Das Gründerzeitmuseum im Gutshaus Mahlsdorf
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entfährt ihr nach erstem Umsehen im edel möblierten Quartier die Frage "Wer putzt hier Staub?" Ihre einem praktischen Hausfrauen-Denken entspringende Erkundigung überliefert der deutsche Museumspädagoge Alfred Lichtwark (1852-1914) in einer amüsanten Abhandlung über die damals aufgekommene Art des pompös-verspielten Ausstattens von Wohnbereichen, in denen sich dem Staub konkave und konvexe, plane und gedrehte Absetzflächen bieten. Es ist die deutsche Gründerzeit, eine kurze aufbrüchlerische Stilepoche des Historismus, der das "Nachfließen" des Geschichtlichen in die Gegenwart hinein für belangreich hält. Gründerjahre nennt man meist die Zeit zwischen 1870 und 1890. Die industrielle Produktion des vormonopolistischen Industriekapitalismus bildet sich heraus. Firmen schießen wie Pilze aus dem Boden. Auch weil fünf Milliarden Franken ins Land fließen: französische Reparationen, zahlbar geworden nach dem gegen Deutschland vom Zaun gebrochenen und verlorenen Krieg (1870-71). Die Überweisungen des Besiegten beleben die Wirtschaft des Siegers. Aktiengesellschaften gründen sich, Banken und Unternehmerverbände. Eine neue Klasse emanzipiert sich: das Bürgertum mit seiner Zentral-Phalanx, dem Mittelstand. Kurt Tucholsky (Ignaz Wrobel) beschreibt den Vorgang dieses Ermannens 1920 in der "Weltbühne" als das "Eindringen des Kapitalismus in das (bisherige) friderizianische System". Das bedeute "absolutes Vorherrschen des Geldes, Karrierejagd des Gehaltes wegen". Der Schriftsteller Hermann Hesse (1877-1962) weist in seinem die bürgerliche Befindlichkeit tief auslotenden "Tractat vom Steppenwolf" aber auch auf den historischen Anspruch hin, den das Bürgertum mit zivilisatorischer Fernwirkung geltend macht: Es hat "an Stelle der Macht die Majorität gesetzt, an Stelle der Gewalt das Gesetz, an Stelle der Verantwortung das Abstimmungsverfahren." Vom Rechtsstaat ist die Rede.