Marienkirche in Berlin Mitte

Text: -wn- (Journalist aus Berlin) / Letzte Aktualisierung: 19.04.2023

Die Marienkirche in Berlin Mitte
Die Marienkirche in Berlin - Foto: © -wn-

Die Marienkirche im Park am Fernsehturm wurde um 1270 erbaut. Heute ist sie die älteste Pfarrkirche Berlins. Erfahren Sie in diesem Artikel mehr über die Geschichte der Marienkirche in Berlin:

Die Marienkirche in Mitte - ein Haus des Glaubens und starker Visionen

Der Herrgott im Himmel ist vermutlich ungehalten angesichts der drei Rollen, die er nach dem Willen von Menschen spielen muss: den eines jüdischen Allvaters, eines christlichen und zuletzt des muslimischen Schöpfers. Mit diesem schismatischen Dilemma belastet hätte er wohl ein paar aufmunternde Augenblicke, sähe er auf das inzwischen über 700 Jahre alte, heute evangelische Kirchlein herab, aus dem neben den üblichen gut gemeinten Glaubensformeln auch Botschaften weltlich-vernünftigen Inhaltes zum Sternengewölbe steigen. Nicht dass dieser - im Grunde unteilbare - Gott die Evangelischen den Katholischen vorzöge. Aber die Marienkirche in Mitte hat nicht nur viele Jahre, sondern zwei Jahrhunderte mehr als St. Peter in Rom auf dem Buckel und behauptet insofern mit honorige Würde ihren Platz, an dem sie im Ensemble mit der Nikolaikirche, dem Berliner Dom, dem Roten Rathaus und dem Neptunbrunnen das Zentrum von Deutschlands Hauptstadt bildet. Die Ruhe, die das nach der Nikolaikirche zweitälteste Pfarrhaus Berlins ausstrahlt, lässt nichts von seiner bewegten Geschichte erkennen. Blitzschläge und Brände, die Wirren des Dreißigjährigen Krieges, jenes "eisernen Säkulums" mit seiner "Veralltäglichung der Gewalt", und der Zweite Weltkrieg setzten dem Gotteshaus erheblich zu. Auf einem Fundament aus Feldgestein, Findlingen und Gletschergeschieben ragt das dreischiffige Langhaus mit jeweils sechs hohen gotischen Fenstern in saniertem Zustand auf. Es beherbergt die fusionierten Kirchgemeinden St. Petri und St. Marien und dient dem Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, dem eloquenten Wolfgang Huber, als Hauptort seiner Unterweisungen.

Infos für Ihren Besuch

Adresse:
St. Marienkirche
Karl-Liebknecht-Str. 8
10178 Berlin
Tel: 030/ 24 75 95 10

Anfahrt:
Sie ist zu Fuß vom Alexanderplatz und aus anderer Richtung über die Straße Unter den Linden zu erreichen. Der Bus 248 bedient in Kirchennähe die Haltestelle Berliner Rathaus.

Öffnungszeiten der Marienkirche:

Gottesdienste:
sonntags 10:30 Uhr (mit Abendmahl)
Dienstags 12:00 Uhr (Mittagsgebet)
Mittwochs 12:00 Uhr (Abendmahl am Mittag)
Freitags 12:00 Uhr (Friedensandacht)

Führungen durch die Marienkirche:

Einmal im Monat sonntags finden Themenführungen durch die Marienkirche statt. Genaue Termine erfragen Sie bitte direkt in der Kirche.

Die Marienkirche zählt auf Grund ihres Alters und der Lage zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten in Berlin. Ganz in der Nähe befindet sich zum Beispiel der Alexanderplatz Berlin mit vielen weiteren Sehenswürdigkeiten!.

Gesichte der Marienkirche am Alexanderplatz

Auch an Auftritten historischer Persönlichkeiten auf der - heute aus Alabaster gearbeiteten - Kanzel mangelte es nicht. Martin Luther predigte hier und stellte die neuartige These von der Freiheit des Christenmenschen auf, der fortan davon entbunden sein sollte, sein Seelenheil auf dem Wege eines Ablass genannten Tauschhandels zu erwerben. Noch im 16. Jahrhundert bekamen es die Lutherischen auch in der Marienkirche mit den gleichfalls evangelischen Calvinisten zu tun. Für sie war Luther nicht stringent genug, und die Kirche sollte mehr für Glaubensdisziplin und Sittenzucht sorgen. Eine "öffentliche Kirchenbuße" wurde eingeführt. Friedrich Wilhelm I. in Preußen qualifizierte später die oft haarspalterischen Debatten z.B. über das Abendmahl und den theologischen Charakter der dort verabreichten Naturalien genervt als "eine von den Pfaffen eingeführte saure Sauce".

Die Gewissheit, dass seine Vision von einer auf Gleichheit beruhenden Gesellschaft - "I have a dream" - realistisch sei, bekundete der nordamerikanische farbige Baptistenpfarrer und Bürgerrechtler Martin Luther King in der Marienkirche. Der evangelische Theologe Martin Niemöller nahm einmal das Wort. Er war Mitunterzeichner des "Stuttgarter Schuldbekenntnisses", in dem die deutschen evangelischen Kirchen ihren mangelnden Widerstand gegen den Nationalsozialismus einräumten. Der westdeutsche Bundespräsident Gustav Heinemann formulierte während eines Evangelischen Kirchentages 1951 die Notwendigkeit einer Aussöhnung der Deutschen mit ihren Nachbarn - damals ebenfalls eher eine Art Fata Morgana denn eine sachliches Ziel.

Die Grüfte der Marienkirche

Auch in ihren Grüften und Gründen erweist sich die Kirche als ein letzter Ort kreativ gewesener Menschen. Im "Roebelschen Erbbegräbnis" liegt neben Angehörigen dieser Adelsfamilie der Erfinder des bleigegossenen Stehsatzes, Karl Hildebrand Freiherr von Canstein, der Begründer der noch heute agierenden von Cansteinschen Bibelanstalt in Halle (Saale). Seine Idee war es, mit dem Bleisatz einer veröffentlichten Bibelausgabe weitere preiswerte Editionen der Heiligen Schrift zu drucken. Neben seinem Sarkophag steht der Sarg einer barocken "Edelfeder": Friedrich Rudolf Ludwig Freiherr von Canitz, preußischer Diplomat und Gelegenheitsdichter von erheblicher Schreibwut, der seinen Namen in den Skripten sinnvollerweise lebenslang verschwieg. Wie hätte er sonst auch den Bauch der schwangeren Kurfürstin Elisabeth Charlotte mit den allerdings freundlich gemeinten Worten beschreiben können:

"Die Churfürstin trägt ihren Bauch
Gesund, nach löblichen Gebrauch,
Und lernet sich drein schicken,
Daß sie, Gott geb es! ohne Scheu
Mit einem Printzen oder zwey
Uns jährlich woll beglücken."

Seit den 60er Jahren muss sich das Gotteshaus des benachbarten Fernsehturmes erwehren, der es sichtbar niederdrückt und in der Morgensonne mit seinem breiten Schatten stört. Dafür überstrahlt der Berliner Fernsehturm (das mit 368 Meter höchste Bauwerk Deutschlands) die Szenerie mit einem riesigen Kreuz, das auf den Blechprismen der Turmkugel in der Sonne erscheint. Witze kursierten angesichts der in der DDR kultivierten Kirchenfeindlichkeit. Die einen sagten, das unverhofft erschienene Kreuz sei die "Rache des Papstes", andere bestehen darauf, dass es zuerst "Dibelius' Rache" gewesen sei (nach dem früheren evangelischen Bischof). In Kreuzesangelegenheiten bleibt noch manche Frage offen.

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