Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin

Text: -wn- (Journalist aus Berlin) / Letzte Aktualisierung: 19.04.2023

Der Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin
Der Rosa-Luxemburg-Platz vom Kino Babylon aus gesehen. Foto: © -wn-

Der Rosa-Luxemburg-Platz befindet sich im Berliner Scheunenviertel. Angelegt wurde er 1907 als Babelsberger Platz, 1910 - 1933 hieß er Bülowplatz zu Ehren des ehemaligen Reichskanzlers Bernhard von Bülow, 1933 - 1945 hieß der Platz zu Ehren Horst Wessel "Horst-Wessel-Platz", dann kurzzeitig (1945 - 1947) Liebknechtplatz zu Ehren von Karl Liebknecht und schließlich Luxemburgplatz.

Der Rosa-Luxemburg-Platz: Scheunen, Schützen und Schalmeien

Vor mehreren hundert Jahren, als Berlin und Cölln nach zeitgenössischen Aussagen auch schon als arm galten, waren beide 1432 vereinigten Kommunen weit davon entfernt, ihre Armut mit körperlosem Sex-Appeal zu kombinieren, wie der heutige Zustand bemäntelnd gern beschrieben wird. Einer der Gründe für die damals mangelnde PR-Cleverness lag nicht zuletzt in der starken Amtsbelastung der jeweils regierenden Bürgermeister. Sie hatten einfach zu wenig Zeit, sich öffentlichkeitswirksam zu spreizen oder leutselig an volksnahen Ergötzlichkeiten teilzuhaben, die für Beobachter den Gedanken hätte nahelegen können, dass es sich hier um eine taffe Kommune mit einer ewige Jugend abstrahlenden Obrigkeit handeln muss. Man muss wissen, dass zum Beispiel nach der städtischen Feuerordnung vom 15. Juli 1672 die Stadtoberen bei jedem Brand die Kanzlei oder auch das Bett verlassen und zum Brandherd eilen mussten - und das war auch gut so. Brandschutz wurde sinnvollerweise ganz hoch gehängt. "Das Löschen dirigierte der regierende Bürgermeister mit zwei Rathsherren (vor Ort)", berichtet der Königliche Polizei-Assessor Albert Ballschuh in seinem im 19. Jahrhundert mehrfach aufgelegten Bestseller "Das Polizei-Präsidium zu Berlin - Eine geschichtliche Darstellung der Polizei-Verwaltung ... aus der frühesten Zeit bis auf die jetzige". Es vergehen nach der 1672 erlassenen Feuerordnung nur sechs Jahre, bis es zu einer weiteren durchgreifenden Maßnahme zur Minderung der hohen Brandgefahr in der Residenzstadt kam, in der viele Häuser entweder noch keine oder nur hölzerne Schornsteine besaßen: Alle Scheunen im Stadtgebiet, in denen das Heu für den Viehmarkt auf dem Alexanderplatz aufbewahrt wurde, mussten abgerissen und konnten außerhalb der alten Festungslinie wieder aufgebaut werden. "Uebrigens werden die Scheunen, zur Abwendung der Feuersgefahr, so weit (weg) von den Wohngebäuden angebracht, als sich thun läßt, wie man überhaupt auf großen Wirthschaftshöfen die Gebäude nicht gern ganz nahe aneinander setzt, um bei entstandener Feuersgefahr um so eher Rettungsmittel anwenden zu können" so brachte es die aus 242 Bänden bestehende "Oeconomische Encyclopädie" auf den Punkt, die der Berliner Naturwissenschaftler Johann Georg Krünitz (1728-1796) herausgegeben hatte. Die energischen Brandschutz-Vorkehrungen der Berliner Behörden ließen ab 1700 im noch unbebauten Gebiet des heutigen Rosa-Luxemburg-Platzes und in dessen Umfeld 27 Scheunen entstehen, die schon damals aus den beiden klassischen Bereichen bestanden: aus der Tenne und dem Bansen, dem Scheunenteil, in dem die Getreidegarben zum Dreschen bereit lagen und das ausgedroschene Stroh gelagert wurde. Zahlreiche Scheunengassen entstanden in diesem Areal, vier längere, die längste allerdings nur 245 Schritte lang, es gab eine kleine, eine kurze und eine Scheunen-Quergasse. Sie alle sind verschwunden. Das Platzgelände wurde zum Herzstück des Scheunenviertels, in dem sich zahlreiche Juden ansiedelten und ihm das Gepräge gaben. Über die Stadelfunktion seiner Landwirtschaftsdepots hinaus war das Viertel ein städtischer Bereich mit einem reichen kulturellen Leben. Im Umfeld der Synagogen gab es jüdische Betstuben und -häuser. Gaststätten und Geschäfte boten Koscheres an. In der Literatur wird das Gebiet zutreffend auch als ein billiges Amüsier- und Ganovenviertel beschrieben.

Geschichte des Rosa-Luxemburg-Platz

Im Allgemeinen ortet man das Scheunenviertel heute in einem Sektor, der im Norden von der Torstraße, in seiner südöstlich verlaufenden Flanke von der Liebknechtstraße und im Westen von der Friedrichstraße begrenzt wird. Grob gerechnet bestand das Scheunenviertel 200 Jahre. Ab der vorletzten Jahrhundertwende ging seine Zeit zu Ende, weil die Vorratswirtschaft in Scheunen entfiel, nachdem die Stadt über Straße, Fluss und Schiene hinlänglich versorgt werden konnte. Auch um die katastrophalen Wohnverhältnisse im Viertel zu verbessern, wurden nicht nur die Scheunen, sondern auch Häuser großflächig abgerissen. Besonders nach dem Neubau entsteht nun ein Dreieck, ein Platz, der im folgenden halben Jahrhundert fünfmal den Namen wechselt. Ab 1910 wird der bisherige Babelsberger Platz nach dem Politiker Bernhard Heinrich Martin Graf von Bülow (1849-1929) genannt. Die Vorgänge auf dem Bülowplatz haben nun nichts mehr mit Landwirtschaft zu tun, und der vormalige Kampf gegen das Feuer wandelte sich nicht selten zu opferreichen klassenkämpferischen Auseinandersetzungen. 1928 kommt es hier zum Blutmai genannten Kampf der Polizei gegen gewaltbereite kommunistische Demonstranten. Carl von Ossietzky (1889-1938) vermerkt in der Weltbühne zum Vorgehen der Polizei: "Wenigstens an drei Stellen, am Bülowplatz, am Hackeschen Markt und am Senefelder Platz wurde schon am Mittag von den Feuerwaffen Gebrauch gemacht, und zwar wurden nicht Attacken abgewehrt, es wurde fast immer nur Weglaufenden in den Rücken gepfeffert. Ich kann durch einen einwandfreien Zeugen erhärten, dass am Bülowplatz am Mittag schon die Polizeiautos vom Fenster einer Privatwohnung aus von Offizieren dirigiert wurden." Im Jahr darauf kommt es bei den Maifeiern in Berlin wieder zu blutigen Zusammenstößen. Sieben Tote und etwa 100 Verletzte sind zu beklagen. Der Arbeiterdichter Max Barthel (1893-1975) beschreibt die Szene an einem 1. Mai auf dem Platz: "Das Karl-Liebknecht-Haus am Bülowplatz war umlagert. Auch das Scheunenviertel war auf den Beinen, die Dragonerstraße, die Grenadierstraße, die Mulackstraße, die Weinmeisterstraße, die Steinstraße mit dunklen Gestalten aus der Unterwelt, mit schweren Jungens und leichten Mädels. Die Unterwelt band sich rote Tücher um den Hals. Das Lumpenproletariat stieg aus den Kellern und Kaschemmen und witterte Morgenluft."

Der Bülowplatz - obwohl für kopfstarke Paraden viel zu klein - ist dennoch für die SA-Leute ein anziehender Punkt in der Stadt. Seit 1926 befindet sich hier die KPD-Zentrale, das Karl-Liebknecht-Haus. Einmal marschieren die KPD-Anhänger mit Schalmeien-Klängen über den Platz, dann wieder die grölende SA. Im August 1931 ereignet sich bei einer der üblichen Rangeleien zwischen kommunistischen Demonstranten und der Polizei ein folgenschwerer Zwischenfall. Ein unerfahrener junger Beamter verliert die Nerven und erschießt einen ebenfalls jungen Arbeiter. Die Antwort der KPD kommt postwendend. Am Morgen des 8. August kann man an der Außenwand des zuständigen Polizeireviers lesen: "Für einen erschossenen Arbeiter fallen zwei Schupo-Offiziere. Rotfront nimmt Rache!" Es bleiben keine leeren Worte. Einer der beiden Täter, die am 9. August vor dem Kino Babylon die Polizeihauptleute Paul Anlauf und Franz Lenk aus dem Hinterhalt erschießen, ist der damals 23-jährige, spätere MfS-Minister der DDR Erich Mielke (1907-2000). Erst 1993 wird er für seinen Tatanteil rechtskräftig verurteilt - aber eigentlich nur deshalb, weil er die seinerzeit angelegte und nun als Beweismittel dienende Ermittlungsakte an sich genommen und in seinem Privatsafe aufbewahrt hatte. Es ist der Mann, der am 13. November 1989 vor der Volkskammer mit kreidiger Stimme erklärte: "Ich liebe, ich liebe doch alle, alle Menschen ... (anschwellendes Lachen im Saal) ... ja, ich liebe doch, ich setze mich doch dafür ein." 1933 verschärft sich die Situation auf dem Platz, der nun den Namen des von einem KPD-Mitglied erschossenen SA-Sturmführers Horst Wessel (1907-1930) trägt. Die Morgenausgabe der Vossischen Zeitung vom 1. März 1933 meldet: "Auf dem Karl-Liebknecht-Haus am Bülowplatz, das seit einigen Tagen geschlossen ist, wurde (am Vortag) um ½ 7 Uhr die Hakenkreuzflagge gehisst." Das Haus war bereits im Februar von den Nazis besetzt worden.

Die Volksbühne auf dem Rosa-Luxemburg-Platz

Nach 1945 ist der Platz zwei Jahre lang nach Karl Liebknecht (1871-1919) benannt. Schließlich nennt man ihn kurz Luxemburgplatz, und seit 1969 trägt er seinen heutigen Namen Rosa-Luxemburg-Platz. Weniger bekannt wurde, dass ein Versuch im Jahre 1951, auf dem Platz ein Luxemburg-Denkmal aufzustellen, von der SED-Führung verhindert wurde. Dafür gab es Gründe: Schließlich handelte es sich um jene Dr. Rosa Luxemburg (1870-1919), die in ihrem berühmten wie provozierenden Aufsatz "Zur russischen Revolution" den Abbau bürgerlicher Grundrechte durch die russischen Bolschewiki als gefährliche Fehlentwicklung des Weltsozialismus gebrandmarkt hatte. Ihr Bemerkung auf dem linken Rand einer Seite des Urmanuskriptes "Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden" ließ eine Phalanx dogmatischer Bonzen aller Länder entstehen: Sie erfanden den Luxemburgismus. Luxemburgistisch nannte man auch in der SED-Führung die Auffassung, nach der Sozialismus nur mit Demokratie möglich ist. Man muss heute nicht aufwendig googeln oder Bücher wälzen, um die Gedankenwelt dieser bis heute populären Frau näher kennenzulernen. Mit einer Boden-Installation aus 60 Betonbalken mit bronzenen Zitaten Rosa Luxemburgs rund um die Volksbühne bekam der Platz nun ein originelles Denkmal für die bedeutende Vertreterin der europäischen Arbeiterbewegung. Diese "Denkzeichen Rosa Luxemburg" schuf der in New York lebende Bildhauer Hans Haacke (geb. 1936). Freilich hätte die Luxemburg, wäre sie nicht den Freikorpsoffizieren zum Opfer gefallen, später auch beobachten müssen, dass ihre Annahme nicht ganz stichhaltig war, wonach die Arbeiter nach einer Revolution "von selbst, aus eigenem Antrieb fleißig arbeiten, keine Verschwendung mit dem gesellschaftlichen Reichtum treiben, reellste und pünktlichste Arbeit liefern" ("Die Junge Garde" vom 4.12.1918). War doch die DDR-Wirtschaft mit ihren gut ausgebildeten und meist motivierten Beschäftigten dennoch ein Beispiel für eine von oben organisierte gesellschaftliche Verantwortungslosigkeit. Zur Verteidigung der Namensgeberin ist aber zu sagen: Sie hatte Sozialismus und Demokratie immer zusammen gedacht. Und selbst da, wo man an ihr einen fatalistischen Anflug zu spüren glaubt, scheint sie nicht falsch zu liegen. Am 11. Januar 1919 schreibt sie in einem ihrer letzten Briefe an Clara Zetkin: "Und schließlich muss man die Geschichte so nehmen, wie sie laufen will." Dass sie vier Tage später ermordet wird - das ist eine fortbestehende Tragik im umfassenden Sinn.

Wie man zum Rosa-Luxemburg-Platz kommt:
Der Platz ist mit der U-Bahn U2, Tram M8 oder Bus 142 (bis Rosa-Luxemburg-Platz), aber auch vom Alexanderplatz bequem zu Fuß zu erreichen.
Mit dem Auto erreichen Sie den Platz über die B96a, B1, B2 Richtung Mitte. Parkplätze sind in der Nähe vorhanden.

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