Karl-Liebknecht-Haus in Berlin

Das Karl-Liebknecht-Haus in Berlin
Das Berliner Karl-Liebknecht-Haus an der Ecke Kleine Alexanderstraße / Weydingerstraße - Foto: © -wn-

Das Karl-Liebknecht-Haus in Mitte ist ein denkmalgeschütztes Bürogebäude, in dem u.a. seit 2007 die Bundesgeschäftsstelle der Partei Die Linke zu finden ist.

Karl-Liebknecht-Haus am Rosa-Luxemburg-Platz - Kehrt Charisma zurück?

Ungewöhnlich starker Personenverkehr vor dem Berliner Karl-Liebknecht-Haus an der Ecke Kleine Alexanderstraße / Weydingerstraße. Kein Aufmarsch, keine Kundgebung, kein Protest - die alten Genossen sind unterwegs, strömen in das Haus mit den stumpfwinklig aufeinander treffenden Gebäudeseiten. Bald sind im Konferenzraum im hinteren Parterre die Plätze an den beiden Massivtischen besetzt. Viele kennen sich; kein Wunder, gehören sie doch zum umtriebigen Senioren-Klub der Parteizentrale "Der Linken". An der einen Wand des Raumes lehnt die momentan nicht gebrauchte rote Stellwand mit den schmalen "Die-Linke"-Symbolen, vor der "führende Genossen" des Hauses gewöhnlich ihre sozialpolitischen Kassandrarufe den Medien nahezubringen versuchen. Die hereingeschneiten Leutchen hingegen wirken optimistisch, ja fidel, fast so, als sei die Welt in Ordnung. Und ohne dass es zu Einzelfallprüfungen gekommen wäre, entsteht der Eindruck, dass niemand von ihnen von Grundsicherung oder "Strafrente" (wegen früherer geheimdienstlicher Tätigkeit) beschwert ist. Ihr Aufgeräumtsein möchte man so deuten: Hallo, den alten Genossen geht es doch ganz gut, selbst nachdem der bürgerliche Klassenfeind bei starkem "wind of change" an die Macht gekommen war. ( Weitere Sehenswürdigkeiten in Berlin)

Das Karl-Liebknecht-Haus

An der Stirnseite des Raumes steht die für den Vormittag gebuchte Chansonnette Johanna Arndt bereit, die ihre Profession einst an der renommierten Hanns-Eisler Musikhochschule in Berlin erwarb, darunter bei der Diseuse Gisela May (geb. 1924). Das Programm "Ich mach mir ein Lied aus Stille" mit Texten von Eva Strittmatter (1930-2011) und ihrem Mann Erwin (1912-1994) beginnt. Während der Kassierer noch Euro-Münzen vor sich aufhäuft, um zu ermitteln, was die Partei-Rentner heute von ihren Einkommen erübrigt haben, leitet der virtuose Konzert-Gitarrist Ulf Lachmund die Programmfolge ein. Manches Bekannte aus den Federn der beiden vielgelesenen deutschen Dichter wird danach vorgetragen, manches nicht - das vielleicht auch gut gepasst hätte. Im Gedicht "Schuld" etwa sinnt Eva Strittmatter über die menschliche Eigenschaft nach, eigenes Versagen zu verdrängen. Jedoch, schreibt sie, "wir wissen noch nach tausend Tagen / Gewicht und Preis der fremden Schuld." Auch ein unzitiert gebliebener Text Erwin Strittmatters aus seinen "Selbstaufmunterungen", einer Sammlung von Sentenzen und Aphorismen, hätte Nachdenken auslösen können: "Oh, wie schwer ists, so zu leben, dass man nichts zu beklagen hat, wenns ans Sterben geht!"

Grab Strittmatters auf dem Schulzenhofer Waldfriedhof
Das Grab des Schriftstellers Erwin Strittmatter auf dem Schulzenhofer Waldfriedhof, eine Aufnahme aus dem Jahre 2007. 2011 wurde dort auch seine Frau Eva Strittmatter beerdigt. - Foto: © -wn-

Der musikalisch-literarische Veteranentreff ist jedoch eine eher untypische Veranstaltung in diesem 1910 im Auftrag des Fabrikanten Rudolph Werth als Bürogebäude gebauten und 1926 von der KPD-eigenen Firma Bürohaus Vulkan GmbH gekauften Haus. Vermutlich wurde dort noch nie aus einer Geschichtensammlung vorgelesen, in der - gemeint ist Strittmatters schöner "Schulzenhofer Kramkalender" - berichtet wird, welche menschlichen Botschaften in Tierlauten versteckt sind. Großvater, schreibt der Autor, habe gehört, wie der Hengst der Stute zurief: "Hiiier bin ich, hiiier"! Mit einem schmeichlerischen "Katharina, komm mal raus, komm mal raus!" habe der Kater die Katze zu bezirzen versucht, und der Täuber sei mit dem Gurr-Ruf "Heb den Rock hoch, heb den Rock hoch!" gleich aufs Ganze gegangen. Zwei Frauen im Publikum machen sich Notizen in Hartdeckelheften, so als würde eine neue Argumentation der Partei verkündet. Alles schön zu hören, aber hartnäckig hält sich der Gedanke, dass man sich in jenem "Haus mit Telefonen" befindet, von dem Bertolt Brecht (1898-1956) in einem seiner "Hundert Gedichte" meint, dass sich "die Partei" in ein solches gerade nicht zurückgezogen hat. Denn, so schreibt er im Gedicht "Wer aber ist die Partei?": "Wir sind sie. / Du und ich - wir alle", meint der parteilose Dichter. Es ist eine der politischen Illusionen des großen Theatermannes.

Für sieben Jahre, bis zur faschistischen "Machtergreifung" 1933, ist das Haus die Zentrale der straff geführten Kommunistischen Partei Deutschlands. Untergebracht sind das Zentralkomitee, die Bezirksleitung Berlin-Brandenburg-Lausitz-Grenzmark, die Redaktion der "Roten Fahne", eine Druckerei, eine Buchhandlung, die Leitung des Jugendverbandes und ein Geschäft des Roten Frontkämpferbundes. So wie auf den langen Gängen im Gebäude des ehemaligen Zentralkomitees der SED Türen ohne Beschriftung Besucher abzuweisen schienen, herrschte auch im unübersichtlich verwinkelten Karl-Liebknecht-Haus ein ähnlicher Geist. In der Weltbühne schreibt 1931 der Publizist Carl von Ossietzky (1889-1938) von "Türen ohne Klinken, die (von innen) mit einem Griff unterm Tisch geöffnet werden. Der Besucher fühlt sich unter argwöhnischen Blicken wie ein unglücklicher Wanderer, der aus Versehen in eine belagerte Festung geraten ist und nun das schlimmste erwartet". In diesem Haus arbeiteten der von Stalin nach seinem Pakt mit Hitler fallengelassene Funktionär Ernst Thälmann (1886-1944), der spätere DDR-Staatspräsident Wilhelm Pieck (1876-1960), der Mauerbauer Walter Ulbricht (1893-1973) und der nach dem Zweiten Weltkrieg zur westdeutschen Sozialdemokratie übergewechselte, gern grantelnde Langsatz-Sprecher Herbert Wehner (1906-1990). Jeder der Aufgezählten hätte Brechts Aufforderung im Partei-Gedicht empört zurückgewiesen, wo es heißt: "Wir können irren, und du kannst recht haben, / also / Trenne dich nicht von uns!" Die Funktionäre erwarteten nicht, von Parteimitgliedern auf Irrtümer hingewiesen zu werden - im Gegenteil: Ihnen lag daran, Irrtümer bei den Parteimitgliedern festzustellen und mit Strafen zu ahnden. Zu den Mitgliedern, die später selbst erkannten, dass sie sich im so praktizierten Kommunismus geirrt hatten, gehörte der englischer Schriftsteller Arthur Koestler (1905-1983). Vermutlich persönlich gab er, damals ein führender Berliner Journalist, am 31. Dezember 1931 seinen Aufnahmeantrag im Haus am Bülowplatz ab und "teilte meine Bereitschaft mit, der "Sache" in jeder von der Partei gewünschten Eigenschaft zu dienen", schreibt er in seiner Biografie. An anderer Stelle resümiert er: "Ich war sechsundzwanzig Jahre alt, als ich in die Kommunistische Partei eintrat, und dreiunddreißig, als ich sie verließ. Die Jahre dazwischen waren meine besten Jahre sowohl dem Alter nach als auch wegen der bedingungslosen Hingabe, die sie ausfüllte." Als er aber 1936 in Paris vor Angehörigen des Schutzverbandes (emigrierter, meist kommunistischer) Deutscher Schriftsteller einen Vortrag hielt, erkannten die Zuhörer, dass zu ihnen kein Kommunist mehr spricht. Einer der inkriminierten Sätze Arthur Koestlers war: "Es gibt keine Unfehlbarkeit einer Person, einer Bewegung oder einer Partei." Dann benutzte er ein Zitat Thomas Manns (1875-1955): "Auf lange Sicht ist eine schädliche Wahrheit besser als eine nützliche Lüge." Wie viele andere Intellektuelle hatte sich der Autor des 1940 erschienenen weltbekannten Buches "Sonnenfinsternis" angesichts des Stalinschen Terrors in der Sowjetunion endgültig von der Partei getrennt.

Eine umgekehrte Variante, die Entbindung von allen Parteiämtern, traf am 26. September 1928 im Karl-Liebknecht-Haus den KPD-Vorsitzenden Ernst Thälmann. Eine Gruppe von 17 ZK-Mitgliedern zwang ihn, seine Ämter zunächst ruhen zu lassen, nachdem sein Hamburger Freund und Protegé John Wittorf (1894-1981) in die Parteikasse gelangt hatte. Thälmann wurde zumindest der Mitwisserschaft beschuldigt. Wenige Wochen später wurde er überraschend wieder in seine Funktion eingesetzt. Das politisch-satirische Wochenblatt "Kladderadatsch" verhöhnte "den gereinigten Kommunistenhäuptling Thälmann" mit den Worten: "Und weil er in Hamburg so schändlich stunk, / Herr Thälmann schnell nach Moskau gung. / Dort fand man, dass er entzückend riecht. / Und Thälmann reist nach Hause vergnügt. / Und die deutschen Genossen - das ist der Kern / Die riechen ihn wieder besonders gern."

Blick auf den Rosa-Luxemburg-Platz
Blick von der Kleinen Alexanderstraße auf den Rosa-Luxemburg-Platz; rechts die Volkbühne - Foto: © -wn-

Der erste, der sich nach der Moskauer Reinwaschung Thälmanns blitzschnell um 180 Grad wendete, war Walter Ulbricht. Nach Angaben seines Biografen Mario Frank ist Ulbrichts Name jedoch mit der schwerwiegendsten Aktion verbunden, die je im Karl-Liebknecht-Haus geplant wurde: die Ermordung der beiden Polizeihauptmänner Paul Anlauf und Franz Lenck auf dem Bülowplatz. Seit sich die KPD-Zentrale dort befindet, marschieren ihre Anhänger mit Schalmeien-Klängen über den Platz, dann wieder die konkurrierende, grölende SA. Im August 1931 ereignet sich bei einer der üblichen Rangeleien zwischen kommunistischen Demonstranten und der Polizei ein folgenschwerer Zwischenfall. Ein unerfahrener junger Beamter verliert die Nerven und erschießt einen ebenfalls jungen Arbeiter. Die Antwort der KPD kommt postwendend. Am Morgen des 8. August kann man an der Außenwand des zuständigen Polizeireviers lesen: "Für einen erschossenen Arbeiter fallen zwei Schupo-Offiziere. Rotfront nimmt Rache!" Es bleiben keine leeren Worte. Einer der beiden Täter, die am nächsten Tag, dem 9. August, vor dem Kino Babylon die Polizeihauptleute aus dem Hinterhalt erschießen, ist der damals 23jährige, spätere MfS-Minister der DDR Erich Mielke (1907-2000). Erst 1993 wird er für seinen Tatanteil rechtskräftig verurteilt. 1933 verschärft sich die Situation auf dem Platz, der nun den Namen des von einem KPD-Mitglied erschossenen SA-Sturmführers Horst Wessel (1907-1930) trägt. Die Morgenausgabe der Vossischen Zeitung vom 1. März 1933 meldet: "Auf dem Karl-Liebknecht-Haus am Bülowplatz, das seit einigen Tagen geschlossen ist, wurde (am Vortag) um ½ 7 Uhr die Hakenkreuzflagge gehisst."

57 Jahre vergehen bis in das Haus erneut eine Parteiführung einzieht: der Parteivorstand der PDS, die sich inzwischen "Die Linke" nennt. Das weibliche Gesicht ihrer heutigen Doppelspitze erinnert an den alten Spruch der deutschen Wanderburschen: "Nachdem bin ich gereis't in Sachsen, / Wo die Mädchen auf den Bäumen wachsen", mehr noch: "Die Linke" scheint mit der 1978 in Dresden geborenen Bundesvorsitzenden Katja Kipping (MdB) eine glückliche Verbindung von Anmut, Verstand und Schneid zu Geltung bringen zu können. 2003 hatte Katja Kipping an der TU Dresden ein Studium der Slawistik, Amerikanistik und des Öffentlichen Rechts mit dem Examen Magistra Artium (M.A.) abgeschlossen. Ist mit ihr etwa das politische Charisma ins Haus zurückgekehrt, das die Partei über der magischen Fünf-Prozent-Grenze halten kann? Freilich bleibt auch sie der Öffentlichkeit die Wegweisung in eine sozial gerechtere Gesellschaft schuldig; oder sie weiß einen Weg, hat aber in ihrer vielschichtigen Partei nicht genügend Mitstreiter, die sich mit auf diesen Weg machen wollen. Die weltgewandte Jungsächsin, aus deren Rede die graziöse Dresdener Vokalfärbung klingt, tritt für verfassungskonforme gesellschaftliche Veränderungen ein und lässt sich dabei in den Talkrunden, zu denen sie gern eingeladen wird, von den wortgewandten Allgemeinplatzverbreitern anderer Parteien nicht einschüchtern.

Der Co-Vorsitzende Bernd Riexinger (geb. 1955) hingegen scheint mit seinem herausgestellten Klassenkämpfertum wenig Ausstrahlung zu gewinnen. Seine dramatischen Worte erinnern an ein politisches "Weihnachtsgedicht" aus der Feder Theobald Tigers, hinter dem sich bekanntlich Kurt Tucholsky (1890-1935) verbirgt. In dem Text wird auch der Namensträger des Parteihauses erwähnt, der einem Generalangriff auf den bürgerlichen Staat das Wort redete: "Karl Liebknecht, wie bist du rein und fanatisch, / auf die Dauer wirkst du doch unsympathisch; / du bestärkst den Radau, treibst der Rechten die Mühlen - / ich glaube, du sitzt grade zwischen zwei Stühlen ...!" Das Gedicht erschien am 20. Dezember 1918 im satirischen Wochenblatt ULK des Mosse-Verlages Berlin. 26 Tage später, am Abend des 15. Januar 1919, wurden Rosa Luxemburg und er von Freikorpsoffizieren ermordet.

Wie man zum Karl-Liebknecht-Haus kommt:

Das Karl-Liebknecht-Haus, die Volksbühne sowie das Kino Babylon befinden sich am Rosa-Luxemburg-Platz. Er ist mit der U-Bahn U2, aber auch vom Alexanderplatz bequem zu Fuß zu erreichen.
Text: -wn- / Stand: 19.04.2023 / Alle Angaben ohne Gewähr!

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