Jagdschloß Groß Schönebeck (Barnim)

Text: -wn- (Journalist aus Berlin) / Letzte Aktualisierung: 18.11.2023

Jagdschloss Groß Schönebeck: In Zeiten des abnehmenden Büchsenlichts

Jagdschloß Groß Schönebeck (Barnim)
Das vom Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg und späteren Potentaten ab 1660 erbaute Jagdschloss Groß Schönebeck; im Hintergrund links ein Teil der Museumsscheune - Foto © wn

"Als der Jäger in (den) grünen Walde kam,
da sah er mit Vergnügen das schöne Wildbret an.
Die Gamslein, Paar an Paare, sie kommen von weit her,
die Rehe und das Hirschelein, das schöne Wildbret schwer."

Der saustarke Jägersong des Barockdichters Gottfried Benjamin Hancke (1695-1750) schildert in den darauffolgenden Zeilen die Gemütsstimmung eines Weidmannes auf freier Wildbahn, auf der es entweder noch kein oder schon nicht mehr genügend Büchsenlicht gibt - also jene unerlässliche Helle, die herrschen muss, damit man ein Tier - aus welchem vernünftigen oder niederen Grund auch immer - niederschießen kann. Im Song "fängt (es) an zu tagen ... die Vöglein in den Wäldern sind schon vom Schlaf erwacht und haben auf den Feldern das Morgenlied vollbracht". Ausreichend Büchsenlicht - an dem hängt alles Jägerglück. Darüber schrieb oft der Heidedichter und Jäger Hermann Löns (1866-1914). In der Erzählung "Im grünen Maienwald" etwa erleben wir ihn abends in der Zeit des Dämmerns; er ist aufgewühlt. Denn so standen die Dinge: Über Kimme und Korn hat er einen Rehbock im Visier - einen abschussfähigen strammen Platzbock, der auf der Suche nach einer zum Beschlagen bereiten Ricke ist. Noch sieht der Jäger durchs Geäst aber nur das Gehörn und die nervös aufgestellten Lauscher. Später notiert er: "Alle Schlagadern hüpfen, und das Herz trommelt mir laut unter der Joppe. Und immer noch sehe ich nichts weiter von dem Bock als das Gehörn. Noch ein Weilchen, und das Büchsenlicht ist fort." Aber der Bock hat sich schließlich doch noch vor Einbruch der Dunkelheit an den Jäger herangeäst. Jetzt peitscht der Schuss und geht aufs Schulterblatt. Der Bock macht einen wilden Satz nach vorn und überschlägt sich. Tot liegt er nun auf seiner frisch entstandenen roten Sommerdecke. Weidmannsheil! In einem anderen Fall - es ist eher die Normalität - hat Löns Pech, kommt, weil der Abend herniedersinkt, nicht mehr zum Schuss. Alle Pirsch und alles Warten waren vergebens. Dabei hatte er, wie in seinem Jagdhandbuch angeraten, auf einem Stück Birkenrinde zwischen den Fingern einen zweitönigen Ricken-Ruf erzeugt. Klingt lüstern und sinnlich in eines Bockes Ohren, aber kein Bock trat aus dem Unterholz. Der Autor schreibt bedauernd: "Gleich ist es aus mit dem Büchsenlicht! Soll ich gehen? Aber was soll ich in der Kneipe?" Hoi, der Mann wusste, warum er sich diese verführerische Frage stellte. Hermann Löns war ein dem Alkohol zugetaner Jäger und Poet. Anders gesagt: In den einsamen Stunden in der Heide hatte er sich wohl das Trinken beseligender Getränke angewöhnt, weshalb er uns wahrscheinlich gerade deshalb so hoch emotionale Schilderungen von Forst und Feld hinterlassen konnte.
Ohne jägerlichen Phantasien übermäßig Raum zu geben, widmet sich heute das Jagdschloss Groß Schönebeck und das angeschlossene Schorfheide-Museum dem Thema Jagd und Wild in der Mark Brandenburg, besonders in dem stark bewaldeten 1258 Quadratkilometer großen Dreieck, das die Städte Zehdenick, Templin und Joachimsthal bilden. In ihm liegt die als Schorfheide bekannte nordbrandenburgische Waldlandschaft. Das Schloss, eher Wohnhaus denn Kastell, schmuckarm aber apart die dörflichen Fachwerk-Quartiere ringsum beherrschend, ließen der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg (1620-1688) und nachfolgende Potentaten ab 1660 errichten. Das heute neu gestaltete Obergeschoss steht im Zeichen des Themas "Preußische Könige und Kaiser in der Schorfheide". Die Ausstellungen in Schloss und Scheune beantworten die Frage: Wie diese Mächtigen jagten. Betritt man die Scheune, hat man das Thema bereits in den Ohren. Man hört um sich mannigfache und wechselnde Akustiken. Da fallen Schüsse, bellen Suchhunde. Marschschritte sind zu hören. Dann erklingen die Geräusche des Regens. Ein Hirsch brunftet vernehmlich. Wind kommt auf. Donner.

Sindermann's Sau- Sumpf -Suhle

Vom historischen Ablauf her gesehen, liegt uns das im letzten Jahrhundert mit gellendem Halali vergangene, von DDR-Funktionären vollführte Jagdunwesen am nächsten. In ihm finden wir alle Merkmale der damals so hinlänglich abgelehnten vorsozialistischen Ären. Die "Arbeiter-Jäger" standen in Wirklichkeit in ungebrochener Tradition des verachteten Preußens. Sie wähnten sich aber auch schon im Kommunismus. Traf doch der des Jagens unkundige Privatgelehrte Karl Marx (1818-1883) in seinem Buch "Die deutsche Ideologie" die unvorsichtige Voraussage, dass es die kommunistische Zukunft "möglich macht, heute dies, morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu fischen ... wie ich gerade Lust habe". In diesem visionären Bewusstsein lebten viele bewaffnete Funktionäre in den abgesperrten Territorien ihre Leidenschaften aus. Dabei revolutionierten sie die Jägerei in einem entscheidenden Punkt, indem sie das Jahrhunderte alte Problem des instabilen Büchsenlichts lösten. Sie machten es sonnenunabhängig. Das neue Allzeit-Streckemachen (Abschießen von Wild) lässt sich in einem 1973 herausgebrachten Song des Lyrikers Wolfgang Tilgner (1931-2011) und des Puhdys-Keyboarder Peter Meyer (geb. 1940) treffend ausdrücken.

Park des Jagdschloß Groß Schönebeck
Beschnittene alte Weide im Park des Schlosses Groß Schönebeck (Herbst 2016); am Stamm wächst starker Efeu hoch. - Foto © wn
Dort heißt es:
"Vorn ist das Licht
Und Luft für jeden
Vorn ist das Licht
Kein leeres Reden
Bis sich das Leben endlich trennt von Tod".

Diese beseelende Sequenz trifft - nur zum Beispiel - auch auf Sindermann's Sau- Sumpf -Suhle am Schönebecker Forsthaus Reluch zu, in dem der leutselige Dauerlächler aus dem Politbüro Horst Sindermann (1915-1990) seine Freizeit mit dem Meucheln vornehmlich von Schwarzwild verbrachte. Durch die Wälder stapfen - das war ihm nichts. Er hatte einen kleinen sumpfigen Tümpel als verlockende Suhle herrichten lassen. Vier Scheinwerfer erhellten das Loch - ein Paradies für wilde Schweine: Schlammbad mit üppig dargereichtem Futter. Genosse Sindermann brauchte abends oder nachts nur das Fenster zu öffnen - um von dort auf Sauen, Keiler und Überläufer beiderlei Geschlechts zu feuern.

Was angelockten Tieren - einschließlich denen in Schlammstellen suhlenden - drohte, das war der unerwartete Nahschuss an Raufentrögen und Futtertischen, auf denen u.a. zuckrig angemachter Büchsenmais ausgelegt wurde. Dessen Witterung nahm das Rotwild mit seinen sensiblen Windfängen als verführerisch wahr, und das Odeur hat so manchen Hirsch die Eigensicherung vernachlässigen lassen, um die er sich sonst mit allen seinen scharfen Sinnen - Windfang, Lichter, Lauscher - kümmert. Manches Tier bezahlte die erlahmende Achtsamkeit mit frühem Tod.

Das Museum zeigt einen Brief des Generalstaatsanwaltes der DDR vom 10. Mai 1990 an den Ministerrat, in dem Jagdfrevler Honecker, Erich, Beruf: ohne. geb. 1912, eine "rechtswidrige Inanspruchnahme von Sonderjagdgebieten" vorgeworfen wird. Diese Vorteilnahme sei ein Verstoß gegen das Jagdgesetz der DDR vom 15. Juni 1984. Der Wildfrevel Erich Honeckers, seine Verstöße gegen Sitte und Gesetz, z.B. das Beschießen des Wildes aus nächster Nähe auf alle möglichen Körperstellen, sind dabei von diesem juristischen Vorhalt noch gar nicht erfasst. Bereits die Funktionäre der Nachkriegszeit versuchten, mit dem Jagdgesetz der DDR von 1953 ihre späteren Pfründe abzusichern, indem die "Oberste Jagdbehörde ... bestimmte Jagdgebiete zu Sonderjagdgebieten erklären" kann. Damit war schon im ersten Jahrzehnt der DDR dem Missbrauch der Jagd Tür und Tor geöffnet. Dass die elitäre "Sonderjagd" zu einer Wildabschlachtung großen Ausmaßes verkommen würde - so gemein wollten die meisten arglosen Leute damals nicht denken.

In die Museumsscheune gelangte auch Erich Honeckers originale Lederjacke. Sie wurde in seinem Jagdhaus Wildfang vier Kilometer nordöstlich von Groß Schönebeck gefunden. Von dieser Jacke singt 1987 der Rockmusiker und Sänger Udo Lindenberg (geb. 1946) im schnell populär werdenden spöttischen Song "Sonderzug nach Pankow": "Ich weiß, tief in dir drin bist du eigentlich auch'n Rocker / du ziehst dir doch heimlich auch gerne mal die Lederjacke an." Mit der in Groß Schönebeck ausgestellten Jacke saß Erich Honecker vermutlich nicht "auf'm Klo" um West-Radio zu hören - es ist im allen Ernst eine Täterjacke. Gezeigt wird auch ein japanischer Handscheinwerfer aus dem Jagdwagen Honeckers zur Nachsuche und sicher auch zum Blenden von Wild - eine Leihgabe seines langjährigen Bodyguards Bernd Brückner (geb. 1940) an das Museum.

Kaiser Wilhelm I. schießt acht Hirsche in 105 Minuten

Statue Friedrich Wilhelm I. in Berlin Rixdorf
Statue des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm I. in der Kirchgasse in Berlin-Rixdorf. Das Denkmal schuf der Bildhauer Alfred Reichel (1856-1928). - Foto © wn

Als ein Jagdfetischist, der jährlich Hirsche in dreistelliger Zahl niedermachte, steht der so genügsam scheinende E.H. in einer Reihe mit dem Jagdfanatiker Friedrich Wilhelm I. (1688-1740); dieser wiederum kann sich messen mit Kaiser Wilhelm II. (1859-1941) und dessen dokumentierten 2133 Hirsch-Bluttaten. Am 25. Oktober 1879 schoss z.B. sein Großvater Kaiser Wilhelm I. (1797-1888) in der Zeit von 12:30 Uhr bis 14:15 Uhr acht in den Schönebecker Waldungen angefütterte Hirsche und 10 Stück Rotwild - diese eher so nebenbei. Zu den gnadenlosen Nimroden zählt auch der gedunsenen Trophäen-Raffer Hermann Göring (1893-1946). In der deutschen Geschichte gibt es zahlreiche Denker, die die Schattenseiten des mit dem Begriff Jagdleidenschaft bemäntelten Jagdfrevels beschreiben. Eine eher verhaltene Kritik äußert 1787 der Historiker und Schriftsteller August Ludwig von Schlözer (1735-1809). In den "Stats-Anzeigen" betont er vorsichtig: "Es ist nicht meine Absicht, diesen oder jenen Fürsten, Grafen oder Ritter, öffentlich zur Schau zu stellen: sonst könnte ich, der ich sehr viele Jagd Reviere genau haben kennen lernen, mehrere Gegenden namhaft machen, wo eine übertriebene Menge Wildprett gehegt wird."

Der Begründer der Massenpsychologie Gustave Le Bon (1841-1931), dessen Ideen noch heute im Schwange sind, wird deutlicher. Er erkennt im Menschen einen aus der Urzeit herrührenden Zerstörungstrieb und schreibt: "Da wir diese Zerstörungstriebe gewöhnlich nicht an unseren Mitmenschen ausüben können, so beschränken wir uns darauf, sie an Tieren auszulassen. Derselben Quelle entspringen die Jagdleidenschaft, ... die ein wehrloses Opfer langsam zu Tode quält, (sie) gibt den Beweis feiger Grausamkeit; für den Philosophen aber ist sie in hohem Maße mit der Grausamkeit der Jäger verwandt, die dutzendweise zusammenkommen, um mit Vergnügen zu sehen, dass ihre Hunde einem unglücklichen Hirsch den Bauch aufreißen."

Zu denen, die ihre Triebe auf der Jagd auslebten, zählt der erwähnte brutale, amusische und bigotte Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. Im Jahre 1713 ist es sein Schicksal, einen von seinem Vater Friedrich I. (1657-1713) ruinierten Staatshaushalt sanieren zu müssen. Denn der Lebensstil des Vaters, des "schiefer Fritz" genannten ersten preußischen Königs, war ein Gemenge aus Prunken, Prassen und Partymachen. Um eine preußische Staatspleite abzuwenden, führt der Sohn ein konsequentes Sparregime ein. Er wirft den halben Hofstaat raus, kürzt Apanagen drastisch und dringt am Hof auf einfaches Leben. Dennoch war der eher grämliche Mensch unmäßig beim Essen und Trinken, Jagen und Geldscheffeln. Hatte er einmal gute Laune, ließ er sich zu "spaßigen" Äußerungen hinreißen wie zu der aus Anlass der Geburt seiner später nach Schweden verheirateten Tochter Luise Ulrike (1720-1782). In einem Brief vom 23. Juli 1720 an Leopold I. (1676-1747), den Alten Dessauer, schrieb er die feinfühlige Bemerkung: "Es ist Fotzenzeit, gestern ist eine Tochter auf die Welt gekommen, ich werde (für sie) ein Kloster anlegen, da können Euer Lieben auch Nonnen furnieren oder man muss sie ersaufen... Männer kriegen sie nit alle ..."

Als eine weitere durchgreifende Maßnahme auf wirtschaftlichem Gebiet führte Friedrich Wilhelm den Merkantilismus ein. Im Interesse der einheimischen Produzenten schloss er dazu die Grenzen für den Außenhandel. Heute heißt das: Strafzölle erheben. Nun kommt das Jagdschloss Groß Schönebeck ins Spiel. Im "Preußenzimmer" im ersten Stock verfasste er am 22. Dezember 1722 das Dekret für das neue General-Ober-Finanz-Kriegs- und Domänendirektorium. Es wurde später als oberste Stelle für die gesamte Verwaltung des Landes in Kraft gesetzt. Der König trieb eine für ihn gewinnbringende Privatisierung großen Stils voran. Der Schriftsteller Jochen Klepper (1903-1942) beschreibt im Roman "Der Vater - Roman eines Königs" dessen Tage in Groß Schönebeck: "Da war kein Hof, da gab es keine Gäste, da fand sich weit und breit auch keine Nachbarschaft. ... Seinen Kutscher schickte er gleich in die nächste Stadt, ihm Federn und Tinte und reichlich Papier auf das Jagdschloss zu holen. Der König ließ sich (vom Kastellan) nur zwei Zimmer richten, den kühlen, kleinen Saal mit seinen hohen Bleiglasfenstern nach dem Apfelgarten und, jenseits des gepflasterten Flures mit den Geweihen, eine Schlafkammer. ... Nur einen großmächtigen Waschzuber mussten (die Diener) dem König noch holen. Früh, mittags und abends verlangte der Herr eine Kanne Brunnenwasser." Auf diese Weise erhielt das Jagdschloss Groß Schönebeck zumindest auch ein Plätzchen in der preußischen Finanzpolitik der frühen Jahre.

Touristische Hinweise

Adresse:
Jagdschloss Groß Schönebeck / Schorfheide-Museum
Schlossstraße 7
16244 Groß-Schönebeck (Schorfheide)
Tel: 033 393/ 652 72

Anfahrt

Mit dem Auto von Berlin:
Man fährt zunächst auf die Autobahn A10 bis Dreieck Pankow, weiter auf der Bundesstraße B109 bis Groß Schönebeck. Oder auf die A10, weiter auf der A11 bis Finowfurt, dann weiter auf der B167 Richtung Zerpenschleuse und dann auf die B109 abbiegen.
In Groß Schönebeck fährt man auf der links abzweigenden Schlossstraße wenige Meter bis zum Jagdschloss. Parkplätze sind vorhanden.

Mit der Bahn:
Der RB27 hält am Bahnhof Groß Schönebeck. Von dort kann man eine Station mit dem Bus (Linie 904, 905) fahren oder gleich einen Spaziergang bis zum Schloß machen.

Öffnungszeiten Jagdschloß Groß Schönebeck

Oktober bis April
Montag bis Sonntag 10:00 Uhr - 12:30 Uhr und 13:00 Uhr - 16:00 Uhr (letzter Einlass 15:00 Uhr)

Mai bis September
Montag bis Sonntag 10:00 Uhr - 12:30 Uhr und 13:00 Uhr - 17:00 Uhr (letzter Einlass 16:00 Uhr)

Am 24.12. und 25. 12., 31.12 und 01.01. sowie in der 2. bis 4. Januarwoche sind das Jagdschloss und die Ausstellungen geschlossen.

Eintrittspreise Jagdschloß Groß Schönebeck

Erwachsene 7,00 €
Kinder (bis 14 Jahre) 1,50 €
Führungen nach Anmeldung: 50,00€

Barnim Portal

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