Tauentzienstraße in Berlin

Tauentzienstraße in Berlin
Skulptur "Berlin" aus Chromnickelstahl des Künstlerehepaars Brigitte und Martin Matschinsky-Denninghoff auf dem Mittelstreifen des Tauentziens - Foto: © -wn-

Die Tauentzienstraße - oder auch nur Tauentzien - befindet sich in der City West und ist eine ca. 500 Meter lange Einkaufsstraße.

Die Tauentzienstraße: Ein Preußen-General - Jahrzehnte im gesperrten Grab

Berlin im Februar 1824; nach einem bitterkalten Januar und einer zögernden Erwärmung herrscht am 24. Februar "gelinder Frost; die Wärme betrug 12, die Kälte 5 Grade", heißt es damals im Wetterbericht. An diesem trüben Dienstag wird die Leiche des preußischen Infanterie-Generals Bogislav Friedrich Emanuel von Tauentzien von Wittenberg (geb. 1760) mit beträchtlichem bestatterischem Aufwand auf dem Berliner Invaliden-Friedhof beigesetzt. Der in den DDR-Jahren zu einem Teil wandalisch zerstörte Gottesacker am Ostufer des Spandauer Schifffahrtskanals ist heute eine Gedenkstätte zur Erinnerung an die deutschen Befreiungskriege der Jahre 1813 bis 1815. In einem steinlosen Grab mit Platte wird einer der erfolgreichsten Militärs der Kriege gegen Napoleon I. (1769-1821) und seine Grande Armee an diesem Tag seine letzte Ruhe finden. Zur der dem Begräbnis vorausgehenden Trauerfeier in der ehemaligen evangelischen Garnisonskirche (nahe dem Hackeschen Markt) bewegt sich am frühen Nachmittag der lange Zug der Trauergäste. Der Ranghöchste in der Phalanx ist der 29-jährige Kronprinz Wilhelm, der spätere König Friedrich Wilhelm IV. (1795-1861). Er sitzt in der von vier Pferden gezogenen ungefederten und zugigen Staats-Equipage, die hart über das Steinpflaster rasselt, und der Prinz versucht, nicht auf die Menge am Straßenrand zu blicken. Während der Revolution von 1848 - da ist er schon König - wird er vor Berlinern sogar den Hut ziehen (müssen) - vor toten. Bekanntlich richtete am Nachmittag und Abend des 18. März 1848 sowie in der Nacht seine Soldateska ein Massaker an der protestierenden Berliner Bevölkerung an, die u.a. Pressefreiheit, den Abzug des gegen sie eingesetzten Militärs sowie eine deutsche Verfassung verlangte. Am Nachmittag fielen erste Schüsse. Dann begann der eskalierende Aufstand. Mehr als 250 Menschen wurden erschossen oder totgeschlagen.

Am 22. März 1848 werden 183 Särge mit toten Barrikadenkämpfern auf dem Weg vom Gendarmenmarkt zum Friedrichshain durch den Schloßhof getragen. Friedrich Wilhelm wird zu einer Ehrenbezeugung gezwungen. Sie fällt ihm schwer, die Trauer ist gespielt. Er verachtet die Eingesargten. Der tiefsitzende Hass gegenüber den toten und lebenden "Plebejern" ist auch maßgebend dafür, dass er im April 1849 sogar die deutsche Kaiserkrone ablehnt, die ihm eine Delegation der Preußischen Nationalversammlung (Paulskirche) angeboten hatte.

Invalidenfriedhof in Berlin
Das Grab des preußischen Generals Bogislav Friedrich Emanuel von Tauentzien auf dem Berliner Invalidenfriedhof - Foto: © -wn-

Der Auflauf der vielen Menschen zu beiden Seiten des Trauerzuges im Februar 1824 in Berlin zeigt, dass viele Einwohner den Akteuren des Befreiungskampfes Anerkennung zollen. Einen Eindruck vom Denken und Fühlen dieser Zeit gibt in Thomas Manns Roman "Lotte in Weimar" die Schriftstellerin Adele Schopenhauer. Bei einer Begegnung mit Lotte im Weimarer Gasthof "Zum Elephanten" schwärmt sie: "Das Frührot des Jahres dreizehn brach an. Was sich im Preußenland Herrliches begab - die Erhebung der Patrioten, ihr Sieg über den zögernden Sinn des Königs (Friedrich Wilhelm III.), die Aufstellung der Freiwilligen-Corps, ... bereit zum enthusiastischen Verzicht auf Bildung und Behagen, begierig, ihr Leben für das Vaterland in die Schanze zu schlagen ... von alledem ... drang anfangs nur geringe und gedämpfte Kunde zu uns (nach Weimar) herüber."

Besonders größere Leichenbegängnisse hatten in Berlin - einerlei wer im Sarg lag - einen enormen Schauwert. Die am Rand der Straßen drängelnden Leute wollten sich ein Bild machen von der zur Schau gestellten oder einer tatsächlichen Trauer der Hinterbliebenen. Ein Begräbnis war nicht nur rührend und traurig. Mitleid, eine als belebend empfundene Erleichterung darüber, dass man selbst noch lebt, und Neugier mischten sich am Rand der Straße zu einer Gefühlsmischung aus Lust und Leid. Der Feuilletonist Ernst Ludwig Kossak (1840-1880) beschreibt in seinem Buch "Berlin und die Berliner" ein Leichenbegängnis mit den Worten: "Wie man in Berlin sagt, man geht zu Tisch, zu Wein, zu Ball, so sagt man auch, man geht zur Leiche; die Leichenbegängnisse rangiren demnach mit anderen Belustigungen der märkischen Menschheit, sie können von mehr oder minderer Modernität sein, man kann dabei eine größere oder kleinere Gelegenheit haben, Luxus zu entwickeln oder sich an Anderer Aufwand satt zu sehen."

Tauentzien ist schon als Fünfzehnjähriger in der Armee

Tauentziens Trauerzug ließen die Zuschauer Berichten zufolge mit achtungsvollem Schweigen an sich vorüberziehen. Wer war der Verstorbene? In den "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" schreibt Theodor Fontane (1819 - 1898), dieser habe fünfzehn Jahre dem Rheinsberger Hof angehört. Wir lesen: "Er war ein ganz besonderer Liebling des Prinzen (Heinrich, Bruder von Friedrich II.), der schon 1776 den damals erst sechzehnjährigen Fähnrich von Tauentzien zu seinem Adjutanten ernannte. ... 1778, bei Ausbruch des Bayerischen Erbfolgekrieges (Österreich beansprucht Niederbayern), folgte Tauentzien dem Prinzen nach Sachsen und Böhmen und kehrte mit ihm in das Rheinsberger Stillleben zurück, das nur noch durch die zweimalige Reise des Prinzen nach Paris, 1784 und 1788, auf längere Zeit unterbrochen wurde. Auf beiden Reisen begleitete Tauentzien den Prinzen, 1784 als Lieutenant, 1788 als Capitain, und gedachte noch in späteren Jahren ebendieses Aufenthalts in der französischen Hauptstadt mit besonderer Dankbarkeit und Vorliebe. Bis 1791, nachdem er kurz vorher zum Major befördert worden war, blieb er in Rheinsberg, dann aber trat er in die Suite des Königs ein (Friedrich Wilhelm II.) und ward in den Grafenstand erhoben."

Der geadelte General, der es zu einer beispiellosen Prominenz brachte und der von den preußischen Reformern nicht aus dem Militärdienst entlassen worden war, wurde 64 Jahre alt. 48 Jahre davon diente er in der preußischen Armee, und zwar auch in einer Zeit, in der sich die preußischen Streitkräfte vom gezwungenen militärischen Alliierten der Napoleonischen Grande Armee schließlich zu deren Gegner wandelten. Der General gehörte zu den führenden Köpfen der Befreiungskriege gegen Napoleon von 1813 bis 1815. Aber er musste auch in die für Preußen schicksalhaften Schlachten bei Jena und Auerstedt am 14. Oktober 1806 ziehen. Zu dieser Zeit befehligte er eine Spezialeinheit für Feindaufklärung und Flankenschutz. König Friedrich Wilhelm III. (1797 - 1840), der Frankreich überstürzt den Krieg erklärt hatte, war entgangen, dass das preußische Militär gegen die französische Militärmaschine keine Chance hatte. Friedrich Engels (1820-1895) nennt den Monarchen deshalb den "größten Holzkopf, der je einen Thron bestiegen hat". Die Kriegserklärung und der Krieg kostete allein auf preußischer Seite 33000 Menschen das Leben bzw. die Gesundheit, oder sie gerieten in eine ungewisse Gefangenschaft.

Zu den im Fluchtgewühl Aufgegriffenen gehörte auch von Tauentzien, der auf dem Eilmarsch Richtung Prenzlau einer französischen Einheit nicht mehr ausweichen konnte und festgesetzt wurde. Es ist der dunkle Punkt in seiner Biografie. Er wird zunächst "auf Ehrenwort" nach Charlottenburg entlassen, später aber in Berlin festgesetzt und in der lothringischen Zitadelle Bitsch im Département Moselle arretiert. Die Haft zog sich hin von 1806 bis 1808. Nach seiner Freilassung machte ihm Friedrich Wilhelm III. - im Gegensatz zu anderen - keine Vorwürfe wegen der grandiosen Jenaer Niederlage. Er wird mit weiteren Aufgaben betraut.

Schlacht bei Dennewitz: Tauentzien und von Bühlow retten Berlin

KaDeWe in Berlin
Das Kaufhaus des Westens (KaDeWe) am östlichen Ende des Tauentziens nahe dem Wittenbergplatz - Foto: © -wn-

Am 6. September 1813 kam es im Vorfeld der Leipziger Völkerschlacht (Oktober 1813) zur Schlacht bei Dennewitz im Süden des heutigen brandenburgischen Landkreises Teltow-Fläming, nachdem die französische Armee versuchte, auf Berlin vorzudringen. Als einer der Befehlshaber auf preußischer Seite hatte Graf von Tauentzien einen Anteil am Sieg, den er zusammen mit den Einheiten Friedrich Wilhelm Freiherr v. Bülows (1755-1816) errang. Die Quellen besagen, dass nach dieser Schlacht Napoleons Kampfgeist zu erlahmen begann. Am 7. August 1814 zieht von Tauentzien mit großem Gepränge in Berlin ein. In einem Bericht des Premier-Lieutnantes Carl August von Gorszkowsky heißt es: "Mit triumphierender Freude empfing die Hauptstadt die Beschützer deutscher Freiheit, und der schwärmerischen Enthusiasmus der Einwohner ergoss sich bei ihrem Anblick in Aeußerungen des Jubels und der Bewunderung." Der Krieg gegen Frankreich sei "der merkwürdigste in den Jahrhunderten der Menschheit; ein Krieg zwischen Despotismus ausgearteter Sklaven gegen die (preußischen) Helden der Freiheit, die zu siegen wussten, weil sie als Eingeweihte des Schicksals und des Todes das Schlachtfeld betraten". 1814 erhält von Tauentzien, der inzwischen Träger des Hohen Ordens vom Schwarzen Adler ist, eine weitere Ehrung. Er darf sich jetzt Friedrich Graf Tauentzien von Wittenberg nennen, weil er die von den Franzosen als Festung gehaltene Elbestadt mit seinen Truppen erfolgreich stürmte. Im Sommer desselben Jahres wurde sein ehemaliger Feldgenosse Freiherr v. Bülow mit dem Grafentitel "von Dennewitz" geadelt.

Im kleinen Kreis findet die Grablegung seines Leichnams auf dem Invalidenfriedhof statt. Es folgen 137 Jahre einer - wenn auch von Kriegen belasteten - Totenruhe. Doch nach 40 Jahren wird sein Name wieder öffentlich genannt. 1864 beschließt Wilhelm, damals König von Preußen, ab 1871 Deutscher Kaiser Wilhelm I. (1797-1888), die preußischen Generale der Befreiungskriege mit einer Straße zu ehren. So entstand der sogenannte Generalszug, der sich heute noch aus der Gneisenau-, Yorck-, Bühlow- und Kleiststraße sowie aus dem Tauentzien zusammensetzt. Ab 1890 wurden die 49 Meter breiten Teilstraßen des Generalzuges angelegt. Der Tauentzien, der am Wittenbergplatz beginnt und nach 500 Metern am Breitscheidplatz endet, war zunächst eine Wohn-, später eine Geschäftsstraße. Das wurde sie besonders, nachdem man 1907 das Kaufhaus des Westens (KaDeWe) eröffnete. 1987 wurde auf dem Mittelstreifen zwischen der Marburger und der Nürnberger Straße die nicht übersehbare und als ein Wahrzeichen geltende silberfarbene Skulptur "Berlin" aus Chromnickelstahl des Künstlerehepaars Brigitte und Martin Matschinsky-Denninghoff (geb. 1923 und 1921) aufgestellt. Von weither sieht man scheinbar sich umspielende Tentakel, zwei links und zwei rechts. Sie streben zueinander und wollen sich umfangen, ohne sich berühren zu können. Die Skulptur sollte seinerzeit die noch bestehende Teilung der Stadt symbolisieren.

Geschäfte in der Tauentzienstraße

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  • Apollo
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Historisch wichtiger Invalidenfriedhof bleibt 28 Jahre gesperrt

Im Westen war der Name Tauentzien als städtische Ortsbezeichnung in aller Munde. Anders im Osten, dort bleibt der Name weitgehend unerwähnt. In seinem Buch "Deutschland 1789 - 1815" ist dem ostdeutschen Historiker Joachim Streisand (1920 - 1980) Tauentziens Name lediglich die Erwähnung in einer Klammer wert. Nun aber sollte der Name fast völlig verschwinden. Am 13. August 1961, als ab da das Grab des Generals im Grenzgebiet liegt und nicht mehr zugänglich ist, beginnt der zweite Arrest des Preußengenerals. Das Grab liegt nun östlich der Berliner Mauer und ist für Besuche weitgehend gesperrt. Einem glücklichen Umstand ist es zu verdanken, dass sein Grab von den Wandalen der DDR-Grenztruppen nicht eingeebnet wurde; es lag genügend weit vom unmittelbaren Grenzverlauf entfernt. Dennoch wird ein Besuch des Berliner Feuilletonisten und innovativen "Grabfahnders" Heinz Knobloch (1926-2003) am Grab sowie an den Gräbern anderer Patrioten der Befreiungskriege untersagt. Notgedrungen fehlt in seinem Buch "Berliner Gräber" der historisch wichtige Invalidenfriedhof. Heinz Knobloch hatte offenbar keine Berechtigungsmarke zum Betreten der Anlage erhalten. Damit waren auch die Gräber anderer herausragender Akteure der Befreiungskriege gesperrt, zum Beispiel das des Militärreformers Gerhard Johann David von Scharnhorst (1755 - 1813), des preußischen Generalleutnants Karl Ernst Job Wilhelm von Witzleben, der unter Scharnhorst kämpfte oder des Waterloo-Kämpfers Otto Karl Lorenz von Pirch (1765 - 1824).

Zur historischen Dummheit der Ulbricht/Honecker Administration gesellt sich die Perfidie, mit der der deutsche Dichter Heinrich Heine (1797 od. 1799 - 1856) allen Ernstes zum Spiritus Rector der Grenzziehung gemacht wurde. Im August 1961 veröffentlichte der "Eulenspiegel", ein Blatt für meist fade Witze, eine Zeichnung ihres Illustrators Ernst Jazdzewski (1907 - 1995), auf der ein bewaffneter Arbeiter der Kampfgruppen dem im dunklen zweireihig geknöpften Frack und mit einem Zylinder auf dem Kopf beistehenden Poeten der Freiheit meldet: "Befehl ausgeführt, Genosse Heine!" Dies wird ausgerechnet jenem Mann gemeldet, dem es an Grenzen immer mulmig wurde wie er im "Wintermärchen" erklärt:

"Und als ich an die Grenze kam,
Da fühlt ich ein stärkeres Klopfen
In meiner Brust, ich glaube sogar
Die Augen begunnen zu tropfen."

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Verkehrsinformation:

Den heute wieder uneingeschränkt geöffneten Invalidenfriedhof erreicht man auf folgenden Buslinien: 120, N20 Haltestelle Scharnhorststraße 120, N20, N6 Haltestelle Bundeswehrkrankenhaus 142 Haltestelle Döberitzer Straße

Öffnungszeiten des Invalidenfriedhofs:
16. März bis 30. September: täglich von 07:00 bis 21:30 Uhr
01. Oktober bis 15. März: täglich von 07:00 Uhr bis 18:30 Uhr
Text: -wn- / Stand: 16.10.2024

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