar:
Täglich 10:00 Uhr - 16:00 Uhr
Eintrittspreise:
Der Eintritt ist frei!
Auf dem Friedhof der Märzgefallenen
Bevor am 22. März 1848 die Särge mit den Leichen von 183 von insgesamt 270 Barrikadenkämpfern auf dem Friedhof am heutigen Ernst-Zinna-Weg im Friedrichshain in vier Reihen beigesetzt wurden, war Friedrich Wilhelm mehrmals zu persönlichem Erscheinen angehalten worden - ein Ereignis, das seine diffuse Liebe zum Volk erkalten ließ. Es ist der Abend des 19. März. In den Schlosshof werden sieben offene Särge mit den toten Körpern von Menschen getragen, die am Tage zuvor und in der Nacht vom königlichen Militär erschossen oder niedergestochen worden waren. Zwischen heutiger Staatsoper und dem Schloss sammelten sich 5000 Menschen, und in den Choral "Jesus meine Zuversicht" des evangelischen Kirchenmusikers Johann Crüger hinein erscholl erst zaghaft, dann immer massiver der hier noch nie ausgebrachte Ruf "König heraus!". Nach einigem Hin und Her erschien der Gerufene auf dem Balkon, versuchte das Massaker als Missverständnis darzustellen, redete der Versöhnung das Wort. Doch die Masse unterbrach ihn: Er soll sich unten im Hof die Leichen aus nächster Nähe besehen. Friedrich Wilhelm erscheint mit seiner Frau Elisabeth Ludovika verstört auf dem Vorplatz. Der Chronist Balthasar Friedrich Wilhelm Zimmermann überliefert: "Er entblöst das Haupt vor den granantenzerrissenen Todten, deren Wunden gräßlich aufgedeckt, offen liegen, mitten unter Blumen und grünen Zweigen" Die Königin wurde ohnmächtig.
Zur Dramatik dieses Vorganges zählt, dass Friedrich Wilhelm dem allgemeinen Verlangen zumindest teilweise entgegengekommen war. Von den 13 Forderungen der Revolution von 1848 in Österreich und den deutschen Ländern hatte er mit der Einberufung eines Landtages in Preußen einen wichtigen Punkt erfüllt. Die Lockerung der Pressefreiheit stellte er in Aussicht. In Berlin, heißt es, "amtet geschäftig die Censurscheere", selbst Hochzeitsgedichte bedurften der Genehmigung. Niemand ahnte, dass sich der gedemütigte Monarch später anders besinnen würde. Die keimende Hoffnung der Revolutionäre, dass fortan nur Gesetze gelten sollten, denen die Bürger zugestimmt haben, löste sich ins Nichts auf. Aufstände der Liberalen in Sachsen, Baden und der Pfalz wurden vom preußischen Militär niedergeworfen.
Trotzdem die Ernte der 48er Revolution auf dem Halm verfault war, wie der Historiker Golo Mann schrieb, gingen das Begräbnis der 183 Märzgefallenen und damit auch der Friedhof im südlichen Friedrichshain nahe der Landsberger Allee in die Geschichte ein. Es ist der 22. März 1848, ein sonniger Mittwoch, der schon den Mai ahnen ließ. Gegen 14.30 Uhr nehmen auf dem Gendarmenmarkt Träger die Särge mit den Aufgebahrten von den Stufen des Deutschen Domes auf, und nach Trauerreden evangelischer, katholischer und jüdischer Geistlicher setzt sich ein mächtiger Zug in Bewegung. Das Gemälde "Aufbahrung der Märzgefallenen" von Adolph Menzel beleuchtet die Szenerie. Im Trauerzug liefen rund 100 000 Personen, weitere 500 000 Menschen standen an der Strecke oder reihten sich in die 7,5 Kilometer lange Prozession ein. Seit dem Mittag waren in der Stadt die Geschäfte geschlossen. Viele Kirchen läuteten die Glocken. Mit Bedacht berührte die Route den Schlossplatz. Auf dem Balkon des zweiten Schloßportales zeigte sich nun der König, um die Gefallenen "den Helm in der Hand" zu ehren.
Ein Grab auf dem Friedhof der Märzgefallenen
Ein brusthoher Stein erinnert heute auf dem Grab an das Ereignis. An der einen Steinseite sind die Namen von Gefallenen zu lesen, umseitig die Mahnung an die nachgeborenen Deutschen, Einigkeit und Freiheit nicht gering zu schätzen. Ein Glück, dass die Gefallenen nie erfahren, in welch gärtnerisch verwahrlostem Zustand (Foto) die Stadt Berlin die Umgebung des Steines der Erinnerung lässt. Andenken sieht anders aus.
Hinweis: Unser Autor besuchte den Friedhof der Märzgefallenen im Jahr 2008. Der Paul-Singer-Verein kümmert sich bereits seit einigen Jahren mit Hilfe zweier Gärtner im Auftrag des Bezirks um den Friedhof. Es sieht dort wohl nicht mehr so verwahrlost aus wie auf dem obigen Bild beim Besuch unseres Autors.
Des Weiteren gibt es nun auch einen Ausstellungscontainer mit wechselnden Ausstellungen sowie jeden Sonntag eine öffentliche Führung (Live-Speaking).