Ernst-Thälmann-Park

Text: -wn- (Journalist aus Berlin) / Letzte Aktualisierung: 19.04.2023

Ernst-Thälmann-Park in Berlin
Winter ohne Schnee im Ernst-Thälmann-Park - Foto: © -wn-

Der Ernst-Thälmann-Park ist ein Wohnpark. Auf 16 Hektar Grünfläche kann man sich erholen, auf dem Rest stehen Wohnungen. Gebaut wurde von 1983 bis 1986. In dieser Zeit entstanden 1332 Wohnungen, ein Planetarium und die Grünflächen mit einer Denkmalanlage.

Ernst-Thälmann-Park: Es war nicht alles schlecht - und nicht alles recht

Wie gut, dass uns die kleine Gen. Hainke, Ulrike (geb. 1940), Stasi-Gehaltslisten-Nr. 150256422221, erhalten blieb. Aus eigenem Erleben kann und will sie berichten, wie es damals im "Wildforschungsgebiet" in der Bernauer Heide zugegangen ist - unter den Menschen, unter den Tieren. Die "überzeugte Kommunistin" will angehen gegen das Abwerten des Vergangenen, von dem die einen sagen, es sei so, die anderen meinen, es sei so gewesen. Die mit putzen, backen und braten betraute und über viele Jahre bestens bewährte Bedienerin aus Weischlitz im sächsischen Vogtlandkreis arbeitete seit 1965 nacheinander in den Haushalten ostdeutscher Hochrang-Funktionäre. Aus nächster Nähe kennt sie den zu Visionen neigenden Landwirtschaftsmann Georg Ewald (1926-1973). Der hielt es schon es 1961 für möglich, dass "so viel Futter auf den Wiesen, Weiden und auf dem Acker zu erzeugen (sein könnte), dass bereits die Schweine, Kühe, Schafe und Hühner im Kommunismus leben". Ewalds hinreißender Blödsinn war ein ungewollter Nachhall auf George Orwells (1903-1950) geniale Anti-Utopie "Farm der Tiere" aus dem Jahr 1945. Die Aufwartefrau deckte ferner den Tisch in der Familie Herbert Warnke (1902-1975), dem als einem der ersten ein früher seherischer Gedanke kam, dessen Nichtbeachtung wesentlich zum Ende der DDR beitrug.

Wieder und wieder warnte Warnke vergebens, dass "immer nur so viel verteilt und verbraucht werden kann, wie von unserer Gesellschaft vorher produziert wird". Kassandrarufe waren unbeliebt, und sie konnten für den Rufer gefährlich werden. Die Genossin lernte auch den häuslichen Lebenskreis des Joachim Herrmann (1928-1992) kennen, den der Autor Hermann Kant (geb. 1926) im Roman "Das Impressum" zur Zentralgestalt erkor, als Chefredakteur einer Tageszeitung, der aus gezierter Bescheidenheit kein Minister werden will. (Unechte Selbstverleugnung gegenüber Entscheidungsgremien machte sich schon damals gut auf dem Weg nach oben.)
Und sie kennt Erich Mückenberger (1910-1998), der freundlich wie ein Alterchen in der Muppet Show umging und seine Goldzähne blinken ließ, in Wirklichkeit der gefürchteten Zentralen Parteikontrollkommission vorstand und selbst wegen absonderlicher Vorwürfe gegen Parteimitglieder gefürchtet wurde. Auch im Hause Willi Stophs (1914-1999) war sie eingesetzt. Ihm verweigert sie im Nachhinein den Titel "Genosse". Sie sei "mit allen gut klargekommen", sagt sie, "nur mit dem Stoph, da wurde keiner warm." Stoph war Wildabschießer im Flecken Speck an der Müritz - mit besonderer Leidenschaft für das Zutotebringen an Futterstellen gelockter Rehe, und er war Obstzüchter, der die Männer seines Sicherheits-Kommandos zum Pflücken der von ihm vorher an den Bäumen stückgenau abgezählten Äpfel befahl.

Waldsiedlung Wandlitz: Eine Zugehfrau macht bei Honeckers ihren Weg

Höhepunkt des glänzenden Kaderweges der Hainke, Ulrike ist aber die Aufwartung im Hause Erich Honeckers (1912-1994) und seiner blauhaarigen Frau Margot (geb. 1927) im heutigen Habichtsweg 5. Wenn die kleine Genossin von ihrer Firma - wie behauptet - tatsächlich eine korrekte Lohnabrechnung für 1989 zum Zwecke des Klärens von Konten erhalten haben sollte, dann hätte sie in diesem Zeitraum 25500 Mark der DDR verdient (Monatsgehalt 2125,00 DDR-Mark brutto). Dafür wurde etwas verlangt. Die Dienstanweisung hielt sie dazu an, "durch qualifiziertes, einfühlsames Verhalten und gefühlvolles Handeln das subjektive Wohlbefinden der führenden Repräsentanten ständig zu gewährleisten". "Wir sollten da sein, aber man sollte uns nicht merken", erklärt sie ihren Dienstalltag. Das klingt nicht nach Vorwurf, sondern Stolz blitzt auf. Es fallen einem weniger lautlose Haushaltshilfen ein. Franz Kafka (1883-1924) etwa schildert in der bekannten Erzählung "Die Verwandlung" Umgangsformen der Gehilfin der Familie Samsa. Man liest: "Als am frühen Morgen die Bedienerin kam - vor lauter Kraft und Eile schlug sie, wie oft man sie auch schon gebeten hatte, das zu vermeiden, alle Türen derartig zu, dass in der ganzen Wohnung von ihrem Kommen an kein ruhiger Schlaf mehr möglich war ... Das Ehepaar Samsa saß im Ehebett aufrecht da und hatte zu tun, den Schrecken über die Bedienerin zu verwinden". Da hatten es die Honeckers recht gut angesichts der stillen Emsigkeit ihrer im Grunde sogar überqualifizierten Zugehfrau, einer gelernten Apothekenhelferin. Der Dienstherr war eher unterqualifiziert und wie man heute weiß: überfordert. Denn er schmiss 1928 seine Dachdeckerlehre (oder im Jahr darauf), um sich fortan der glücklosen Herbeiführung linksorientierter Zustände in Deutschland zu widmen. Eine vorzeigbare Weiterbildung steht nicht zu Buche. Zeitlebens schränkte er deshalb seinen Umgang mit den urteilsfähigen und gedankenschnelleren Intellektuellen ein. So kam es, dass die kleine Genossin in der Waldsiedlung kaum auf Menschen traf, die man der (bekanntlich reichlich vorhandenen) ostdeutschen Intelligenz hätte zuordnen müssen. In den intellektuell ausgedünnten politischen Kreisen waren bildungsbürgerliche Bedürfnisse eher verdächtig, als dass sie einem sinnerfüllten Leben zuträglich erschienen. Freies Wissen war ihnen ideologisch verdächtig, weil es vagabundierte. Mit dem Problem der Dummheit in der Politik befasste sich eingehend der Münchner Psychologe Leopold Loewenfeld (1847-1924).

Er verwies auf die existentiellen Gefahren, in die ein Land gerät, in dem "der gebildete und intellektuell höher stehende Teil des Volkes, der für eine zweckmäßige Leitung der Staatsgeschäfte und alle größeren Unternehmungen unentbehrlich ist, zu einer Klasse von Heloten (Rechtlosen) (ge)stempelt" wird. Natürlich brauchte man - wenn man es schon selbst nicht war - Gebildete für den Aufbau der neuen Gesellschaft, zum Beispiel so eine Koryphäe wie den bauwütigen Architekten Erhardt Gißke (1924-1993), den der SPIEGEL bereits 1983 beifällig als "1,94 Meter großen Haudegen in der Ost-Berliner Bau-Elite" bezeichnete. Die Tageszeitung (TAZ) meinte sogar, er Mann sei "für das sozialistische Berlin etwa so bedeutend wie (Karl Friedrich) Schinkel für das preußische". Ein würdigenderer Vergleich ist kaum denkbar! Was Wunder, dass die DDR-Administration Erhardt Gißke dafür auswählte, repräsentative Bauten zu schaffen oder wiederherzustellen und vor allem einen alten Traum der deutschen Arbeiterbewegung verwirklichen zu helfen: nämlich sicher, trocken, warm und in ausreichend großen Räumen wohnen zu können. Professor Gißke ist unter anderem der Erbauer des Palastes der Republik (1976), des Konzerthauses am Gendarmenmarkt (1984), des neuen Friedrichstadtpalastes (1984) und jenes 1986 bezugsfertig gewordenen, 25 Hektar großen Wohnparks im Prenzlauer Berg. Das Gelände zwischen Prenzlauer und Greifswalder Straße bekam den Namen des deutschen Antifaschisten Ernst Thälmann (1886-1944) zugewiesen.

Kultur & Freizeit im Ernst-Thälmann-Park:

Theater unterm Dach
Danziger Str. 101, 10405 Berlin


Die Wabe
Danziger Str. 101, 10405 Berlin


Zeiss Großplanetarium
Prenzlauer Allee 80 10405 Berlin
Weitere Infos über das Zeiss Großplanetarium

Schwimmhalle im Ernst-Thälmann-Park
Lilli-Henoch-Str. 20 10405 Berlin
Weitere Infos über die Schwimmhalle Ernst-Thälmann-Park

Erhardt Gißkes Vision wurde wahr: Eine Verbindung zwischen Wohnen, Natur und Kultur

16 Hektar des Parks, in dem rund 4000 Bewohner in über 1300 Wohnungen leben, sind Grünflächen. Die Wohnanlage steht auf dem Grund der früheren IV. Berliner Gasanstalt (1873-1981) und wurde aus Anlass des 100. Geburtstages Ernst Thälmanns am 16. April 1986 ihrer Bestimmung übergeben.
Das Bauprojekt war Bestandteil des groß angelegten Wohnungsbauprogrammes, das zu den Positiva der DDR zählt.

Wohnungsnot war lange Zeit ein verbreitetes Wort gewesen. Im Grunde galt noch Kurt Tucholskys (1890-1935) Feststellung im Prager Tageblatt vom 17. Juni 1923: "In Berlin kommen auf jede Wohnung dreizehn Personen: drei, die darin wohnen, und zehn, die draußen darauf warten, dass sie frei wird. Zu diesem Behufe ... schuf Gott die Wohnungsämter." Selbst die ostdeutsche Belletristik erwähnt die Knappheit an wohnlichen Unterkünften. Im Roman "Der Erste" (SED-Kreissekretär) von Landolf Scherzer (geb. 1941) wird die Besichtigung einer thüringischen Innenstadt so beschrieben: "Die HO-Speisegaststätte "Fortschritt", die wegen Baufälligkeit gesperrt werden musste, schauen wir uns von hinten an. Der Lehm bröckelt zwischen dem Weidengeflecht der Wände. Die Nachbarhäuser sind schon abgerissen. Wenn eine Wand fiel, stürzten gleich mehrere Häuser ein. Der vielleicht fünfundzwanzigjährige Kreisbaudirektor Böse sagt: "Wir hätten die Altstadt eher sanieren müssen, schon vor 15 Jahren." Das war im Prenzlauer Berg nicht anders. Während Thälmanns Park entstand, verfiel ringsum die alte Bausubstanz. Die Malaisen mit kleinen oder maroden Wohnungen hatten die damals neuen Mieter im Thälmann-Park hinter sich gebracht. Den achtgeschossigen Plattenbauten der Reihe WBS 70 sind speziell für den Park entwickelte zwölf-, fünfzehn- und achtzehngeschossige Hochhäuser vorgelagert und augenfreundlich in die Stadtlandschaft eingepasst. Erhardt Gißkes Vision war es, eine Verbindung zwischen Wohnen, Natur und kulturellen Einrichtungen zu schaffen. Zu dieser Verbindung kam es. Das Theater unterm Dach an der Danziger Straße hat sich mittlerweile einen geachteten Platz im Berliner Theaterwesen erobert. 2014 weist der Programmzettel Werke von Georg Büchner (1813-1837) und Astrid Lindgren (1907-2002) aus, Texte des amerikanischen Schriftstellers Kurt Vonnegut (1922-2007) wurden für die Bühne bearbeitet. In dem benachbarten Veranstaltungshaus WABE finden in bunter Folge Konzerte und andere kulturelle Veranstaltungen statt. Während die Mieter davon befreit waren, den Müll zum Container zu bringen, weil sie sich eines Müllschluckers bedienen konnten, blieb ihnen freilich der Gang zu Bäcker, Fleischer, zur HO oder zum Konsum nicht erspart. Die Wege sind kurz. Von langen Wegen konnte hingegen ihr Wohltäter E.H. ein Lied singen! Wenn dieser auf der in den meisten Atlanten fehlenden Funktionärsinsel Vilm südlich Rügens - ein Naturschutzgebiet - Urlaub machte, war er gezwungen, die Schrippen aus Wandlitz (Luftlinie etwa 180 Kilometer) täglich einfliegen zu lassen, weil ihm die dort gebackenen Semmeln, Kipfel und Knüppel am besten schmeckten. Wenn er sich hingegen auf dem abgeschirmten Jagdsitz für rund 40 Millionen DDR-Mark am Drewitzer See bei Waren zum Wildtöten aufhielt, war die Schrippen-Linie natürlich nur ca. 80 Kilometer lang. So was bringen die westdeutschen "Drecksender" natürlich als Aufmacher, erklärte der spätere unfreiwillige Auslöser des Mauersturmes Günter Schabowski (geb. 1929) auf einer Tagung des SED-Zentralkomitees zu solchen Berichten über die Bedürfnisse des anspruchsarmen Saarländers aus Neunkirchen. Denn aus dem Mund der kleinen Genossin wissen wir: Die Wandlitzer Waldsiedler seien Menschen wie du und ich gewesen. "Die Honeckers lebten sehr bescheiden, die hatten nie Sonderwünsche", erklärt sie. Das bestellte Essen war frugal: "Kartoffelpuffer, Klopse, Eintopf." Der Genosse Erich aß außerdem gern einen einfachen Kasseler Braten. Und erst die Wohnungseinrichtung der beiden! "Die Möbel, die beim Einzug hier standen, waren noch drin, als sie auszogen." Nur so kann man sich den Selbstbefund Erich Honeckers in seinem 1980 erschienenen Werk "Aus meinem Leben" erklären: "Als Politiker des sozialistischen Staates sind wir Fleisch vom Fleische unseres Volkes und Blut vom Blute."

Eine Denkmalsstürmerei findet nicht statt

Thälmann Denkmal im Ernst-Thälmann-Park
Monumental-Skulptur des KPD-Funktionärs Ernst Thälmann am Rand des nach ihm benannten Wohnparks im Berliner Prenzlauer Berg. Der ehemalige Hamburger Transportarbeiter zählt zu den Verfechtern der gegen die SPD gerichteten verhängnisvollen "Sozialfaschismus"-These, die maßgeblich zur Spaltung der deutschen Arbeiterklasse im Kampf gegen die Hitler-Diktatur beitrug. - Foto: © -wn-

Nahe liegt der Schluss, dass man im Ernst-Thälmann-Park mit seiner ansprechenden Umgebung heute besser lebt, als die Arbeiterfunktionäre damals in ihrem Wald-Ghetto.
Obwohl es in einigen Park-Wohnungen Sanierungsbedarf gibt, will niemand wegziehen. Auch die Mischung der Bewohner sei "intakt", schreibt die Zeitung "Die Welt". "Man spaziert vorbei an lesenden Vätern der Schwaben-Fraktion am Rand eines der vielen Spielplätze; vorbei an Männern mit Bier, die seit einer Stunde oder vielleicht doch schon seit ein paar Jahren Pause machen; vorbei an Eis essenden Hüfthosen-Mädchen, die genau wie die schicken Bio-Eis-Kinder aus den Nachbarkiezen laut reden, nur eben auf berlinerisch." Die meisten heutigen Mieter waren 1997 schon da, als es eine Umfrage des Bezirksamtes Prenzlauer Berg gab, in deren Ergebnis sich eine Mehrheit der Bewohner dafür aussprach, den Namen des Parks beizubehalten - und auch das Denkmal des 1944 im Konzentrationslager Buchenwald ermordeten KPD-Funktionärs nicht zu schleifen. Der hochdekorierte sowjetische Bildhauer und "Monumentalist" Lew Jefimowitsch Kerbel (1917-2003) hatte die übergroße Thälmann-Skulptur aus Anlass der Parkeröffnung übergeben. Massig erscheint der Kämpferkopf, hinter dem eine entfaltete Fahne flattert, und auf der Physiognomie des Mannes von der Waterkant liegt ein verhaltenes Lächeln. Links ragt aus dem Stein eine nicht mit dem Körper verbundene, zum Gruß erhobene Faust - eine Geste, die der Freund des Künstlers, Erich Honecker, so sehr liebte und mit der er immer anzudeuten schien, dass es nur noch eines Knopfdruckes bedurfte, um die Weltrevolution endlich auszulösen. Lew Jefimowitsch könnte sich freuen: Auch in Chemnitz wurde der sieben Meter hohe und 40 Tonnen schwere Kopf des deutschen Philosophen, Ökonomen und Gesellschaftstheoretiker Karl Marx (1818-1883) ("Nischel") vor dem Entsorgen bewahrt. Zwar nannte sich die 1953 in Karl-Marx-Stadt umbenannte Stadt ab 1990 wieder Chemnitz. Doch wie im Thälmann-Park gab es auch in Chemnitz genügend Menschen, die sich gegen eine geschichtsfliehende Denkmalsstürmerei wandten. Sollen doch solche Denkmäler ein fügliches Bedenken des Vergangenen bewirken. Das Umwidmen der beiden ehemals kultischen Stätten zu Orten sachlichen Erinnerns ist beiden Köpfen augenscheinlich nicht schlecht bekommen. Und Schönheitspreise sollen sie nicht gewinnen.

Adresse:
Ernst-Thälmann-Park
Prenzlauer Allee, Greifswalder Str.
Berlin
Anfahrt:
S-Bahn: Prenzlauer Allee S41, S42 / Greifswalder Straße S41, S42
TRAM: Prenzlauer Allee M2, Greifswalder Straße M4

Öffnungszeiten des Ernst-Thälmann-Park

Der Ernst-Thälmann-Park ist jederzeit zugänglich.

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